Nehammer: "Keine Wohnung darf in Österreich kalt sein
Maßnahmen zur Energieversorgungssicherheit und nationale Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU im Ministerrat beschlossen – Antiteuerungsschritte weiter im Fokus
"Die Energieversorgungssicherheit ist uns ein großes Anliegen. Im Ministerrat haben wir dafür Vorsorge getroffen, denn es braucht gesetzliche Rahmenbedingungen. Zudem müssen die entsprechenden Einspeicherungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeit an Gasmengen hinsichtlich des Pipeline-Durchflusses organisiert werden", berichtete Bundeskanzler Karl Nehammer im Pressefoyer nach dem Ministerrat, das er gemeinsam mit Energieministerin Leonore Gewessler und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger abhielt.
Ebenso wichtig sei die finanzielle Vorsorge, hielt der Bundeskanzler fest: Für die strategische Gasreserve der Republik seien daher 1,6 Milliarden Euro im Budget vorgesehen. Darüber hinaus sei für die Einlagerung und Einspeicherung von Gas durch die Energieversorgungsunternehmen ein zusätzlicher Budgetspielraum in Höhe von 5 Milliarden Euro geschaffen worden. Damit könne mit der Einspeicherung begonnen werden. "Ziel ist es, die Energieversorgungssicherheit für den Winter vorzubereiten: Keine Wohnung darf in Österreich kalt sein. Genauso wichtig ist es, dass der Industriestandort Österreich durch diese Maßnahmen nachhaltig abgesichert ist. Gas wird nicht nur gebraucht, um die Haushalte zu heizen, sondern auch, um zu produzieren, Arbeitsplätze zu sichern und damit zu unserem Wohlstand beizutragen", so Karl Nehammer. Wichtig sei, sich unabhängig von russischen Gaslieferungen zu machen.
Darüber hinaus sei es das gemeinsame Ziel der Bundesregierung, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. "Die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern ist ein Gebot der Stunde. Diese muss allerdings mit Vernunft und Augenmaß durchgeführt werden", so der Kanzler.
Kampf gegen Teuerung zentral – Antiteuerungsmaßnahmenpakete
Das zweite wichtige Thema im Ministerrat sei die Inflation und die damit einhergehende Teuerung gewesen. Neben den gestiegenen Energiepreisen durch den Ukraine-Konflikt käme es durch die anhaltende Covid-19-Pandemie immer wieder zu Lieferkettenengpässen und damit zu Produktionsausfällen, was die Teuerung forciere. So führe infolge der Globalisierung etwa ein Lockdown in Shanghai zu Produktionsausfällen in der österreichischen Industrie.
"Für die Menschen stellt sich die Teuerung so dar, dass sie im Lebensalltag spürbar ist. Die Bundesregierung hat daher schon im Jänner begonnen, das erste Entlastungspaket für Menschen mit niedrigen Einkommen zu schüren", so der Kanzler. Weil man gesehen habe, dass die hohen Energiekosten nicht nachlassen, sei das nächste Antiteuerungspaket geschnürt worden, das nun im Parlament beschlossen werde. Dies betreffe die Erhöhung der Pendlerpauschale und des Pendlereuros, aber auch die Energieabgaben, die bis zu 90 Prozent gesenkt werden.
"Darüber hinaus läuft das Projekt ökosoziale Steuerreform weiter. Im Juni wird die nächste Tarifstufe gesenkt. Das ist eine Entlastung von 35 auf 30 Prozent. Das Maßnahmenpaket soll eine Erleichterung für die Menschen in dieser schweren Zeit sein", erinnerte der Bundeskanzler an bereits beschlossene Maßnahmen.
Zudem arbeite der Finanzminister gemeinsam mit den Sozialpartnern an Maßnahmen, damit die Inflationsspirale nicht noch weiter hinaufgetrieben werde. Als Beispiele nannte Karl Nehammer die Abschaffung der kalten Progression oder die Senkung der Lohn-Nebenkosten. Zentral seien in diesem Zusammenhang auch die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank. "Das ist ein sehr komplexes Unterfangen, aber es ist notwendig für die Menschen, ihre Lebensqualität und den sozialen Wohlfahrtsstaat in Österreich", so Karl Nehammer.
Gewessler: Erdgasspeicher müssen in nächster Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sein
Energieministerin Leonore Gewessler sagte in ihrem Statement, der russische Angriffskrieg mache auf schmerzliche Weise deutlich, dass Österreich in viel zu großem Ausmaß von russischen Energieimporten abhängig sei. "Rund 80 Prozent unseres Erdgases kommen aus Russland. Das setzt uns unter Druck." Die bittere Realität sei, dass man diese Abhängigkeit nicht von heute auf morgen beenden könne.
"Die Versorgung unseres Landes mit Erdgas hängt an Russland. In den vergangenen Tagen wurde kontinuierlich Gas geliefert und auch eingespeichert. Aktuell fliest Gas ohne Unterbrechung nach Österreich. Die Füllstände der österreichischen Speicher sind deutlich gestiegen", so Gewessler. Das sei ein Polster, aber natürlich keine echte Sicherheit. Die Bundesregierung habe daher Pläne für den Notfall ausgearbeitet, falls Russland die Gaslieferung nach Österreich einschränke oder unterbreche. Die Konsequenzen davon wären weitreichend, von Produktionsrückgängen über wirtschaftliche Schäden bis hin zu Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit.
"Das sind Auswirkungen, die niemand in unserem Land will. Daher tun wir alles, um eine solche Situation zu verhindern. Die Bundesregierung hat heute im Ministerrat beschlossen, dass die österreichischen Erdgasspeicher bis zum Beginn der nächsten Heizsaison mindestens zu 80 Prozent gefüllt sein müssen", informierte die Energieministerin. Ein erster Schritt dorthin sei mit der strategischen Gasreserve bereits getan. Damit könne der Bund über den österreichischen Teilgebietsmanager selbst Gas einkaufen und einspeichern.
Zudem arbeite man an weiteren Optionen, mit denen die Speicherstände rasch erhöht werden können. Man prüfe derzeit etwa die Ausweitung des Versorgungsstandards oder die Beschaffung von strategischen Gasspeicheroptionen. Volle Speicher seien ein Puffer für den nächsten Winter, dennoch müsse man die Abhängigkeit von Russland beenden, um eine unabhängige Energieversorgung sicherzustellen. Das werde ein "nationaler Kraftakt", so Leonore Gewessler, die betonte: "Wenn wir konsequent daran arbeiten, dann kann das auch im europäischen Gleichklang gelingen." Dafür sei es zentral, den Gasverbrauch zu reduzieren, selbst Gas zu produzieren und neue Lieferländer zu finden. Österreich werde sich auch am gemeinsamen Gaseinkauf der EU beteiligen. Die Energieministerin bedankte sich abschließend bei Bundeskanzler Karl Nehammer für die "gute Zusammenarbeit".
Köstinger: Lebensmittelversorgung sicherstellen – Produktion in der EU intensivieren
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger führte aus: "Neben der Versorgungssicherheit im Energiesektor ist auch die Lebensmittelversorgung in diesen sehr herausfordernden Zeiten von zentraler Bedeutung." Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bedeute auch für den Agrarsektor "große Herausforderungen", denn "die Ukraine ist die Kornkammer Europas". In Österreich bestehe eine "sehr gute Versorgungslage" durch Eigenproduktion im Bereich der Grundnahrungsmittel. "Aber wir sind auch stark von den Verwerfungen auf den Agrarmärkten betroffen", so Köstinger. Die Landwirtschaftsministerin verwies auch auf die Bedeutung der Weizen- und Maisproduktion in der Ukraine für das World Food Programme und die kriegsbedingt drohenden Ausfälle, die gerade für Teile Afrikas eine Bedrohung darstellen. Es sei daher wichtig, für eine Kompensation der Ausfälle in der landwirtschaftlichen Produktion zu sorgen.
"Das bedeutet für uns, dass wir die landwirtschaftliche Produktion in Europa intensivieren müssen", so Köstinger weiter und verwies darauf, dass in der EU "Brachflächen im heurigen Jahr in die Produktion kommen sollen". Gerade für die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich sei zudem Planungssicherheit wichtig, um ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit im Land leisten zu können. "Die Teuerung betrifft auch die Agrarproduktion im Bereich der Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie der Energiekosten", hob die Ministerin hervor. Seitens der Bundesregierung werde dieser Bereich daher auch in den Paketen gegen die Teuerung berücksichtigt.
Gemeinsamen Agrarpolitik der EU – Planungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe im Fokus
Die Landwirtschaftsministerin informierte abschließend, dass in der heutigen Sitzung des Ministerrats die nationale Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) beschlossen worden sei: "Österreich ist damit eines der ersten Länder in der Europäischen Union, das die EU-Vorgaben in nationale Gesetzgebung bringt."
Damit werde Planungssicherheit geschaffen und vor allem die Direktzahlungen abgesichert. "Wir setzen einen ganz besonderen Schwerpunkt auf Betriebe in Gebirgsregionen, in benachteiligten Gebieten", erläuterte Köstinger. Ein weiterer Fokus liege auf biologischer Produktion und klimarelevanten Maßnahmen. "Unser Agrar- und Umweltprogramm ÖPUL ist die Schlagader der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich", daher solle es noch weiter aufgewertet werden, so die Ministerin.
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