Stärkung der EU-Grundrechtecharta: Die Rechte der Menschen in der EU im nächsten Jahrzehnt

Am. 2. Dezember 2020 legte die EU-Kommission eine neue Strategie vor, um die Anwendung der Charta der Grundrechte in der EU zu stärken, welche vor 20 Jahren proklamiert wurde. Zu Ehren des Jubiläums findet am 7. Dezember 2020 eine Konferenz zum 20. Jahrestag statt.

EU-Charta
Foto: Europäische Kommission 2020

Ab 2021 wird die EU-Kommission einen Jahresbericht vorlegen, in dem untersucht wird, wie die Mitgliedstaaten die Charta in einem ausgewählten Themenbereich anwenden. Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, betonte: "Vor 20 Jahren wurde die EU-Grundrechtecharta erstmals proklamiert. Sie verkörpert die Werte unserer Union. Die Charta hat den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge. Ich möchte, dass die Menschen wissen, an wen und wohin sie sich wenden können, wenn ihre Rechte verletzt werden." Der für Justiz zuständige Kommissar Didier Reynders fügte hinzu: "Vor kurzem sind neue Herausforderungen für die Grundrechte aufgetaucht. Die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen sind ein aussagekräftiges Beispiel. Die Entwicklungen, die wir in der Gesellschaft gesehen haben, erfordern ein erneutes Engagement, um sicherzustellen, dass die Charta von der EU und ihren Mitgliedstaaten in vollem Umfang angewendet wird. Mehr denn je müssen wir die Charta in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen und sicherstellen, dass die Menschen effektiv auf ihre Grundrechte zugreifen können."

Die Strategie ergänzt den Europäischen Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie sowie den Bericht über Rechtsstaatlichkeit und veranschaulicht den umfassenden Ansatz der EU-Kommission zur Förderung und zum Schutz der Grundrechte und -werte der EU.

Die 4 Säulen der Strategie

Die Strategie konzentriert sich auf 4 Säulen für Maßnahmen und legt die Richtung der Umsetzung der Charta für die nächsten 10 Jahre fest:

  • Wirksame Anwendung durch die Mitgliedstaaten: Die Charta ist für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts bindend. Die EU-Kommission wird eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und ist bereit, sie im Dialog bei der wirksamen Umsetzung des EU-Rechts unter uneingeschränkter Einhaltung der Charta zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten werden gebeten, eine Charta-Kontaktstelle einzurichten, um die Koordinierung und den Informationsaustausch zu erleichtern. Ab 2021 wird die EU-Kommission jährlich über die Charta berichten und die Anwendung der Charta in den Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen genauer untersuchen. Der Bericht 2021 wird sich auf die Grundrechte im digitalen Zeitalter konzentrieren.
  • Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft: Die EU-Kommission wird die nationalen Maßnahmen, die sich auf die Aktivitäten der Zivilgesellschaft auswirken und gegen das EU-Recht verstoßen, genau überwachen und Maßnahmen ergreifen. Einige Mitgliedstaaten verfügen immer noch nicht über voll funktionsfähige nationale Menschenrechtsinstitutionen, die wichtige Verbindungen zwischen Regierung und Zivilgesellschaft darstellen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, solche Institutionen einzurichten und sicherzustellen, dass sie über die Mittel verfügen, um in völliger Unabhängigkeit zu arbeiten. Die EU-Kommission wird auch die Ausbildung von Richterinnen und Richtern, anderen Angehörigen der Rechtsberufe und Rechtsverteidigerinnen und -verteidiger im Zusammenhang mit der Charta fördern.
  • Die Charta als Kompass für EU-Institutionen: EU-Institutionen müssen die Charta bei allen ihren Handlungen einhalten. Die EU-Kommission wird ihre internen Kapazitäten zur Einhaltung der Charta stärken, unter anderem durch E-Learning, aktualisierte Leitlinien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Schulungspläne. Die EU-Kommission ist bereit, das Europäische Parlament und den Rat dabei zu unterstützen, sicherzustellen, dass sie die Charta bei ihrer Arbeit wirksam anwenden.
  • Sensibilisierung der Menschen: Eine kürzlich veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass 6 von 10 Befragten mehr über ihre Rechte erfahren möchten und wissen möchten, an wen sie sich wenden können, wenn ihre Rechte verletzt werden. Die EU-Kommission wird eine Informationskampagne zur Charta starten und das Programm Erasmus+ nutzen, um junge Menschen zu sensibilisieren. Die EU-Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, auch eigene Initiativen zur Sensibilisierung zu entwickeln.

Die nächsten Schritte

Angesichts der Schlüsselrolle der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Strategie fordert die EU-Kommission den Rat auf, Schlussfolgerungen mit Folgemaßnahmen vorzubereiten. Im Jahr 2025 wird die EU-Kommission über die Umsetzung dieser Strategie Bericht erstatten.

Online-Diskussion über die Rolle der Grundrechtecharta der EU

20 Jahre EU-Charta
Foto: Europäischen Union für Grundrechte

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission eine Online-Diskussion über die Rolle der Grundrechtecharta der EU. Diese Veranstaltung wird sich sowohl auf die Herausforderungen als auch auf die Chancen konzentrieren, die sich für den Schutz des Grundrechtsschutzes im nächsten Jahrzehnt ergeben.  

Führende europäische Politikerinnen und Politiker sowie Expertinnen und Experten werden ihre Erkenntnisse darüber teilen, wie die Charta in der sich schnell verändernden Realität gestärkt und effektiv angewendet werden kann. 

Nach der Debatte findet eine Präsentation der Expertinnen und Experten der Agentur für Grundrechte über die Instrumente und praktischen Leitlinien der EU-Grundrechtecharta statt. Diese Folgesitzung von FRA-Expertinnen und -Experten wird die Unterstützung und Ressourcen der FRA im Zusammenhang mit der Grundrechtecharta vorstellen und zwischen 11:45 und 12:15 Uhr stattfinden. Sie ist nur für eine begrenzte Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern verfügbar.

Hintergrundinformationen: Charta der Grundrechte der EU

Die Charta der Grundrechte der EU, welche am 7. Dezember 2000 unterzeichnet worden ist, definiert in übersichtlicher Form die Rechte und Freiheiten der Menschen, die in der Europäischen Union leben. Diese Rechte sind von den Organen und Institutionen der EU sowie von den Mitgliedstaaten, wenn sie EU-Recht umsetzen, zu achten und zu garantieren. Zum ersten Mal wird in der Grundrechtecharta die Gesamtheit der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie aller im Hoheitsgebiet der Union lebenden Personen zusammengefasst. Dabei führt die Grundrechtecharta jedoch selbst keine neuen Rechte ein, sondern vereinigt die bestehenden, in unterschiedlichen Quellen verankerten Rechte in einem Dokument. Die Charta gliedert sich in 6 große Kapitel, welche die wesentlichen Rechte beschreiben: 

  • Würde des Menschen
  • Freiheiten
  • Gleichheit
  • Solidarität
  • Bürgerrechte
  • Justizielle Rechte

Nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 erhielt die Charta der Grundrechte der EU Rechtsverbindlichkeit. Das heißt, dass die Unionsbürgerinnen und -bürger ihre Grundrechte auf dem Rechtsweg einklagen können. Die Grundrechtecharta soll jedoch nicht in Konkurrenz zu nationalen Grundrechten stehen: Wenn nationale Verfassungen in den EU-Mitgliedstaaten weitgehende Grundrechte garantieren, so werden diese nicht berührt. Die Charta steht im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.

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