"Europa-Sprechstunde" mit Karoline Edtstadler: "Die EU besser machen und näher zu den Menschen bringen"
Europaministerin Edtstadler im Dialog mit Europa-Gemeinderätinnen und -Gemeinderäten: "Digitales grünes Zertifikat", die globale Rolle der EU und Projekte für Jugendliche als Themen beim monatlichen Austausch mit Gemeinde-Vertreterinnen und -Vertretern
Persönlich mit der Europaministerin ins Gespräch kommen, Fragen, Anliegen und auch Sorgen zu EU-Themen äußern: Diese Möglichkeit hatten Europa-Gemeinderätinnen und -Gemeinderäte aus ganz Österreich am 12. Mai 2021. Einmal pro Monat findet die "Europa-Sprechstunde" mit Europaministerin Edtstadler statt. Auch dieses Mal nützten die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter den virtuellen Termin für einen lebhaften Austausch zu aktuellen EU-Angelegenheiten.
Europaministerin Edtstadler: "Ich möchte wissen, was die Menschen in den Gemeinden bewegt"
Europaministerin Edtstadler gab zu Beginn einen Überblick über aktuelle Themen. So arbeite man auf EU-Ebene intensiv am "digitalen grünen Zertifikat", um die Reisefreiheit nach den Covid-19-bedingten Beschränkungen wiederherzustellen. Beim Rat Allgemeine Angelegenheiten – den regelmäßigen Treffen der Europaministerinnen und -minister – am Vortag in Brüssel seien neben der Covid-19-bezogenen Themen unter anderem auch die europäische Perspektive für die Westbalkan-Staaten und das Institutionelle Rahmenabkommen mit der Schweiz auf der Agenda gestanden.
Am Europatag, dem 9. Mai 2021, ist die EU-Zukunftskonferenz offiziell gestartet. In Österreich hat Europaministerin Edtstadler beim "Digitalen Europatag" den Austausch mit Persönlichkeiten wie dem ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger oder EU-Kommissar Johannes Hahn gesucht. Die Europa-Gemeinderätinnen und -Gemeinderäte rief Edtstadler zur aktiven Teilnahme an der EU-Zukunftskonferenz auf, denn: "Jetzt müssen wir über Europa sprechen. Bringt Ideen, Vorschläge und auch Kritik ein, organisiert Veranstaltungen in der Gemeinde oder beim Verein. Ich möchte wissen, was die Menschen in den Gemeinden bewegt. Unser gemeinsames Ziel ist es, die EU besser zu machen und näher zu den Menschen zu bringen." Vieles werde in der EU als selbstverständlich wahrgenommen, für nicht funktionierende Projekte häufig die EU verantwortlich gemacht. "Wir sollten sowohl die Stärken als auch die Schwächen der EU offen ansprechen. Denn wir alle können uns mehr erwarten von der EU."
"Grünes Zertifikat" soll "Fleckerlteppich" vermeiden und Reisefreiheit ermöglichen
Besonders großes Interesse zeigten die Europa-Gemeinderätinnen und -Gemeinderäte am "digitalen grünen Zertifikat", das ab Juli 2021 Mobilität und Reisefreiheit wieder ermöglichen soll. Besonders für stark vom Tourismus abhängige Gemeinden ist dieser Nachweis für Genesene, Geimpfte und Getestete eine wichtige Voraussetzung für das wirtschaftliche Comeback nach der Coronavirus-Krise. Europaministerin Edtstadler betonte: "Auch wenn noch Fragen zum Datenschutz und technische Aspekte zu klären sind, müssen wir das 'grüne Zertifikat' ermöglichen, um unsere Grundfreiheiten leben zu können. Denn nur so können wir Mobilität und offene Grenzen wiederherstellen und einen 'Fleckerlteppich' innerhalb der EU vermeiden."
Edtstadler zur globalen Rolle der EU: "Keine 'Selbstverzwergung' betreiben"
Angesprochen auf die globale Rolle der EU, strich Europaministerin Edtstadler hervor, dass die EU nach außen hin künftig viel stärker geeint auftreten müsse, um in der Welt – etwa gegenüber den USA, Russland oder China – als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig dürfe man nicht eine "Selbstverzwergung" betreiben: "Wir können und sollen nach außen hin mit Stolz auftreten. Die EU ist nach wie vor der größte Binnenmarkt der Welt. Damit dies so bleibt, sollten wir verstärkt mit einer Stimme sprechen." Daher solle im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz das Einstimmigkeitsprinzip in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) diskutiert werden. "Wenn wir in der Welt ernst genommen werden möchten, dann müssen wir rasch entscheiden können." Gefahren wie Cyber Crime machten vor nationalen Grenzen nicht halt, daher seien auch hier – trotz nationaler Zuständigkeit im Bereich der Sicherheitspolitik – internationale Zusammenarbeit und ein Mehr an Resilienz notwendig.
Eine wesentliche Lehre aus der Coronavirus-Krise sei, dass die Pandemie die Schwächen und Stärken der EU deutlich sichtbar gemacht habe, so Edtstadler: "Von einem Tag auf den anderen sind Errungenschaften weggefallen, die wir alle als selbstverständlich betrachtet hatten, etwa offene Grenzen für den Pendlerverkehr. Das Virus hat uns auch schmerzhaft vor Augen geführt, wie abhängig wir in einzelnen Bereichen von anderen Weltregionen sind, etwa bei Medikamenten oder Schutzausrüstung." Auch wenn man nicht alles zurückholen könne, was vor 20 Jahren abgewandert sei, seien Themen wie die Voraussetzungen für die Industrieproduktion in der EU und eine intakte Versorgungssicherheit, globale Lieferketten und strategische Autonomie wichtiger denn je.
"Istanbul-Konvention" als zentrales internationales Instrument zur Prävention von Gewalt gegen Frauen
Auch EU-Aktivitäten gegen Gewalt gegen Frauen und zum Schutz Betroffener wurden angesprochen. Das jüngst angekündigte Ausscheiden der Türkei aus dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ("Istanbul-Konvention") wurde von Europaministerin Edtstadler klar verurteilt, die auch darauf verwies, dass sie als ehemalige Strafrichterin das Thema gut kenne. Erst jüngst haben 31 Ministerinnen und Minister aus 16 Staaten an alle Mitgliedstaaten des Europarates appelliert, sich für eine Umsetzung der Vorgaben der "Istanbul-Konvention" einzusetzen.
Im Fokus: EU-Förderungen und Initiativen für Jugendliche
Weitere Themen der "Europa-Sprechstunde" waren die Rolle des Europäischen Parlaments als Ko-Gesetzgeber und EU-Fördermöglichkeiten für Projekte in den Gemeinden (etwa die Initiative "WiFi4EU"). Europaministerin Edtstadler betonte, wie wichtig es sei, auf Gemeindeebene die Sichtbarkeit von EU-ko-finanzierten Projekten zu erhöhen, um die EU "begreifbarer" zu machen.
Gefragt nach Initiativen im Bereich von Jugendlichen und Schulen, betonte Edtstadler die Wichtigkeit von persönlichen Erfahrungen: "Gerade junge Menschen sollten durch Reisen, Austauschprojekte wie etwa Erasmus+ oder das Erlernen von Fremdsprachen die Möglichkeit haben, sich selbst ein Bild zu machen. Während der Pandemie war dies leider nicht möglich, aber mir ist es ein besonderes Anliegen, für Jugendliche Angebote zu schaffen, etwa durch Reisen nach Brüssel oder Straßburg, und mich mit ihnen auszutauschen."
Europaministerin Edtstadler schloss mit einem Dank an die Europa-Gemeinderätinnen und -Gemeinderäte: "Sie sind ein wichtiges Sprachrohr für mich. Mein Ziel ist es, dass es in jeder österreichischen Gemeinde eine Europa-Gemeinderätin oder einen Europa-Gemeinderat gibt. Ich freue mich auf den weiteren Austausch, nehme Anregungen und Kritik gerne auf und hoffe, dass wir uns bald auch persönlich treffen können."