Europäischer Rat: Bundeskanzler Sebastian Kurz begrüßt Einigung auf neues Klimaziel für 2030

Wichtige Entscheidungen beim letzten Europäischen Rat des Jahres 2020 in Brüssel: Die Staats- und Regierungsspitzen einigten sich am 10. und 11. Dezember 2020 auf ein neues ambitioniertes Klimaziel. Auch der Mehrjährige Finanzrahmen und der Corona-Wiederaufbauplan erhielten grünes Licht.

Neben den zentralen Themen EU-Budget und Klimawandel standen auch die Bekämpfung des Terrorismus, Außenbeziehungen – vor allem mit Blick auf die Türkei und die USA, die andauernde Coronavirus-Pandemie und die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf der Agenda des Europäischen Rates beziehungsweise des Euro-Gipfels.

Neues Klimaziel von minus 55 Prozent bis 2030

Es ist ein ambitioniertes, aber notwendiges Ziel, um mehr Klimaschutz zu verankern: Um mindestens 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Wert von 1990 sinken. Darauf haben sich die 27 EU-Staaten geeinigt. Bisher hatte ein Ziel von 40 Prozent gegolten.

"Ich bin froh, dass es uns nun 5 Jahre nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens gelungen ist, eine Einigung auf ein neues Klimaziel für 2030 zu erreichen", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz im Rahmen des Treffens der EU-Staats- und Regierungsspitzen in Brüssel. Parallel dazu seien Maßnahmen zu setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten: "Es muss verhindert werden, dass europäische Unternehmen in Zukunft abwandern und anderswo unter schlechteren Standards produzieren und somit Arbeitsplätze in Europa vernichtet werden. Dazu bekennt sich der Europäische Rat in aller Klarheit." Die Verhängung von CO2-Zöllen sei eine mögliche Maßnahme. "Eine Reduktion der CO2-Emissionen darf nicht mit einem Ausbau von Atomstrom Hand in Hand gehen. Das wäre nicht förderlich für die Sicherheit in Europa. Wir sind der Meinung, dass wir verstärkt auf erneuerbare Energien setzen müssen und dass Atomkraft keine nachhaltige Form der Energiegewinnung ist", sagte Österreichs Regierungschef.

Um einige EU-Staaten in Osteuropa, die bis dato stark auf Kohle angewiesen sind und bei der Energiewende einen weiteren Weg zurückzulegen haben, zu unterstützen, sind

  • ein Modernisierungsfonds, der aus Einnahmen aus dem Emissionshandel besteht,
  • ein Fonds für den gerechten Wandel,
  • und auch der 750 Milliarden schwere Corona-Wiederaufbauplan, der zu mindestens 30 Prozent zur Umsetzung der Klimaziele genutzt werden soll,

vorgesehen.

Einigung auf den Mehrjährigen Finanzrahmen und den Corona-Wiederaufbauplan

Nach einer Blockade von Seiten Polens und Ungarns haben sich die EU-Staaten sich auf das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket geeinigt. Alle 27 Mitgliedstaaten stimmten für den Kompromissvorschlag, der vom deutschen EU-Ratsvorsitz ausgearbeitet worden war. "Jetzt können wir mit der Implementierung beginnen und unsere Volkswirtschaften wieder aufbauen", zeigte sich EU-Ratspräsident Charles Michel erfreut. Europas "richtungsweisendes Konjunkturpaket" werde den "grünen" und digitalen Wandel vorantreiben. Es sei "ein starkes Signal an den Rest der Welt, aber auch an unsere Bürgerinnen und Bürger", so Michel. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte sich bereits vor dem EU-Gipfel beim deutschen Ratsvorsitz für den "Kompromissvorschlag beziehungsweise dessen intensive Bemühungen in dieser schwierigen Phase" bedankt.

Im neuen Mehrjährigen Finanzrahmen der Jahre 2021 bis 2027 ist erstmals ein Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und ein Mechanismus zum Schutz des Haushalts verankert. Im Fall von Verstößen kann die Europäische Kommission konkrete Vorschläge für Maßnahmen vorlegen, die der Rat mit qualifizierter Mehrheit bestätigen soll. Polen und Ungarn wollten diesen Regeln zuvor nicht zustimmen. Der erzielte Kompromiss sieht vor, dass das neue Verfahren zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit durch eine Zusatzerklärung ergänzt wird, mit dem bestimmte Rechtsstaatsverstöße durch Kürzung von EU-Mitteln geahndet werden können. Darin sind Möglichkeiten festgelegt, wie Ungarn und Polen, aber auch jedes andere Mitgliedsland sich gegen die Anwendung der Regelung wehren könnten. Dazu gehört etwa eine Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof.

Vorschläge zum Kampf gegen den Terrorismus

"Die EU-Kommission hat viele unserer Vorschläge aufgegriffen, etwa eine verstärkte Sicherheitskooperation durch Polizei und Nachrichtendienste", zeigte sich Bundeskanzler Kurz erfreut. Die Debatte über die Bekämpfung des Terrorismus ist nach den jüngsten Attentaten in Österreich und Frankreich von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Österreichs Regierungschef angeregt worden. Zudem solle im Kampf gegen Radikalisierung, ähnlich wie in Österreich durch die Dokumentationsstelle Politischer Islam, ein EU-Knowledge-Hub geschaffen werden. Vom Digital Service Act erwarte man sich, dass auf dieser Basis gegen Hass und Radikalisierungsbotschaften im Netz besser vorgegangen werden könne. Ebenso spiele der Außengrenzschutz eine große Rolle: "Wenn wir entscheiden, wer zuwandert, können wir die Einwanderung radikaler Gruppen von außen verhindern", betonte Bundeskanzler Kurz.

Laut den Staats- und Regierungsspitzen sei es wichtig, im Kampf gegen den Terrorismus voranzukommen, weshalb der Fokus auf Vorratsdatenspeicherung, also die Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten, gelegt wird, stets unter Berücksichtigung der Grundrechte. Sie verurteilten die jüngsten Anschläge und begrüßten die Einigung auf eine Löschfrist von Terrorpropaganda im Netz von einer Stunde. Auch Angriffe auf die Meinungs- und Religionsfreiheit sowie Antisemitismus, Rassismus und Xenophobie werden verurteilt. Aufrufe zum Hass, zur Gewalt und zur Intoleranz müssten bekämpft werden. Die Religionsausbildung in Europa müsse im Einklang mit den europäischen Grundrechten und -werten stehen. Man müsse die Einflussnahme durch intransparente Finanzierung auf Religions- und Zivilorganisationen aus dem Ausland bekämpfen. Auch der wissenschaftliche Austausch soll intensiviert werden, um extremistische Ideologien besser zu verstehen. Zudem sollten alle EU-Staaten die relevanten EU-Datenbanken und Informationssysteme nutzen.

Mehr Kooperation im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie

EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs
Foto: BKA/Mario Salerno

Noch vor Beginn der Unterredungen bedankte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für den professionellen Beschaffungsprozess, um einen Coronavirus-Impfstoff für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union anzukaufen: "Für die entsprechende Zulassung müssen alle wissenschaftlichen Kriterien erfüllt sein", verlieh Sebastian Kurz seiner Hoffnung Ausdruck, dass dies rasch und unbürokratisch erfolgen werde.

Die EU-Staats- und Regierungsspitzen begrüßten die bisherige Koordinierung auf EU-Ebene und betonten, dass sie die Bemühungen noch weiter verstärken wollten. Insbesondere bei den möglichen Lockerungen der bisherigen Reisebeschränkungen soll stärker zusammengearbeitet werden. Auch der Austausch über Corona soll intensiviert werden: Die Mitglieder des EU-Rats erwarten von der EU-Kommission Empfehlungen zu Verwendung und gegenseitiger Anerkennung von Antigen-Schnelltests. Auch ein gemeinsamer Ansatz für Impfpässe soll entwickelt werden. Es sei wichtig, faktenbasierte Informationen über die Impfungen bereitzustellen und Desinformation zu bekämpfen.

Außenbeziehungen der EU: Sanktionen gegen die Türkei und eine starke transatlantische Partnerschaft

Der Europäische Rat hat sich darauf geeinigt, dass die Türkei trotz anhaltender Provokationen vorerst vor harten EU-Sanktionen verschont bleiben soll. Aufgrund der Erdgasbohrtätigkeiten der Türkei vor Zypern werden allerdings zusätzliche Listungen vorgenommen, womit Strafmaßnahmen gegen beteiligte Einzelpersonen und Unternehmen gemeint sind. Sie umfassen EU-Einreiseverbote, Vermögenssperren und das Verbot, mit den Betroffenen Geschäfte zu machen. Sanktionen gegen ganze Wirtschaftszweige oder ein EU-Waffenembargo wird es vorerst nicht geben.

Was die Türkei betreffe, habe sich damit die österreichische Position auf EU-Ebene durchgesetzt, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz: "Es wird daher zusätzliche Sanktionen gegen die Türkei geben sowie auch den Ausblick auf eine Verschärfung des Regimes im März 2021, sollte keine Änderung des Verhaltens eintreten." Der Bundeskanzler unterstützte auch die Idee eines europäischen Waffenembargos gegen die Türkei. "Völkerrechtsverletzungen dürften nicht einfach so hingenommen werden." Bis März 2021 sollen die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst weitere Handlungsoptionen und einen Bericht über die Situation im östlichen Mittelmeer sowie die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Türkei vorlegen. Zudem soll in der Türkei-Politik eine enge Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) erfolgen.

Als Republik Österreich stehe man stets für eine starke transatlantische Partnerschaft: "Ich hoffe, dass es mit der neuen Administration der USA gelingt, wieder verstärkt in einigen Fragen zusammenzuarbeiten, wie zum Beispiel im Kampf gegen den Klimawandel", hielt Sebastian Kurz dazu fest.

Euro-Gipfel: Bericht über Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)

Der Präsident der Euro-Gruppe, Pascal Donohoe, erstattete am 11. Dezember 2020 über den Stand der Fortschritte bei der Bankenunion Bericht. Die 27 Mitgliedstaaten begrüßten die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und die baldige Einführung des Backstops in den Single Resolution Fund, die bereits im Jahr 2022 statt 2024 starten soll. Sie baten die Euro-Gruppe einen schrittweisen und zeitgebundenen Arbeitsplan für alle ausstehenden Elemente zu erstellen, die zur Vollendung der Bankenunion erforderlich sind. Zusätzlich forderten sie von der EU-Kommission rasche Fortschritte hinsichtlich eines erneuerten Aktionsplan für die Kapitalmarktunion. Fortschritte werden im Juni 2021 überprüft. Die EU-Finanzministerinnen und -minister hatten sich nach jahrelangem Vorlauf Ende November auf die ESM-Reform geeinigt. Sie soll eine gemeinsame Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) in Form einer Kreditlinie des ESM einrichten.

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