EU, Lateinamerika und Karibik: Neue Agenda zur Stärkung der Partnerschaft
Unter anderem Handel, "grüner" Wandel und Digitales im Fokus der Partnerschaft zwischen der EU sowie den Staaten Lateinamerikas und der Karibik – Investitionen im Rahmen der "Global Gateway"-Strategie der EU vorgesehen – Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Heute ist die strategische Partnerschaft EU-LAK wichtiger denn je"
Im Vorfeld des am 17.-18. Juli 2023 in Brüssel stattfindenden Gipfeltreffens zwischen der EU sowie den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (Spanisch: Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños, kurz: CELAC) haben die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, am 7. Juni 2023 eine gemeinsame Mitteilung über eine neue Agenda für die Beziehungen zwischen den Partnern angenommen. In der Mitteilung wird vorgeschlagen, die strategische Partnerschaft mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik durch ein intensiviertes politisches Engagement, die Förderung von Handel und Investitionen sowie den Aufbau nachhaltigerer, fairerer und vernetzter Gesellschaften im Rahmen von "Global Gateway"-Investitionen zu stärken und zu modernisieren.
Die Staaten der EU, Lateinamerikas und der Karibik machen zusammen 14 Prozent der Weltbevölkerung und rund 21 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Mit der Stärkung dieser Partnerschaft sollen die Länder in die Lage versetzt werden, globalen Herausforderungen zu begegnen und Chancen zum beiderseitigen Nutzen zu ergreifen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Gemeinsam für Demokratie, Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit in der Welt eintreten"
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte dazu: "Heute ist die strategische Partnerschaft EU-LAK wichtiger denn je. Wir sind wichtige Verbündete, wenn es darum geht, die regelbasierte internationale Ordnung zu stärken und gemeinsam für Demokratie, Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit in der Welt einzutreten. Auch ist es uns ein wichtiges Anliegen, unsere politische Partnerschaft und unser politisches Engagement zu stärken, den Klimawandel zu bekämpfen und einen inklusiven, auf den Menschen ausgerichteten digitalen Wandel voranzubringen. Unsere 'Global Gateway'-Initiative wird zudem Investitionen ankurbeln und unsere Zusammenarbeit intensivieren."
Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, ergänzte: "Die Stärkung der Partnerschaft der EU mit Lateinamerika und der Karibik ist ein strategisches Gebot. Wir gehören zu den Regionen der Welt, die in Bezug auf Interessen und Werte am engsten aufeinander abgestimmt sind. Durch ihre Zusammenarbeit können die EU und Lateinamerika und die Karibik globale Herausforderungen wirksamer angehen, die regelbasierte internationale Ordnung stärken und Frieden, Sicherheit und Demokratie fördern. Das Gipfeltreffen EU-CELAC bietet eine hervorragende Gelegenheit, Vertrauen aufzubauen und den Beziehungen neue Impulse zu verleihen."
Maßnahmen für eine verstärkte Partnerschaft
In der Mitteilung werden Schlüsselbereiche für die verstärkte Zusammenarbeit genannt, für welche jeweils mehrere konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden:
- Eine erneuerte politische Partnerschaft: Hierzu zählen unter anderem die Organisation regelmäßiger Gipfeltreffen und die Einrichtung eines ständigen Koordinierungsmechanismus zwischen der EU und der CELAC sowie eine verstärkte Zusammenarbeit in Gremien der Vereinten Nationen. Vorgeschlagen wird ein verstärktes Engagement nicht nur auf regionaler Ebene, sondern auch mit einzelnen Staaten Lateinamerikas und der Karibik sowie mit (sub-)regionalen Gruppen wie der lateinamerikanischen Handelsorganisation Mercosur, dem Zentralamerikanischen Integrationssystem, der Andengemeinschaft, der Pazifischen Allianz oder der Allianz für Entwicklung in Demokratie, mit einem besonderem Augenmerk auf der Karibik und insbesondere der Fertigstellung des Cotonou-Folgeabkommens (Cotonou-Abkommen: übergeordneter Rahmen für die Beziehungen der EU zu den Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean).
- Stärkung einer gemeinsamen Handelsagenda: Dies soll erreicht werden, indem die Unterzeichnung des Abkommens EU-Chile abgeschlossen wird, entscheidende Fortschritte bei den Abkommen zwischen der EU und Mexiko sowie zwischen der EU und Mercosur erzielt werden, die Ratifizierung der Abkommen mit Zentralamerika und Kolumbien, Peru und Ecuador abgeschlossen wird sowie gemeinsam über eine gezielte Aktualisierung der Abkommen nachgedacht wird. Eine weitere Maßnahme soll darin bestehen, die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik in der Welthandelsorganisation (Englisch: World Trade Organization, kurz: WTO) zu stärken. Die Diversifizierung der Rohstoffquellen und Stärkung der Resilienz globaler Lieferketten sollen den Regionen zugutekommen, unter anderem indem man sich gemeinsam mit den Auswirkungen der EU-Rechtsvorschriften im Hinblick auf den europäischen "Green Deal" befasst.
- "Global Gateway": Die "Global Gateway"-Strategie soll es der EU ermöglichen, hochwertige Investitionen zu mobilisieren, um den Infrastrukturbedarf in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik durch ein positives und wertebasiertes Investitionsangebot unter Einhaltung hoher internationaler Standards zu decken und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Dadurch sollen die Partnerschaften für einen fairen "grünen" und digitalen Wandel gestärkt werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen für einen fairen "grünen" Wandel umfassen unter anderem nachhaltige Investitionsprojekte, Finanzierungsrahmen wie Märkte für "grüne" Anleihen, eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Katastrophenvorsorge und beim Katastrophenrisikomanagement. Die Digitalallianz EU-Lateinamerika/Karibik ist im März 2023 gegründet worden, um die Kräfte für einen inklusiven und auf den Menschen ausgerichteten digitalen Wandel zu bündeln. Nach Angaben der Kommission könnten Investitionsprojekte wie der Ausbau des Glasfaserkabels BELLA hierbei eine wichtige Rolle spielen. Zu den weiteren Maßnahmen gehören der Dialog über Regulierungsmaßnahmen zur Verbesserung der digitalen Kompatibilität und die Förderung eines freien und sicheren Datenflusses.
- Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums für die menschliche Entwicklung: Hierzu zählt unter anderem die Verbesserung der Zusammenarbeit, unter anderem auch bei den Investitionen in resiliente Gesundheitssysteme (wie im Rahmen der vorgesehenen EU-Lateinamerika-Karibik-Gesundheitspartnerschaft für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln, digitale Gesundheit, Gesundheitstechnologien und Stärkung des Gesundheitssystems) oder in die Wasser- und Sanitärversorgung. Eine regionale "Team Europa"-Initiative für inklusive Gesellschaften mit besonderem Schwerpunkt auf Bildung ist in Vorbereitung.
- Bündelung der Kräfte für Justiz, Bürgerinnen- und Bürgersicherheit und die Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität: Zu den Maßnahmen gehören ein weiterer Kapazitätsausbau und die Zusammenarbeit mit dem Lateinamerikanischen Ausschuss für innere Sicherheit und der amerikanischen Polizeigemeinschaft. Des Weiteren sollen der Dialog auf hoher Ebene über Drogenpolitik und die Zusammenarbeit im Bereich der Cyber-Sicherheit intensiviert werden.
- Förderung von Frieden und Sicherheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und humanitärer Hilfe: Dazu zählen unter anderem verstärkte Anstrengungen zur Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen und zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie zum Schutz von Umweltschützerinnen und Umweltschützern, auch durch die Unterstützung der Umsetzung des regionalen Abkommens von Escazú (Costa Rica), das 2021 in Kraft getreten ist – als erstes internationales Umweltabkommen in Lateinamerika und der Karibik sowie weltweit, das Bestimmungen über die Rechte von Umweltschützerinnen und -schützern enthält.
- Aufbau einer dynamischen Partnerschaft mit persönlichen Kontakten zwischen der EU und den CELAC-Staaten: Eine zentrale Maßnahme stellt die verstärkte Zusammenarbeit mit jungen Menschen dar, auch durch Jugend-Resonanzgruppen auf nationaler Ebene. Weitere Maßnahmen sind die Intensivierung der Kooperation im Bereich der Bildungs- und Forschungsmobilität sowie gemeinsame kulturelle Initiativen, wie die Teilnahme der EU als Ehrengast an der Internationalen Buchmesse 2023 in Guadalajara (Mexiko), der weltweit größten Buchmesse außerhalb Europas. Des Weiteren soll die Rolle der EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung, einer internationalen Organisation mit über 60 Ländern als Mitgliedern, gestärkt werden.
Hintergrund: Beziehungen zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas sowie der Karibik
Die EU, Lateinamerika sowie die Karibik sind aus Sicht der Kommission wichtige Partner, die sich für die Verteidigung und Stärkung eines regelbasierten internationalen Systems einsetzen. Zusammen stellen sie fast ein Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen. Die EU, Lateinamerika und die Karibik haben gemeinsam eines der dichtesten Netze an politischen sowie sonstigen Kooperations- und Handelsabkommen geknüpft.
Die EU ist mit 693 Milliarden Euro an Direktinvestitionen der führende Investor in den Ländern Lateinamerikas und der Karibik und einer der größten Handelspartner der Region: Im Jahr 2022 belief sich der Warenhandel zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den Ländern Lateinamerikas und der Karibik auf insgesamt 293,09 Milliarden Euro. Der Handel zwischen den LAK-Staaten und der EU nahm zwischen 2013 und 2022 rasch zu, mit einem Anstieg um 59 Prozent bei den Einfuhren und einem Anstieg um 37 Prozent bei den Ausfuhren. Die Beziehungen der EU zu den Staaten Lateinamerikas und der Karibik sollen auch zu den Bemühungen beitragen, die Lieferketten – etwa auch im Bereich der kritischen Rohstoffe – zu diversifizieren und zu stärken und den Zugang von EU-Unternehmen diskriminierungsfrei zu ermöglichen. So enthalten aktuelle bilaterale Handelsabkommen, wie die Abkommen mit Mexiko und Chile, ein eigenes Kapitel über Energie und Rohstoffe, in dem nachhaltige Gewinnung und Verarbeitung sowie ambitionierte Arbeits- und Umweltstandards vermerkt sind.
Die 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik sind zudem von entscheidender Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht der Erde und bergen rund 50 Prozent der biologischen Vielfalt weltweit. Des Weiteren entfallen auf die Region 14 Prozent der globalen Nahrungsmittelproduktion und 45 Prozent des internationalen Handels mit Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen sowie der weltweit größte Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor; dieser lag 2021 bei 61 Prozent.
Weitere Informationen
- Neue Agenda zur Stärkung der Partnerschaft der EU mit Lateinamerika und der Karibik, Pressemitteilung der Europäischen Kommission
- Fragen und Antworten: Neue Agenda für die Beziehungen der EU zu Lateinamerika und der Karibik, Website der Europäischen Kommission
- Factsheet: A New Agenda for Relations between the EU and Latin America and the Caribbean, Website des European External Action Service (EEAS)