EU will Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren: Kommission präsentiert "REPowerEU"-Plan
Plan der Kommission für eine rasche Verringerung von Importen fossiler Brennstoffe aus Russland – Maßnahmen sollen zur Beschleunigung des "grünen" Wandels und zu Einsparungen bei Gas, Öl und Kohle beitragen – Umfangreiche Investitionen für ein nachhaltiges EU-Energiesystem vorgesehen
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat – wie bereits die Coronavirus-Pandemie und die damit zusammenhängenden Folgen in puncto Lieferketten und Preisgestaltung – zu Verwerfungen der globalen Energiesysteme geführt. Vor dem Hintergrund der Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl oder Kohle, hatte die Europäische Kommission bereits am 8. März 2022 in ihrer Mitteilung "REPowerEU: Gemeinsame europäische Maßnahmen für erschwinglichere, sicherere und nachhaltigere Energie" einen raschen Ausstieg aus (russischen) fossilen Brennstoffen sowie eine Beschleunigung des europäischen "Green Deals" gefordert. Der Europäische Rat hatte die Kommission in der Folge darum ersucht, bis Ende Mai 2022 eine umfassenden Plan auszuarbeiten, der die Abhängigkeit der EU von russischen Energieimporten reduzieren und mittelfristig vollständig beenden soll. Dieser Aufforderung ist die Kommission mit der Vorlage des "REPowerEU"-Plans am 18. Mai 2022 nachgekommen.
Die 3 Eckpunkte von "REPowerEU" im Überblick:
- Bis 2030 soll das Energieeffizienzziel der EU angehoben werden, und zwar von 9 auf 13 Prozent. Die Kommission betont, dass bereits kleine Verhaltensänderungen im täglichen Leben dazu beitragen können, den Gas- und Ölbedarf zu senken.
- Weiters soll die Diversifizierung der Versorgung vorangetrieben werden: Energie soll von unterschiedlichen internationalen Partnern importiert werden, etwa auch in Form von Flüssigerdgas (Englisch: liquified natural gas, kurz: LNG).
- Zudem schlägt die Kommission eine Beschleunigung der Energiewende vor: Bis 2030 sollen – statt bisher angestrebten 30 Prozent – 45 Prozent des Energiebedarfs mithilfe erneuerbarer Energien gedeckt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte die Kommission unter anderem Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energie-Projekte verkürzen, eine Solardachpflicht einführen und mehr klimafreundlichen Wasserstoff verwenden.
Durch diese Maßnahmen möchte die Kommission die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland weit vor Ende des Jahrzehnts auslaufen lassen und bereits in diesem Jahr erhebliche Fortschritte erzielen, indem sie den "grünen" Übergang beschleunigt und ein vernetztes, widerstandsfähiges EU-Energienetz sicherstellt, das Energieversorgungssicherheit bieten soll. Die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für Maßnahmen im Energiebereich ist jedenfalls gegeben: Laut einer Eurobarometer-Umfrage vom 5. Mai 2022 sind 85 Prozent der Europäerinnen und Europäer der Meinung, dass die EU ihre Abhängigkeit von russischem Gas und Öl so schnell wie möglich verringern sollte – auch, um Solidarität zu zeigen und die Ukraine zu unterstützen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen: Ziel ist "ein vernetzter europäischer Markt für saubere Energie"
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte dazu: "Je mehr wir in Europa voneinander abhängig werden, desto unabhängiger werden wir von Russland. Das ultimative Ziel ist: ein vernetzter europäischer Markt für saubere Energie. Das ist die Grundlage einer echten 'Union of Clean Energy'. Wir wissen, dass ein Europa, das gemeinsam handelt, mehr Gewicht hat. Die Staats- und Regierungsspitzen der EU-27 haben sich auf die Einrichtung einer Plattform für die gemeinsame Beschaffung von Gas, Flüssiggas und Wasserstoff geeinigt. In unserem 'REPowerEU'-Plan schlagen wir einen operativen Ansatz vor mit einem gemeinsamen Beschaffungsmechanismus und einer gemeinsamen Kontaktaufnahme mit Lieferländern." Auf diese Weise könne die EU die Energieeinfuhren sichern, die sie brauche, und zwar ohne Wettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten, so die Kommissionspräsidentin.
Die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, ergänzte: "Wir sind uns bewusst, dass es schwierig sein wird, Europa von seinem größten Energieversorger zu trennen. Aber die wirtschaftlichen Vorteile der Beendigung unserer Abhängigkeit werden viel größer sein als die kurzfristigen Kosten von 'REPowerEU'. Und auf diese Weise werden wir schneller ein sichereres, nachhaltigeres und erschwinglicheres Energiesystem für die EU und für unsere Bürgerinnen und Bürger aufbauen."
Der "REPowerEU"-Plan der Kommission im Detail: Fokus auf Energieeinsparungen
Die Europäische Kommission schlägt in ihrem REPowerEU-Plan als ersten Punkt vor, langfristige Energieeffizienzmaßnahmen zu verbessern, einschließlich einer Erhöhung des verbindlichen Energieeffizienzziels von 9 Prozent auf 13 Prozent bis zum Jahr 2030 im Rahmen des "Fit for 55"-Pakets mit Rechtsvorschriften zum "European Green Deal". Laut Kommission könnten kurzfristige Verhaltensänderungen die Gas- und Ölnachfrage um 5 Prozent senken. Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, in diesem Zusammenhang spezifische Kommunikationskampagnen für Haushalte und Industrie zu starten. Zusätzlich sollen die Mitgliedstaaten ermutigt werden, steuerliche Maßnahmen zur Förderung von Energieeinsparungen zu ergreifen, wie beispielsweise ermäßigte Mehrwertsteuersätze für energieeffiziente Heizsysteme, Gebäudeisolierungen sowie Geräte und Produkte. Des Weiteren legt die Kommission in ihrem "REPowerEU"-Plan Notfallmaßnahmen im Falle einer schwerwiegenden Versorgungsunterbrechung fest.
Der "REPowerEU"-Plan der Kommission im Detail: Fokus auf Diversifizierung
Die EU hat in den vergangenen Monaten ihre Zusammenarbeit mit internationalen Partnern ausgeweitet, um die Energieversorgung zu diversifizieren. So konnte sie Rekordmengen an Flüssiggas-Importen und höhere Gaslieferungen sicherstellen. Die neu geschaffene EU-Energieplattform, die von regionalen Task Forces unterstützt wird, soll freiwillige gemeinsame Käufe von Gas, LNG und Wasserstoff ermöglichen, indem die Nachfrage gebündelt, die Infrastrukturnutzung optimiert und die Kontaktaufnahme zu den Lieferanten koordiniert wird. Die Plattform soll auch den gemeinsamen Einkauf von erneuerbarem Wasserstoff ermöglichen – diesbezüglich soll die Entwicklung eines "gemeinsamen Beschaffungsmechanismus" in Betracht gezogen werden. Demnach könnte der Mechanismus Gaseinkäufe im Namen der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten aushandeln und in Auftrag geben. Zusätzlich wird die Kommission legislative Maßnahmen in Betracht ziehen, um eine Ausweitung der Gasversorgung im Laufe der Zeit durch die EU-Mitgliedstaaten vorzuschreiben.
Mit der ebenfalls am 18. Mai 2022 angenommenen EU-Strategie für die externe Energiepolitik soll die Diversifizierung der Energieversorgung und der Aufbau von langfristigen Partnerschaften mit Lieferanten, einschließlich der Zusammenarbeit bei Wasserstoff oder anderen "grünen" Technologien, erleichtern werden. Gemeinsam mit Global-Gateway soll die Strategie dem Engagement der EU für die globale "grüne" und gerechte Energiewende, der Steigerung der Energieeinsparungen und -effizienz zur Verringerung des Preisdrucks, der Förderung der Entwicklung erneuerbarer Energien und Wasserstoff sowie der Intensivierung der Energiediplomatie Vorrang einräumen.
Vor dem Hintergrund der russischen militärischen Aggression in der Ukraine wird die EU die Ukraine, die Republik Moldau, den westlichen Balkan und die Länder der Östlichen Partnerschaft unterstützen. Vor allem die Zusammenarbeit mit der Ukraine werde fortgeführt, um die Versorgungssicherheit und einen funktionierenden Energiesektor zu gewährleisten und gleichzeitig den zukünftigen Handel mit Strom und erneuerbarem Wasserstoff zu ebnen sowie das Energiesystem im Rahmen der "REPower-Ukraine"-Initiative wiederaufzubauen.
Der "REPowerEU" Plan der Kommission im Detail: Fokus auf Ausbau erneuerbarer Energien
Die Kommission schlägt vor, den Ausbau erneuerbarer Energien auszuweiten. In den Bereichen Stromerzeugung, Industrie, Gebäude und Verkehr soll die Unabhängigkeit beschleunigt, der "grüne" Übergang angekurbelt und die Preise gesenkt werden. Das Kernziel für erneuerbare Energie für 2030 im Rahmen des Pakets "Fit for 55" soll von 40 Prozent auf 45 Prozent angehoben werden und dadurch den Rahmen für andere Initiativen schaffen. Dazu zählen:
- eine spezielle EU-Solarstrategie zur Verdoppelung der Photovoltaik-Kapazität bis 2025 und zur Installation von 600 Gigawatt bis 2030
- eine Solardachinitiative mit einer schrittweisen gesetzlichen Verpflichtung zur Installation von Sonnenkollektoren auf neuen öffentlichen und gewerblichen Gebäuden und neuen Wohngebäuden
- die Verdoppelung des Einsatzes von Wärmepumpen und Maßnahmen zur Integration von Geothermie und Solarthermie in modernisierte Fern- und Gemeinschaftswärmesysteme
- eine Empfehlung der Kommission zur Bekämpfung langsamer und komplexer Genehmigungen für große Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und eine gezielte Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, um erneuerbare Energien als überwiegendes öffentliches Interesse anzuerkennen
- die Festlegung eines Ziels von 10 Millionen Tonnen inländischer Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und 10 Millionen Tonnen Importen bis 2030, um Erdgas, Kohle und Öl in schwer zu dekarbonisierenden Industrien und Verkehrssektoren zu ersetzen
- ein Aktionsplan für Biomethan mit Instrumenten wie beispielsweise einer neuen Biomethan-Industrieallianz und finanziellen Anreizen zur Steigerung der Produktion auf 35 Milliarden Kubikmeter bis 2030.
Des Weiteren schlägt die Kommission in ihrem "REPowerEU"-Plan vor, den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Industrie und Verkehr gezielt zu reduzieren. Grüner Wasserstoff soll in der Industrie verstärkt zum Einsatz kommen und die europäische Wirtschaft dabei eine technologische und industrielle Führungsrolle einnehmen.
Mobilisierung von 300 Milliarden Euro zur Verwirklichung von "REPowerEU" erforderlich
Um die Ziele im Rahmen des "REPowerEU"-Plans zu verwirklichen, sind laut Europäischer Kommission Investitionen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro bis 2027 erforderlich, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erläuterte: "Wir mobilisieren zu diesem Zweck bis zu 300 Milliarden Euro. Davon rund 72 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und 225 Milliarden Euro an Darlehen. Ein Teil davon – bis zu 10 Milliarden Euro – geht in die Finanzierung fehlender Gas- und LNG-Verbindungen, damit kein Mitgliedstaat in der Kälte stehen muss. Bis zu 2 Milliarden Euro fließen in Erdölinfrastruktur, um die Lieferung von russischem Öl zu stoppen. Der gesamte Rest der Finanzierung dient dazu, die Umstellung auf saubere Energie zu beschleunigen und auszubauen."
Die Investitionen sollen vom privaten und öffentlichen Sektor sowie auf nationaler, grenzüberschreitender und EU-Ebene gedeckt werden. Nach Angaben der Kommission könne durch die Reduzierung der russischen Importe fossiler Brennstoffe fast 100 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden. Durch gezielte Änderungen an der Verordnung für die Wiederaufbau- und Resilienzfazilität (RRF) könnten spezielle "REPowerEU"-Kapitel in die bestehenden nationalen Resilienzpläne der EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Im Rahmen des RRF stünden 225 Milliarden Euro zur Unterstützung von "REPowerEU" zur Verfügung, so die Kommission. Zusätzlich schlägt die Kommission vor, die Finanzausstattung des RRF um Zuschüsse in Höhe von 20 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Zertifikaten des EU-Emissionshandelssystems (Englisch: EU Emissions Trading System, kurz: EU ETS) zu erhöhen, die derzeit in der Marktstabilitätsreserve gehalten werden und so versteigert werden sollen, dass der Markt nicht gestört wird. Auf diesem Weg könnte das EU ETS dazu beitragen, die Emissionen sowie die Nutzung fossiler Brennstoffe zu reduzieren und die notwendigen Mittel einzusammeln, um Energieunabhängigkeit zu erreichen.
Hintergrund: "European Green Deal", "Fit for 55" und externe Energiestrategie
Der "European Green Deal" ist der langfristige Wachstumsplan der EU, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Bis 2030 sollen die Nettotreibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Die Kommission hat im Juli 2021 ihr Legislativpaket "Fit for 55" vorgelegt, um diese Ziele umzusetzen.
Am 25. Januar 2021 hatte der Europäische Rat die Kommission und den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik ersucht, eine neue externe Energiestrategie auszuarbeiten, die ebenfalls am 18. Mai 2022 vorgelegt worden ist. Die Strategie verknüpft Energiesicherheit mit der globalen Energiewende über externe Energiepolitik sowie Diplomatie. Des Weiteren reagiert sie auf die Energiekrise, die durch die russische Invasion in der Ukraine und die existenziellen Bedrohungen, die durch den Klimawandel entstanden sind. Die EU wird die Energieversorgungssicherheit und den „grünen“ Übergang der Ukraine, der Republik Moldau und der Partnerländer in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft weiterhin unterstützen. In der Strategie wird dargelegt, dass die russische Invasion in der Ukraine globale Auswirkungen auf die Energiemärkte habe und insbesondere die Entwicklungspartnerländer treffe.
Weitere Informationen
Fragen und Antworten zur REPowerEU-Mitteilung, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
REPowerEU-Plan, Mitteilung der Europäischen Kommission, EUR-Lex-Website
Mitteilung der Europäischen Kommission zur Energieeinsparung, EUR-Lex-Website (auf Englisch)
Mitteilung der Europäischen Kommission zur EU-Solarstrategie, EUR-Lex-Website (auf Englisch)
Factsheet zu REPowerEU-Maßnahmen, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
Factsheet zur Finanzierung von REPowerEU, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
Factsheet zu Energieeinsparungen, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
Factsheet zu sauberer Energie, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
Factsheet zur sauberen Industrie, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)
REPowerEU-Video, Website der Europäischen Kommission (auf Englisch)