Bundeskanzlerin Bierlein: "Erinnern heißt, die Dinge beim Namen zu nennen"
Eröffnung der Ausstellung "Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse" im Haus der Geschichte Österreich
"Am Beginn des Verzeihens steht das Erinnern. Erinnern heißt auch, die Dinge beim Namen zu nennen. Diese Haltung ist für unser Land und seine Menschen angesichts der Zeitgeschichte verpflichten", sagte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse" im Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ).
Sensibilisierung gegen Antisemitismus
Bedauerlicherweise seien viele Jahrzehnte von Verdrängen und Vergessen geprägt gewesen. "Dieser Umgang bedeutete auch Leugnung der schuldhaften Verstrickungen vieler Österreicherinnen und Österreicher in die grauenvollen Verbrechen der 1930er und 40er Jahre", so Bierlein. Es gebe weder Wiedergutmachung noch eine Entschuldigung für das Geschehene, "man kann 6 Millionen Tote mit nichts entschuldigen". Es gebe auch keine Entschädigung für verlorene Leben, verlorenen Besitz, verlorene Heimat, für erlittene Qualen und für millionenfache Angst und Erniedrigung. "Das heißt aber nicht, untätig bleiben zu dürfen", betonte die Kanzlerin mit Verweis auf den Nationalfonds, den Entschädigungsfonds und Zukunftsfonds der Republik Österreich. Damit seien – "spät aber doch" – ernsthafte Gesten zur symbolhaften Abgeltung der Ansprüche von Opfern und zur Sensibilisierung der Gesellschaft gegen Hass, Verhetzung und Antisemitismus gesetzt worden.
Orte des Erinnerns und Begreifens schaffen
Die Bundeskanzlerin erinnerte daran, dass immer weniger Menschen noch unter uns weilen, die direkte Zeugenschaft über den Holocaust ablegen können: "Wir haben daher umso mehr die Verpflichtung, die wichtige Arbeit der überlebenden Opfer der Shoah weiterzuführen." Die Ausstellung "Nicht mehr verschüttet" leiste einen wichtigen Beitrag zum "Niemals vergessen", indem sie einen weiteren Ort des Erkennens und Begreifens schafft. "Die Malzgasse 16 ist Teil der österreichischen Identität. Sie steht für das Erinnern, besonders an die ganz jungen Opfer des Holocaust." Die Geschichte der Malzgasse mache betroffen: "Das Erinnern muss uns betroffen machen, in einem Sinne, dass jede und jeder weiß: Es geht auch mich etwas an. Es geht jeden von uns etwas an, was im Holocaust passiert ist, völlig unabhängig von Konfession oder Herkunft. Und es liegt in unser aller Verantwortung, Fremdenhass und Antisemitismus, der tragischer Weise auch heute noch existiert, aufs Schärfste zu bekämpfen."
Auch die Malzgasse 16 stehe beispielhaft für die Verbrechen im November 1938: "Dort befand sich eine Talmud-Thora Schule, später eine Synagoge und das weltweit erste jüdische Museum. Alles fiel den Nationalsozialisten und Reichspogromen zum Opfer. Die Malzgasse war dann Sammellager für die Deportation von österreichischen Jüdinnen und Juden und tragischer Ausgangspunkt für Hass, Vertreibung und Mord", so Brigitte Bierlein. Als Bundeskanzlerin der Republik Österreich sei es ihr größtes Anliegen, das friedliche Miteinander und das Gemeinsame vor alles andere zu stellen. "Ich danke allen an der Ausstellung Beteiligten und allen Menschen, die ihre Zeit dem Erinnern widmen. Es wird helfen, dass wir auch weiterhin sagen dürfen: Niemals wieder", so Brigitte Bierlein abschließend.
Bilder von dieser Veranstaltung sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramtes kostenfrei abrufbar.