Sommerprognose 2023: Geringere Wachstumsdynamik bei sinkender Inflation und stabilem Arbeitsmarkt in der EU
Kommission korrigiert Prognose für die EU-Wirtschaft, aufgrund anhaltender globaler Herausforderungen, nach unten – Inflation in der EU in der ersten Jahreshälfte 2023 weiter rückläufig – Arbeitslosenquote in der EU auf Rekordtief
Die Wirtschaft der EU wächst weiter, wenn auch mit einer geringeren Dynamik als erwartet. Das geht aus der Sommerprognose für die EU-Wirtschaft der Europäischen Kommission, welche am 11. September 2023 veröffentlich worden ist, hervor. Demnach haben sich die Wirtschaftstätigkeiten in der EU im ersten Halbjahr 2023 aufgrund von enormen Schocks, die die EU erlitten hat, verhalten entwickelt. So stellen die weiterhin steigenden Verbraucherinnen- beziehungsweise Verbraucherpreise eine stärkere Belastung für die meisten Waren und Dienstleistungen dar, als in der Frühjahrsprognose 2023 erwartet, wenngleich die Energiepreise weiter sinken und die Arbeitslosenquote in der EU mit 5,9 Prozent auf ein Rekordtief gesunken ist.
Kommission senkt Wachstumserwartungen für EU-Wirtschaft
In der Sommerprognose 2023 wird das Wirtschaftswachstum in der EU für 2023 auf 0,8 Prozent, im Vergleich zu 1 Prozent in der Frühjahrsprognose 2023, nach unten korrigiert, und mit einem Wachstum für 2024 von 1,4 Prozent gerechnet. In ihrer Frühjahrsprognose 2023 hatte die Kommission noch ein Wachstum für 2024 von 1,7 Prozent prognostiziert. Des Weiteren wird die Wachstumsprognose der Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet für 2023 von bislang 1,1 Prozent auf 0,8 Prozent und für 2024 von bislang 1,6 Prozent auf 1,3 Prozent gesenkt. Auch die Inflation dürfte sich nach Angaben der Kommission im Prognosezeitraum weiter abschwächen. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) in der EU wird den Projektionen zufolge 2023 nun bei 6,5 Prozent im Vergleich zu 6,7 Prozent im Frühjahr und 2024 bei 3,2 Prozent gegenüber 3,1 Prozent im Frühjahr liegen. Im Euro-Währungsgebiet wird sich nach Angaben der Kommission die Inflation 2023 auf 5,6 Prozent und im Jahr 2024 auf 2,9 Prozent belaufen.
Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis: "Aufbau- und Resilienzfazilität ist nach wie vor von zentraler Bedeutung, um die EU-Wirtschaft auf Kurs zu halten"
Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident und innerhalb der Europäischen Kommission für das Ressort "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen" zuständig, erklärte dazu: "Die EU-Wirtschaft hat mit der Pandemie und dem grundlosen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine 2 massive Schocks erlitten. Die sehr hohe Inflationsrate hatte negative Auswirkungen, geht aber nun zurück. Gestützt auf einen starken Arbeitsmarkt mit Arbeitslosenzahlen auf einem Rekordtief und angesichts des nachlassenden Preisdrucks dürfte sich das Wachstum nach einer Schwächephase im nächsten Jahr leicht erholen. Unsere Wirtschaft bleibt auf einem Wachstumspfad, doch ist die Unsicherheit nach wie vor groß, und wir müssen die Risiken genau überwachen. Die Umsetzung von Reformen und Investitionen im Rahmen unserer Aufbau- und Resilienzfazilität ist nach wie vor von zentraler Bedeutung, um die EU-Wirtschaft auf Kurs zu halten."
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni ergänzte: "Die EU hat im vergangenen Winter eine Rezession vermieden – angesichts des Ausmaßes der Schocks, mit denen wir konfrontiert waren, war dies keine geringe Leistung. Diese Resilienz, die sich am deutlichsten an der Stärke des Arbeitsmarkts ablesen lässt, zeugt von der Wirksamkeit unserer gemeinsamen politischen Reaktion. Der kräftige Gegenwind, mit dem unsere Volkswirtschaften in diesem Jahr konfrontiert sind, hat die Wachstumsdynamik deutlicher geschwächt als in den Prognosen angenommen. Die Inflation geht zurück, allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in der EU. Russlands brutaler Krieg gegen die Ukraine verursacht nach wie vor nicht nur menschliches Leid, sondern auch wirtschaftliche Störungen. Dennoch müssen wir Vertrauen in die Zukunft der europäischen Wirtschaft haben. Wir können viel unternehmen, um anhaltendes und nachhaltiges Wachstum zu fördern. Die wirksame Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne bleibt eine zentrale Priorität. Es sollte eine umsichtige, investitionsfreundliche Haushaltspolitik verfolgt werden, die im Einklang mit den laufenden Bemühungen unserer Zentralbanken steht, die Inflation in den Griff zu bekommen. Und schließlich müssen wir entschlossen daran arbeiten, bis Ende des Jahres eine Einigung über die Reform unserer Haushaltsregeln zu erreichen."
Schwächere Wachstumsdynamik in der EU bis 2024 prognostiziert
Nach Angaben der Kommission zeigt der Rückgang bei der Bereitstellung von Bankkrediten an die Wirtschaft, dass die geldpolitische Straffung in der Wirtschaft angekommen ist. Umfrageindikatoren deuten demnach auf eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit im Sommer 2023 und in den Folgemonaten hin, die auf die anhaltende Schwäche der Industrie und die – trotz der in vielen Teilen Europas erfolgreichen Tourismussaison – nachlassende Dynamik im Dienstleistungssektor zurückzuführen ist. Aus der Sommerprognose 2023 geht auch hervor, dass die Aussichten für das globale Wachstum und den globalen Handel im Vergleich zum Frühjahr 2023 weitgehend unverändert bleiben, was bedeutet, dass die EU-Wirtschaft nicht auf starke Unterstützung durch die Auslandsnachfrage zählen kann. Insgesamt dürfte die schwächere Wachstumsdynamik in der EU bis 2024 anhalten, und die Auswirkungen einer restriktiven Geldpolitik werden die Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich weiter dämpfen, so die Kommission, die für 2024 eine leichte Erholung des Wachstums projiziert, da davon ausgegangen wird, dass die Inflation weiter nachlässt, der Arbeitsmarkt robust bleibt und die Realeinkommen sich erholen.
Gesamtinflation der EU-Wirtschaft weiter rückläufig
Infolge sinkender Energiepreise und eines nachlassenden Inflationsdrucks bei Nahrungsmitteln sowie Industrieerzeugnissen, hat sich die Inflation in der EU in der ersten Jahreshälfte 2023 weiter rückläufig entwickelt. Demnach erreichte die Inflation im Euro-Währungsgebiet im Juli 2023 einen Wert von 5,3 Prozent – eine Halbierung im Vergleich zum verzeichneten Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober 2022. Auch die Energiepreise dürften nach Angaben der Kommission weiter sinken.
Prognose geprägt durch Risiken und Unsicherheit
Die Kommission betont, dass der anhaltende Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und die daraus resultierenden geopolitischen Spannungen, weiterhin Risiken und eine Quelle der Unsicherheit darstellen. Des Weiteren könnte eine Straffung der Geldpolitik die Konjunktur stärker belasten als bisher erwartet, aber auch den Rückgang der Inflation in der EU beschleunigen und auf diesem Weg für eine schnellere Wiederherstellung der Realeinkommen sorgen. Die Kommission hebt auch hervor, dass die Wirtschaftsaussichten für die EU, durch die wachsenden Klimakrisen – wie die extremen Wetterbedingungen, Waldbrände und Überschwemmungen im Sommer 2023 verdeutlichen – weiter eingetrübt werden.
Hintergrund: Sommerprognose für die europäische Wirtschaft 2023
Die Europäische Kommission veröffentlicht jährlich 2 umfassende Prognosen im Frühjahr und Herbst und 2 Zwischenprognosen im Winter und Sommer. Die Zwischenprognosen enthalten jährliche und vierteljährliche BIP- und Inflationszahlen für das laufende und das folgende Jahr für alle EU-Mitgliedstaaten sowie die gesammelten Zahlen für die EU insgesamt und für das Euro-Währungsgebiet. Dabei basiert die Zwischenprognose für den Sommer 2023 auf verschiedenen technischen Annahmen, wie Wechselkurse, Zinssätze oder Rohstoffpreise mit Stichtag 30. August 2023. Bei allen anderen Daten wurden Informationen bis einschließlich 7. September 2023 herangezogen.
Die Herbstprognose 2023 wird von der Europäische Kommission voraussichtlich im November 2023 veröffentlicht.