Start der "Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit"

Alle 27 EU-Mitgliedstaaten verpflichteten sich bei Konferenz in Lissabon auf konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit – Bis 2030 soll in der EU niemand mehr auf der Straße leben müssen

Obdachloser auf der Straße
Foto: Europäische Kommission/Mauro Bottaro

Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der EU-Mitgliedstaaten und EU-Institutionen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft, Sozialpartnerschaft und Städte haben am 21. Juni 2021 bei einer Konferenz in Lissabon die "Erklärung von Lissabon über die Europäische Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit" unterschrieben. Damit haben sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dazu verpflichtet, bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit in der EU zusammenzuarbeiten und Maßnahmen im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen zu ergreifen. Die Konferenz wurde gemeinsam vom aktuellen portugiesischen EU-Ratsvorsitz, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Verband der nationalen Vereinigung im Bereich der Obdachlosenhilfe (FEANTSA) ausgerichtet.

Bis zum Jahr 2030 soll in der Europäischen Union niemand mehr auf der Straße leben müssen. In der "Erklärung von Lissabon" verpflichteten sich die 27 EU-Mitgliedsländer auf konkrete Schritte, um dieses Ziel zu erreichen. Nach Angaben der EU-Kommission schlafen derzeit rund 700.000 Menschen in der EU jede Nacht auf der Straße – 70 Prozent mehr als noch vor 10 Jahren.

EU-Kommissar Nicolas Schmit: "Wir müssen jetzt handeln"

Die portugiesische Ministerin für Arbeit, Solidarität und soziale Sicherheit, Ana Mendes Godinho, erklärte stellvertretend für den aktuellen EU-Ratsvorsitz: "Wir müssen die Obdachlosigkeit ernsthaft bekämpfen und obdachlosen Menschen, die die Hoffnung verloren haben, die Menschenrechte zurückgeben. Wir sind sehr stolz darauf, dass die 'Erklärung von Lissabon über die Europäische Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit' von den EU-Mitgliedstaaten während unserer Präsidentschaft unterzeichnet wurde. Wir glauben wirklich, dass ein stärkeres soziales Europa ein Europa ist, in dem soziale Rechte allen gehören und in dem jeder eine Stimme hat und in Würde lebt."

Der für Arbeitsplätze und soziale Rechte zuständige EU-Kommissar, Nicolas Schmit, ergänzte: "Obdachlosigkeit ist die extremste Form sozialer Ausgrenzung und sie hat in der gesamten EU zugenommen. Wir müssen jetzt handeln. Die 'Europäische Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit' wird den Partnern helfen, Erfahrungen und politische Maßnahmen auszutauschen, die in ihren Regionen und Städten funktioniert haben, damit wir die Obdachlosigkeit in Europa radikal reduzieren können. Die Unterbringung und Unterstützung von Obdachlosen ist das Prinzip 19 der 'Europäischen Säule sozialer Rechte' – und es ist ein moralischer Imperativ, wenn wir es ernst meinen mit dem Aufbau einer gerechten und integrativen Gesellschaft."

"Erklärung von Lissabon": Mehr Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit

Die Plattform soll konkrete Fortschritte bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit in den EU-Mitgliedstaaten gewährleisten und die Kontaktaufnahme mit lokalen Akteuren wie Städten und Dienstleistern sowie den Austausch über Ansätze und Praktiken zwischen den Akteuren (etwa "Best Practice") erleichtern. Des Weiteren ist die Plattform ein konkretes Ziel des Aktionsplans zur "Europäischen Säule sozialer Rechte" und soll dazu beitragen, die Ziele des Sozialgipfels von Porto im Mai 2021 – ein starkes soziales Europa sowie eine faire und integrative Erholung von der Covid-19-Pandemie – zu erfüllen.

In der "Erklärung von Lissabon über die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit" sind folgende 5 Ziele festgehalten:

  • Niemand soll auf der Straße leben müssen mangels zugänglicher, sicherer und geeigneter Notunterkünfte.
  • Niemand lebt länger in Not- oder Übergangsunterkünften, als für einen erfolgreichen Umzug in eine dauerhafte Wohnlösung erforderlich ist.
  • Niemand wird aus einer Einrichtung (zum Beispiel Gefängnis, Krankenhaus, Pflegeeinrichtung) entlassen, ohne dass ihr oder ihm ein angemessenes Angebot an Wohnraum angeboten wurde.
  • Räumungen der Unterkunft sollten nach Möglichkeit verhindert werden. Niemand soll ohne Angebot einer geeigneten Wohnungslösung vertrieben werden.
  • Niemand soll aufgrund ihres oder seines Obdachlosenstatus diskriminiert werden.

"Ending Homelessness Award 2021"

Am Rande der Konferenz in Lissabon wurden 3 EU-Projekte, die vom Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) unterstützt worden waren, mit dem "Ending Homelessness Award 2021" ausgezeichnet. Den ersten Preis gewann das tschechische Projekt "Housing First" für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit in der mährisch-schlesischen Region, gefolgt von "Uma Mesa" aus Portugal zur Integration von Obdachlosen und dem italienischen Projekt von "Housing First" in Triest.

Hintergrund: "Europäische Säule der sozialen Rechte"

Die "Europäische Säule der sozialen Rechte" ist eine Initiative der Europäischen Kommission, mit der umfassende Reformen der europäischen Arbeitsmärkte und Sozialsysteme angestoßen werden sollen. Der 19. Grundsatz der insgesamt 20 Grundsätze umfassenden "Europäischen Säule für soziale Rechte" beinhaltet den Bereich "Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose". Dieser Grundsatz befasst sich mit Fragen wie dem Zugang zu Sozialwohnungen, angemessene Hilfe und Schutz gegen Zwangsräumungen sowie angemessene Unterkünfte und Dienstleistungen für Obdachlose mit dem Ziel, ihre soziale Inklusion zu fördern.

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