Häusliche Gewalt/Gewalt in der Privatsphäre

Als "Häusliche Gewalt" werden Gewalttaten bezeichnet, die zwischen Personen geschehen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben oder eine enge (familiäre) Beziehung haben oder hatten. Sie umfasst vor allem Gewalt zwischen Eltern und Kindern sowie Partnern und Ex-Partnern.

Rechtlicher Rahmen im Überblick

Mit dem ersten Gewaltschutzgesetz, das am 1. Mai 1997 in Kraft trat, wurden 3 Säulen eingeführt, um Opfer häuslicher Gewalt rasch und effizient zu schützen:

  • Betretungsverbot: Die Polizei ist ermächtigt, einen Gefährder oder eine Gefährderin für maximal 2 Wochen aus der Wohnung, in der die gefährdete Person lebt, wegzuweisen und mit einem Betretungsverbot zu belegen. (Damit ist der Grundsatz "Wer schlägt, der geht!" rechtlich umgesetzt).
  • Einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt: Wenn längerer Schutz vor dem Gefährder oder der Gefährderin notwendig ist, hat die gefährdete Person die Möglichkeit, einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung bei Gericht zu stellen.
  • Gewaltschutzzentren: Zur umfassenden Unterstützung gefährdeter Personen wurde in jedem Bundesland ein Gewaltschutzzentrum eingerichtet.

Seither erfolgten zahlreiche gesetzliche Verbesserungen.

Mit 1. Jänner 2020 wurde das Betretungsverbot um ein weiteres Schutzinstrument ergänzt:

  • Annäherungsverbot: Neben dem Betretungsverbot wird der gefährdenden Person auch verboten, sich dem Opfer auf weniger als 100 Meter zu nähern. Dieses "Annäherungsverbot" schützt das Opfer also überall zusätzlich dort, wo es sich gerade aufhält.

Mit September 2021 wurde eine vierte Säule des Gewaltschutzes eingeführt:

Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt durch die Polizei

Die Polizei ist gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ermächtigt, der gefährdenden Person das Betreten einer Wohnung (eines Hauses) samt einem Bereich im Umkreis von 100 Metern zu untersagen.

Voraussetzung für die Verhängung ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (wie zum Beispiel eine vorangegangene Gewalthandlung) anzunehmen ist, dass ein gefährlicher Angriff (auf Leben, Gesundheit oder Freiheit) auf die Person droht, die in jener Wohnung wohnt.

Geschützt sind alle Personen, die in der Wohnung (dem Haus) wohnen, unabhängig von Verwandtschafts- und Besitzverhältnissen (Ehefrau, Lebensgefährtin, Kinder, Verwandte, aber auch Untermieterin, Mitbewohnerin und ähnliche).

Jede Person, von der Gefahr ausgeht, kann mit einem Betretungs- und Annäherungsverbot belegt werden – Personen, denen die Wohnung gehört ebenso wie ein Ex-Freund, der in der Wohnung "auftaucht".

Die Polizei nimmt der gefährdenden Person in solchen Fällen gegebenenfalls sofort die Wohnungsschlüssel ab und sie wird aufgefordert, eine Adresse, an die gerichtliche Schriftstücke übermittelt werden können, bekannt zu geben.

Das Betretungs- und Annäherungsverbot wird für 2 Wochen ausgesprochen und dessen Einhaltung innerhalb der ersten 3 Tage von der Polizei überprüft. Wenn innerhalb dieser 2 Wochen bei Gericht eine Einstweilige Verfügung nach § 382b und/oder 382c EO beantragt wird, verlängert sich das polizeiliche Betretungs- und Annäherungsverbot auf längstens 4 Wochen.

Während des Betretungsverbotes darf die gefährdende Person die Wohnung (das Haus) und den festgelegten Schutzbereich nicht betreten, auch nicht mit Zustimmung der gefährdeten Person. Versucht die gefährdende Person dies dennoch, begeht sie eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von bis zu 2.500 Euro zu bestrafen. Bei fortgesetzter Missachtung besteht überdies ein Festnahmerecht. Bedroht der Gefährder oder die Gefährderin die gefährdete Person, oder verletzt diese sogar, hat dies auch strafrechtliche Konsequenzen.

Gewaltschutzzentren

Gewaltschutzzentren sind gesetzlich verankerte und staatlich finanzierte Einrichtungen, die darauf spezialisiert sind, Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking umfassend zu unterstützen.

Spricht die Polizei ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen eine gefährdende Person aus, wird auch gleichzeitig das zuständige Gewaltschutzzentrum verständigt, damit das Opfer von diesem aktiv kontaktiert und unterstützt werden kann.

Das Angebot reicht von der Erstellung eines Sicherheitsplans über Rechtsberatung (zum Beispiel bei der Beantragung einer Einstweiligen Verfügung) bis hin zur psychosozialen Unterstützung.

Auch bei Bekanntwerden von Stalking verständigt die Polizei das Gewaltschutzzentrum, damit der gefährdeten Person aktiv Unterstützung angeboten werden kann.

Betroffene Personen können ein Gewaltschutzzentrum auch direkt kontaktieren, also ohne vorangehende polizeiliche Intervention.

Längerfristiger Schutz durch eine Einstweilige Verfügung des Gerichts

Wenn längerer Schutz vor der gefährdenden Person notwendig ist, hat die gefährdete Person die Möglichkeit, einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung bei Gericht zu stellen. Die relevanten Regelungen dazu finden sich in der Exekutionsordnung (EO):

  • Einstweilige Verfügung "Schutz vor Gewalt in Wohnungen" (§ 382b)
  • Einstweilige Verfügung "Allgemeiner Schutz vor Gewalt" (§ 382c)
  • Einstweilige Verfügung "Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre" (Stalking-EV) § 382d

Anträge auf diese Einstweiligen Verfügungen können – auch ohne Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt – selbst beim Bezirksgericht des Wohnortes eingebracht werden, die gefährdete Person kann sich dabei (hinsichtlich § 382b und § 382c) auch von einem Gewaltschutzzentrum vertreten lassen.

Auch bei selbständiger Beantragung ist rechtliche Beratung wichtig, um alle relevanten Unterlagen für die Entscheidung des Gerichts mitzubringen. Zum Beispiel können ärztliche Befunde oder Fotos von Verletzungen vorgelegt oder auch Zeuginnen und Zeugen genannt werden.

Rechtliche Beratung bieten die Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser und andere Schutzunterkünfte oder Frauenberatungsstellen.

Frauenspezifische Gewaltschutzeinrichtungen

Einstweilige Verfügung "Schutz vor Gewalt in Wohnungen"

Wenn das weitere Zusammenleben mit der gefährdenden Person für die gefährdete Person unzumutbar ist, weil sie dadurch körperlich angegriffen (beziehungsweise damit bedroht) oder psychisch erheblich belastet ist, kann die gefährdete Person eine Einstweilige Verfügung nach § 382b EO zum "Schutz vor Gewalt in Wohnungen" beantragen. Vorausgesetzt wird aber, dass die Wohnung von der gefährdeten Person auch dringend benötigt wird.

Das Gericht kann in diesem Fall der gefährdenden Person

  • auftragen, die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verlassen und
  • verbieten, in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zurückzukehren.

Diese Einstweilige Verfügung kann für maximal 6 Monate erlassen werden. Wenn währenddessen unter anderem ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht wird, kann die Einstweilige Verfügung bis zu dessen Beendigung beantragt werden.

Einstweilige Verfügung "Allgemeiner Schutz vor Gewalt"

Wenn für die gefährdete Person das Zusammentreffen mit der gefährdenden Person unzumutbar ist, weil sie sie körperlich angegriffen (beziehungsweise damit bedroht) hat oder ihre psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigt, kann die gefährdete Person eine Einstweilige Verfügung nach §382c EO zum "Allgemeinen Schutz vor Gewalt" beantragen. Vorausgesetzt wird, dass diesem Antrag nicht schwerwiegende Interessen der gefährdenden Person entgegenstehen. Keine Voraussetzung ist aber, dass die gefährdete Person mit der gefährdenden Person je zusammengelebt hat.

Das Gericht kann in diesem Fall der gefährdenden Person

  • verbieten, sich an genau zu bezeichnenden Orten aufzuhalten (zum Beispiel Arbeitsort der gefährdeten Person, Schule oder Kindergarten der Kinder),
  • auftragen, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Person zu vermeiden und
  • verbieten, sich der gefährdeten Person oder konkret zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern.

Diese Einstweilige Verfügung kann für maximal 1 Jahr erlassen werden, sowie bei Zuwiderhandeln durch die gefährdende Person für maximal ein weiteres Jahr verlängert werden. Das Gericht kann zusätzlich die Dauer der Einstweiligen Verfügung mit dem rechtskräftigen Abschluss eines anhängigen oder eines binnen der angeordneten Dauer einzuleitenden Verfahrens festsetzen.

Die Einstweilige Verfügung "Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre" (Stalking-EV)

Zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre kann eine gefährdete Person eine Einstweilige Verfügung nach § 382d EO beantragen. Das Gericht kann unter anderem ein Verbot der Kontaktaufnahme oder ein Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten, anordnen.

Missachtung einer Einstweiligen Verfügung

Missachtet die gefährdende Person eine Einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen, so begeht sie eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.500 Euro zu bestrafen. Gleiches gilt, wenn sich die gefährdende Person nicht an die Anordnung hält, bestimmte Orte oder das Zusammentreffen mit der gefährdeten Person zu meiden und/oder eine persönliche Kontaktaufnahme oder Verfolgung zu unterlassen.

Bei fortgesetzter Missachtung besteht überdies ein Festnahmerecht.

Straftatbestand "Fortgesetzte Gewaltausübung"

Mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz wurde 2009 der Straftatbestand "Fortgesetzte Gewaltausübung" (§ 107b Strafgesetzbuch) eingeführt. Dieser ermöglicht es, Gewalthandlungen (wie Misshandlungen, körperliche Gewalt, gefährliche Drohungen etc.), die über einen längeren Zeitraum – wie dies bei häuslicher Gewalt typischerweise der Fall ist – erfolgen, in ihrer Gesamtheit zu betrachten und entsprechend strenger zu bestrafen.

Die Grundstrafdrohung beträgt bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen kann sich erhöhen, zum Beispiel bei fortgesetzter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche oder gegen gebrechliche Menschen sowie gegen Menschen mit Behinderung. Zusätzlich wird das Zufügen sexueller Gewalt, eine besonders lange Dauer der Gewalt oder besonders schwere Folgen der Gewalt erheblich strenger bestraft.

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