Europäisches Semester

Seit 2011 ist das Europäische Semester ein zentrales Element der haushaltspolitischen Überwachung.

Das Europäische Semester setzt an mehreren Handlungsebenen und -strängen an, um die wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen, welche die gesamte Europäische Union betreffen, gemeinsam zu bewältigen. Es dient somit der wirtschaftspolitischen Abstimmung unter den Mitgliedstaaten. Rechtlich wurde das Europäische Semester in der Verordnung 1175/2011 verankert.

Einbettung der Aufbau- und Resilienzfazilität

Mit der Aufbau- und Resilienzfazilität wurde ein weiteres Element in den Semesterprozess eingefügt.

Die Fazilität ist am 19. Februar 2021 in Kraft getreten und ist das Kernstück von NextGenerationEU, dem befristeten Wiederaufbauinstrument der EU, um gestärkt aus der Coronavirus-Krise hervorzugehen.

In Summe stehen den Mitgliedsstaaten durch dieses Instrument im Zeitraum von 2021 bis 2026 672,5 Milliarden Euro (Zahlen inflationsbereinigt zu Preisen 2018) in Form von nicht-rückzahlbaren Zuschüssen (312,5 Milliarden Euro) und Darlehen (360 Milliarden Euro) zur Verfügung.

Um die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren, wurde 2023 ein neues Kapitel in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen eingefügt: REPowerEU. Reformen und Investitionen sollen sich an den jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen (CSR) 2022 zu Energie orientieren. Dafür stehen zusätzlich Zuschüsse in der Höhe von 20 Milliarden Euro zur Verfügung. 

Im Rahmen des Europäischen Semesters wird die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität in den Mitgliedsstaaten überwacht, um die vereinbarten Ziele zu erreichen, notwendige Strukturreformen voranzutreiben, die Widerstandsfähigkeit der EU-Volkswirtschaften zu erhöhen und in den ökologischen und digitalen Wandel zu investieren.

Im Hinblick auf die großen Summen, die hier von den Mitgliedstaaten abgerufen werden können, wurden seitens der Europäischen Kommission enge Förderkriterien und Kontrollmechanismen definiert, um die zweckmäßige und sparsame Verwendung der Finanzmittel sicherzustellen. Nach eingehender Prüfung der Dokumente durch die Europäische Kommission werden die nationalen Pläne in verbindliche Rechtsakte übergeführt, die vom Rat (ECOFIN) mit qualifizierter Mehrheit gebilligt werden müssen.

Zweimal jährlich müssen die Mitgliedstaaten über die Fortschritte der Maßnahmen und Erreichung der Meilensteine berichten. Die Auszahlungen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität sind leistungsgebunden und werden nur dann von der Europäischen Kommission bewilligt, wenn die Etappenziele und Meilensteine vereinbarungsgemäß erreicht wurden.

Umsetzung des Europäischen Semesters

Das Europäische Semester startet jährlich im Spätherbst mit der Veröffentlichung des "Herbstpakets" durch die Europäische Kommission.

Dieses besteht aus der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum mit den Prioritäten Ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Fairness und Makroökonomische Stabilität. Weitere Elemente des Herbstpaketes sind der Frühwarnbericht, der Entwurf des beschäftigungspolitischen Berichts, der Entwurf für Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets und Stellungnahmen zu den Entwürfen der Haushaltspläne der Euro-Mitgliedstaaten.

Die Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum benennt die wichtigsten finanz-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen für die EU und ihre Mitgliedstaaten und gibt eine allgemeine wirtschaftspolitische Orientierung für das kommende Jahr vor. Der Frühwarnbericht zielt darauf ab, makroökonomische Risiken frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig Korrekturmaßnahmen ergreifen zu können. Die Empfehlungen für die Eurozone konzentrieren sich auf die für das Funktionieren des Euro-Währungsraums kritischen Punkte und enthält konkrete Maßnahmen. Der Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts analysiert die Beschäftigungssituation und die soziale Lage in Europa. In den Stellungnahmen zu den Entwürfen der Haushaltspläne der Euro-Mitgliedstaaten bewertet die Europäische Kommission, ob die Haushaltspläne für das kommende Jahr den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entsprechen.

Von Dezember bis März behandeln die Ministerinnen und Minister in den Fachministerräten die Berichte des Herbstpakets und verabschieden Schlussfolgerungen dazu und billigen die wirtschaftspolitischen Empfehlungen an die Eurozone. Im März befassen sich die Staats- und Regierungsspitzen abschließend mit dem Herbstpaket und geben die allgemeine Orientierung für die Europäische Union und das Euro-Währungsgebiet vor.

Die Europäische Kommission veröffentlicht in der Regel im Mai für jeden Mitgliedstaat aktualisierte Länderberichte, Vorschläge für länderspezifische Empfehlungen, Stellungnahmen zum Fortschrittsbericht und gegebenenfalls eingehende Überprüfungen im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht. Diese Empfehlungen werden vom Rat behandelt, vom Europäischen Rat im Juni gebilligt und im Juli formal im Rat beschlossen.

Spätestens am 15. Oktober müssen die Euro-Mitgliedstaaten ihre Haushaltsentwürfe für das darauffolgende Jahr und den halbjährlichen Bericht zum nationalen Aufbau- und Resilienzplan vorlegen. Die Europäische Kommission beurteilt die Entwürfe danach, ob sie den Vorgaben der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung entsprechen und ob die jeweiligen Meilensteine und Etappenziele erreicht wurden. Sie erstellt eine Stellungnahme dazu, welche im Rahmen des Herbstpakts im November veröffentlicht wird.

Neuer wirtschaftspolitischer Rahmen: die Economic Governance Reform (EGR)

Die Reform der EU-Fiskalregeln soll sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten der EU die Referenzwerte gemäß Artikel 126 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) einhalten, eine umsichtige, ausgewogene und nachhaltige Haushaltspolitik verfolgen und ihre Fiskalpolitik koordinieren.

Der reformierte wirtschaftspolitische Rahmen soll die Schuldentragfähigkeit verbessern und durch Investitionen und Reformen nachhaltiges und inklusives Wachstum fördern.

Die neuen Regeln der Economic Governance Reform traten mit 30. April 2024 in Kraft. Sie umfassen mittelfristige fiskalische Strukturpläne mit einer Laufzeit von 4 oder 5 Jahren beziehungsweise 7 Jahre, wenn sich der Mitgliedsstaat zu gewissen zusätzlichen Reformen und Investitionen verpflichtet, die unter anderem das Wachstumspotenzial verbessern und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen fördern. 

Der jährliche Fortschrittsbericht, der bis zum 30. April an die Europäische Kommission zu übermitteln ist, ersetzt in Zukunft das Nationale Reformprogramm und das Stabilitäts- und Konvergenzprogramm.

Die Semester-Dokumente: Nationaler Aufbau- und Resilienzplan, mittelfristige fiskalische Strukturpläne, jährlicher Fortschrittsbericht und Haushaltsplanentwurf

Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan 2020-2026 sieht Investitionen im Umfang von 4,5 Milliarden Euro vor und setzt Reformschwerpunkte unter anderem in den Bereichen der Ökologisierung und der Digitalisierung. Die Investitionen und Reformen können 4 Politikbereichen (= Komponenten) zugeordnet werden: Grüner Aufbau, Digitaler Aufbau, Wissensbasierter Aufbau, Gerechter Aufbau. Begleitet werden die Investitionen von Reformen in den genannten Politikbereichen, aber auch von Reformen, die übergeordneten Zielen Rechnung tragen. Halbjährlich wird an die Kommission über den Stand der Umsetzung berichtet.

Die mittelfristigen fiskalischen Strukturpläne und der jährliche Fortschrittsbericht bündeln alle Haushalts-, Reform- und Investitionsverpflichtungen und berücksichtigen dabei auch die Länderspezifischen Empfehlungen.

Die Haushaltsplanentwürfe der Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebiets werden einmal jährlich Mitte Oktober an die Europäische Kommission übermittelt, die diese dann auf Einhaltung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts überprüft.

Europäisches Semester 2024

Neue EU-Fiskalregeln

Europäisches Semester 2023

Europäisches Semester 2022 

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