Nehammer/Edtstadler bei der Jahrestagung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte
Bundeskanzler Nehammer: "Gemeinde ist Keimzelle der Demokratie"
Bundeskanzler Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler nahmen am Dienstag an der Jahrestagung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte in der Österreichischen Nationalbibliothek teil.
"Die Nationalbibliothek ist ein Ort, an dem Wissen gesammelt wird, über die Welt und das, was uns bewegt. Österreich und Wien sind Orte, an denen europäische Geschichte geschrieben worden ist. Die Monarchie ist ein gutes Beispiel dafür, welche Herausforderungen ein Staat hat und auch dafür, woran dieser dann zerbrechen kann. Aus der Geschichte soll man lernen. Geschichte ist für uns der Wegweiser in die Zukunft, denn nur, wenn man die Geschichte kennt, kann man tatsächlich auch die Zukunft gestalten", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede.
Konrad Adenauer und Charles de Gaulle waren die Begründer und Vorväter der Europäischen Union. "Das Ziel war es, nach Jahrzehnten des Krieges, Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent zu schaffen. Sie waren fest entschlossen, ein Bündnis einzugehen, das sie miteinander verbindet und das die große Änderung der Geschichte sein könnte. Und das ist tatsächlich gelungen. Sie waren sich des Wagnisses bewusst, konnten für dieses Projekt jedoch andere begeistern", so der Bundeskanzler. Es habe konkrete Vorstellungen davon gegeben, "was diese Union in der Zukunft leisten soll". Beiden sei wichtig gewesen, dass sie immer eine Union der Nationen und der Vielfalt ist und bleibt.
Gemeinsam Ziele erreichen – Union weiterentwickeln
Das Motto "Europa fängt in der Gemeinde an" sei sehr tiefgründig. "Die Gemeinde ist die Keimzelle der Demokratie. Nirgendwo ist Politik so unmittelbar wie auf der kommunalen Ebene. Der Kontakt mit den Menschen ist allgegenwärtig und die Politik ist Ansprechpartner für alle großen und kleinen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger", betonte Nehammer. Mit der Vernetzung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte durch Veranstaltungen und Diskussionen lasse sich Europa im Diskurs leben. Es gehe darum, gemeinsame Ziele zu erreichen, den Binnenmarkt weiterzuentwickeln, wichtige Investitionen zu tätigen und ein System zu schaffen, das 27 EU-Mitgliedstaaten zusammenführe, um die großen Unterschiede in gewissen Themen zu überwinden.
"Die Europäische Union kann nicht per se bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen, es ist wichtiger, dass sie durch Veranstaltungen, Diskussionen und Begegnungen zu ihnen getragen wird, um diese Union zu erklären", so Nehammer. Diese Union habe große Herausforderungen vor sich, wenn es etwa um die Wettbewerbsfähigkeit, den Frieden oder die wirtschaftliche Entwicklung gehe.
30 Jahre EU-Beitritt Österreichs
"Das Jahr 2024 ist tatsächlich ein besonderes Jahr. Es ist nicht nur das Superwahljahr mit den EU-Wahlen und den Nationalratswahlen. Vor 30 Jahren haben auch die Verhandlungen Österreichs über den Beitritt zur Europäischen Union ihren erfolgreichen Abschluss gefunden", sagte der Kanzler. Es habe mutige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sowie Abgeordnete und Funktionsträgerinnen und Funktionsträger gebraucht, um die Menschen von diesem neuen, gemeinsamen Markt zu überzeugen, der sich geöffnet habe und viele Chancen, aber auch Veränderungen mit sich gebracht habe. Und Veränderungen würden oft Sorgen und Ängste mit sich bringen. "Der größte Aufwand für die erfolgreiche Volksabstimmung war, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen und die Kraft zu entwickeln, in der Diskussion zu vermitteln, dass das Projekt der EU für Österreich tatsächlich eine Verbesserung darstellt," so Bundeskanzler Nehammer, der abschließend betonte: "Die Rückschau zeigt: Es ist gelungen. Es gibt kaum eine bessere Entscheidung in der Zweiten Republik als die des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Wir haben viel gelernt und profitiert. Wir konnten und können viel Wissen in die Gemeinschaft einbringen und sind dadurch ein aktiver Teil der Gemeinschaft, wenn es darum geht, die Union weiterzuentwickeln."
"Wettbewerbsfähigkeit ist ein Weichensteller für die Zukunft der Union"
Der Bundeskanzler wies auf die Herausforderung hin, sich sowohl als einzelner Staat wie auch als Europäische Union in einem stark wettbewerbsgetriebenen Umfeld zu behaupten. Es sei wichtig, dass die EU den Anschluss am Weltmarkt nicht verliere: "Das ist für uns von großer Bedeutung und eine wichtige Zukunftsaufgabe, weil die Europäische Union besonders exportabhängig ist. Wettbewerbsfähigkeit ist ein zentrales Thema, denn sie ist der Garant und Weichensteller für die Zukunft der Union." Daher stehe diese Aufgabe während der aktuellen belgischen Ratspräsidentschaft auch besonders im Fokus. Die EU müsse sich beispielsweise damit auseinandersetzten, "wie wir weniger regulieren und innovationsfreundlicher werden können", so Nehammer, der betonte: "Wettbewerbsfähigkeit muss man aktiv gestalten und die Union zukunftsfit machen." Das bedeute auch, auf eine entsprechende Ausgestaltung von Freihandelsabkommen zu achten, um Fairness im Wettbewerb zu gewährleisten.
EU ist eine "Union der Vielfalt" – erfolgreich durch Zusammenarbeit und Subsidiarität
Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Ebenen sei ein Schlüsselfaktor einer erfolgreichen EU-Politik, sei es im Handelsbereich oder bei den vielfältigen anderen Herausforderungen, denen sich die Union und ihre einzelnen Mitgliedstaaten gegenübersehen. "Die Kunst europäischer Politik der Zukunft lautet nicht Gleichmacherei, sondern dass man in der Lage ist, auf die Vielfalt der Mitgliedstaaten einzugehen und die großen Herausforderungen anzugehen", so der Bundeskanzler. In jenen Bereichen, in denen die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister am besten wissen, wie Probleme vor Ort zu lösen sind, solle man ihnen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die dafür notwendigen Kompetenzen belassen. "Die Europäische Union in ihrer Einzigartigkeit, als Friedensprojekt und gemeinsamer Markt, wird nur Zukunft haben, wenn wir begreifen, was sie ist: Eine Union der Vielfalt, in der viel Potenzial liegt", so Nehammer, der sich abschließend bei den Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäten für ihr Engagement im Sinne dieser Vielfalt bedankte.
Edtstadler: "Europa fängt in der Gemeinde an"
Europaministerin Karoline Edtstadler betonte in ihren Eröffnungsworten: "Europa fängt in der Gemeinde an. Ihr habt euch dafür entschieden, für die Gemeinschaft einzutreten und besondere Brücken zu schlagen sowie Initiativen zu setzen, um Europa sichtbar und spürbar zu machen: in Österreich, in eurer Gemeinde. Genau dort, wo die Menschen Probleme haben, wo die Menschen von der Politik erwarten, dass wir Antworten geben und Lösungen für die großen Fragen der Gegenwart und der Zukunft finden. Und dafür, meine geschätzten Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte, gebührt euch wirklich mein herzlicher Dank."
Einen weiteren Dank richtete sie an den anwesenden EU-Kommissar Johannes Hahn, der Garant dafür sei, dass Österreich in der EU-Kommission "auch verstanden wird" sowie an Bundeskanzler Karl Nehammer, der "mit Emotion, Verve und mit viel Einsatz" die Interessen Österreichs in der EU vertrete und mit seiner Anwesenheit die Bedeutung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte unterstreiche.
Die Europäische Union sowie Österreich stünden vor großen Herausforderungen, die grenzüberschreitend und wohl nur gemeinsam zu lösen seien. Es sei unerlässlich, diese unverzüglich anzugehen, führte die Europaministerin weiter aus. Und daher sei die Arbeit der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte so wichtig, denn sie hätten das Ohr bei den Menschen und könnten Vorschläge und auch Kritik auf die höhere Ebene weitertransportieren. Nur so könnten die Probleme gemeinsam angegangen und gelöst werden, auch in Brüssel mit der Kommission. "Europa fängt in der Gemeinde an. Ich wünsche eine gute Veranstaltung, aus der ihr viel Engagement und Motivation herausziehen könnt, um diese nächsten Wochen tatsächlich für Europa einzutreten und die Menschen überzeugen zu können, dass sie zur Wahl gehen. Ich freue mich, dass Sie heute alle hier nach Wien gekommen sind und das auch weitertragen", so die Europaministerin.
Die Jahrestagung stand ganz im Zeichen der kommenden Europawahl am 9. Juni 2024. Unter dem Motto "Unser Europa. Unsere Wahl." wurden zentrale Fragen und Inhalte rund um die Wahl zum Europäischen Parlament mit hochrangigen Gästen diskutiert. An der Paneldiskussion zur Europawahl nahmen etwa die Abgeordneten Reinhold Lopatka, Andreas Schieder, Petra Steger, Sigrid Maurer und Helmut Brandstätter teil.
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Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.