Bundeskanzler Kurz: Europäische Solidarität soll bei Impfstoffverteilung sichergestellt werden

EU-Videogipfel am 25. März 2021 beriet über Impfstoffversorgung, transatlantische Beziehungen und Verhältnis zur Türkei – Österreich tritt für gerechtere Verteilung der verfügbaren Impfstoffdosen ein

Videokonferenz EU-Rat
Foto: BKA/Dragan Tatic

Die Staats- und Regierungsspitzen trafen sich am 25. März 2021 per Videokonferenz zum Europäischen Rat, um die weiteren gemeinsamen Schritte gegen die Covid-19-Pandemie zu diskutieren. Topthema des Austauschs war die Beschleunigung von Produktion und Lieferung der bisher knapp verfügbaren Impfstoffe gegen das Coronavirus. Zudem standen Beratungen der EU-Staats- und Regierungsspitzen über die Beziehungen zur Türkei und eine Zuschaltung des amerikanischen Präsidenten am Programm.

Impfen im Fokus: Initiative Österreichs für bessere Verteilung der Impfstoffe "im Geiste der Solidarität"

Die EU-27 nahmen eine Bestandsaufnahme der Bereitstellung von Impfstoffen und der epidemiologischen Lage vor und berieten über die koordinierte Reaktion auf die durch die Pandemie verursachte Krise. Für Diskussionen hatte bereits im Vorfeld die knappe Verfügbarkeit der Impfstoffdosen und deren Verteilung gesorgt. Auf Initiative von Bundeskanzler Sebastian Kurz gemeinsam mit den Amtskollegen aus Bulgarien, Kroatien, Lettland, Slowenien und Tschechien war das Thema der ungleichen Verteilung auf die Agenda des Treffens gekommen. Das Ungleichgewicht bei der Impfstoffverteilung liegt bis dato daran, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten die ihnen nach Bevölkerungszahl zustehenden Mengen gekauft haben. Die Lieferschwierigkeiten des Impfstoff-Herstellers AstraZeneca hatten zur Folge, dass einige Staaten ihre Impfpläne ändern mussten und mit den Impfungen in Verzug geraten sind.

Beim Video-Gipfel haben die EU-Staats- und -Regierungsspitzen nun vereinbart, 10 Millionen zusätzlicher Impfdosen des Herstellers BioNTech/Pfizer im zweiten Quartal 2021 zu nutzen, um die bestehenden Differenzen in der Verteilung "im Geiste der Solidarität" auszugleichen. Auch Österreich könnte davon profitieren. Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich über diese Lösung "froh, erleichtert und zufrieden. Wir haben uns intensiv dafür eingesetzt, dass sich die Kluft innerhalb der EU bei der Durchimpfung der Bevölkerung nicht weiter vergrößert. Ein Drittel der Mitgliedstaaten hat sich vehement für eine gerechtere Verteilung des Impfstoffes innerhalb der Europäischen Union ausgesprochen und auch dafür, dass dieser gleichmäßiger ausgeliefert werden soll. Auch zahlreiche Länder, die davon nicht profitieren würden, haben sich trotzdem für mehr Solidarität ausgesprochen", betonte der österreichische Regierungschef. Die Detailumsetzung werde ab jetzt von den Ständigen Vertreterinnen und Vertretern der EU-Staaten in Brüssel durchgeführt, die weisungsgebunden seien und dem Einstimmigkeitsgebot unterliegen würden, nicht mehr durch Expertinnen und Experten der Gesundheitsministerien (Lenkungsausschuss). Bundeskanzler Kurz dankte EU-Ratspräsident Charles Michel, dem aktuellen portugiesischen Ratsvorsitzenden António Costa und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Bemühungen, mit diesem Korrekturmechanismus eine gute und akzeptable Lösung für alle Mitgliedstaaten herbeizuführen.

EU-Videogipfel Charles Michel
Foto: Europäische Union

Mehr Tempo bei der Impfkampagne: Bis Ende Juni 2021 sollen 360 Millionen Impfdosen geliefert werden

Die Impfkampagne soll nun jedenfalls an Fahrt aufnehmen. In den nächsten 3  Monaten bis Ende Juni 2021 soll etwa dreimal so viel Impfstoff kommen wie seit Jahresbeginn, machte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen klar. Bislang sind von den knapp 450 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern 62 Millionen mindestens einmal geimpft worden und 18,2 Millionen Menschen zweimal. Die EU-Staaten sollen bis zum 31. März 2021 rund 100 Millionen Impfdosen erhalten. Bis dato haben Pharmakonzerne den EU-Mitgliedstaaten rund 88 Millionen Impfdosen geliefert. Für die Monate April bis Juni 2021 haben Pharmakonzerne insgesamt rund 360 Millionen Impfdosen zugesagt. Man verfolge weiterhin gemeinsam das Ziel, bis Sommer 2021 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der EU zu impfen, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zugleich gingen seit 1. Dezember 2020 77 Millionen Dosen aus der EU in den Export, davon allein 21 Millionen Dosen nach Großbritannien. Daher hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 24. März neue Instrumente vorgeschlagen, um mehr Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit bei Exporten in andere Impfstoff produzierende Staaten zu erreichen und sicherzustellen, dass ein "fairer Anteil" in der EU bleibt. "Ich habe daher, gemeinsam mit vielen anderen, Ursula von der Leyen bei ihren Verhandlungen mit den Impfstoffherstellern den Rücken gestärkt, damit sie eine Möglichkeit hat, auf die Einhaltung der Verträge zu drängen", betonte Bundeskanzler Kurz.

Covid Vaccination Center - Brussels
Foto: © EU/Centonze Claudio

Türkei: Stärkere Anreize für mehr Kooperation – Menschenrechtssituation weiterhin herausfordernd

Bei den Gesprächen zur Türkei wurde vereinbart, dem Land wegen der Deeskalation des Erdgasstreits in der Nähe der griechischen Inseln und vor Zypern und der daraus resultierenden Entspannung der Lage im östlichen Mittelmeerraum eine engere Partnerschaft in Aussicht zu stellen. Konkret sollen die Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion starten, was vor allem dem Handel im Agrar- und Dienstleistungsbereich zugutekommen könnte. Auch eine Visaliberalisierung ist Teil der möglichen Schritte hin zu mehr Kooperation. Bei Zollunion und Visaliberalisierung würde die EU jedoch "in einer abgestuften, verhältnismäßigen und umkehrbaren Weise" vorgehen; konkrete Beschlüsse sollen beim Europäischen Rat im Juni 2021 fallen. In der Migrationspolitik soll die Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Grenzschutz, Bekämpfung illegaler Migration und Rückführungen im Licht der Erklärung EU-Türkei von 2016 gestärkt werden. Als Anreiz dafür bereitet die Europäische Kommission weitere Finanzhilfen für die Versorgung von knapp 4 Millionen syrischen Migrantinnen und Migranten auf türkischem Staatsgebiet vor. "Auch wenn sich das Verhältnis mit der Türkei etwas entspannt hat, macht uns die Menschenrechtssituation weiterhin große Sorgen. Sowohl den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen als auch den Versuch, eine Oppositionspartei zu verbieten, erachte ich für sehr problematisch", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz. In der Erklärung zum Abschluss des Treffens betonen die Staats- und Regierungsspitzen daher auch, dass die Menschenrechtssituation in der Türkei weiterhin ein "zentrales Anliegen“ der EU bleibe.

Videokonferenz mit dem US-amerikanischen Präsidenten Biden
Foto: BKA/Dragan Tatic

Transatlantische Beziehungen: US-Präsident Biden virtuell zu Gast

Am 25. März 2021 nahm US-Präsident Joe Biden digital an den Beratungen der EU-Staats- und Regierungsspitzen teil, um gemeinsam den Neustart der transatlantischen Beziehungen zu würdigen. Biden betonte den Kampf gegen die Covid-19-Pandemie und gegen den Klimawandel sowie die gegenseitigen Handelsbeziehungen als prioritär in der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, aber auch außenpolitische Fragen vor allem mit Blick auf Russland oder China. "Wir hatten einen guten Austausch mit US-Präsident Joe Biden über gemeinsame Herausforderungen, wie die Covid-19-Pandemie und den Klimawandel. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen braucht es eine starke transatlantische Partnerschaft", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Weitere Themen auf der Agenda: Digitaler Wandel, internationale Rolle des Euro, Beziehungen zu Russland

Zudem ging es um die Themenbereiche Prioritäten für den Binnenmarkt, die Industriepolitik und den digitalen Wandel. Die EU-Staats- und Regierungsspitzen befassten sich mit dem Digitalen Kompass, einschließlich der Ziele für 2030, und prüften das Vorgehen hinsichtlich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Hier müsse eine Balance zwischen digitaler Souveränität und offenen Märkten gefunden werden, betonte Ratspräsident Charles Michel. Auch die internationale Rolle des Euro sowie die Beziehungen zu Russland wurden erörtert.

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