EU-Kommission: 77 Millionen Euro an Soforthilfen für wirtschaftlich gefährdeten Agrarsektor

Strenger Frost im Frühjahr 2024 setzte Landwirtschaft in Österreich, Tschechien und Polen zu – Portugal kämpft mit Marktungleichgewicht am Weinmarkt – 10 Millionen Euro stehen Österreich zur Verfügung

Eine landwirtschaftliche Maschine, die nach der Ernte Strohballen auf einem Feld formt

Landwirtinnen und Landwirte in mehreren Ländern Europas sahen sich 2024 besonders widrigen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Im Frühjahr 2024 war in der Tschechischen Republik sowie in Teilen Österreichs und Polens nach ungewöhnlich milden Temperaturen im März ein besonders strenger Frost eingefallen, welcher große Auswirkungen auf die Obstplantagen und Rebflächen hatte. In Polen kam es zudem durch Hagel zu weiteren Schäden. In Portugal entwickelten sich schwerwiegende Marktstörungen im Weinmarkt, die Weinerzeugungsbetrieben zusetzten. Nach Angaben der Europäischen Kommission waren und sind die betroffenen Betriebe in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet.

77 Millionen Euro für betroffene Landwirtschaft in 4 Staaten

Vor diesem Hintergrund entschied sich die Europäische Kommission, 77 Millionen Euro aus der Agrarreserve bereitzustellen, um den betroffenen Landwirtinnen und Landwirten unter die Arme zu greifen. Mit den von den EU-Mitgliedstaaten angenommenen Vorschlägen der EU-Kommission werden 10 Millionen Euro für Österreich, 15 Millionen Euro für die Tschechische Republik, 37 Millionen Euro für Polen und 15 Millionen Euro für Portugal bereitgestellt. Die EU-Unterstützungen können um bis zu 200 Prozent mit nationalen Mitteln aufgestockt werden. Nationale Behörden sollen die Beihilfen direkt an die betroffenen Betriebe übermitteln, um deren wirtschaftliche Einbußen zu überbrücken. Österreich, die Tschechische Republik, Portugal und Polen müssen der EU-Kommission über die Maßnahmenumsetzung Bericht erstatten – konkret darüber, welche Kriterien für die Berechnung der Einzelbeihilfen herangezogen werden, wie die beabsichtigten Auswirkungen gesetzter Hilfen aussehen, deren Bewertung und welche Maßnahmen Wettbewerbsverzerrungen sowie Überkompensation vermeiden sollen.

Die Zahlungen an Landwirtinnen und Landwirte im Rahmen der finanziellen Soforthilfe für Österreich, die Tschechische Republik und Polen müssen bis 31. Jänner 2025 geleistet werden, während die Unterstützung für eine befristete, außergewöhnliche Krisendestillation für Portugal bis 30. April 2025 ausgezahlt werden muss.

Kommissar Wojciechowski: "EU-Kommission steht Agrarbetrieben zur Seite"

"Mit dieser Soforthilfe leistet die Europäische Kommission dringend benötigte Hilfe für die Landwirtinnen und Landwirte in Österreich, Tschechien, Polen und Portugal. Die dramatischen Klimakrisen und Marktstörungen, denen diese Landwirtinnen und Landwirte ausgesetzt sind, zeigen erneut, wie wichtig eine starke Agrarreserve im GAP-Haushalt ist, um angesichts zunehmend schwerer und unvorhersehbarer Krisen Stabilität zu gewährleisten. Die Tragfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe ist entscheidend für die Stabilität unserer Gesellschaft. Daher wird die EU-Kommission ihnen jetzt und in Zukunft in Notsituationen zur Seite stehen", erklärte Janusz Wojciechowski, Kommissar für Landwirtschaft.

Situation in Portugal: Krisendestillation aufgrund von Weinüberproduktion

Im Fall Portugals kam es zu einem großen Anstieg der Weinbestände. Grund dafür ist ein Rückgang der Verkäufe von Rotwein im Jahr 2024 parallel zu einem Produktionsanstieg im Vorjahr. 2023 war Portugal das EU-Mitgliedsland mit dem höchsten Produktionsanstieg im Vergleich zum Jahr davor. Die Europäische Kommission fördert in diesem Kontext eine befristete Krisendestillation im Land, um einen Teil der überschüssigen Mengen abzubauen und den Markt in ein Gleichgewicht zurückzuführen. Konkret soll der durch Destillation gewonnene Alkohol nur für industrielle Zwecke wie Pharma-Produkte und Desinfektion oder im Energiebereich zugelassen werden. Auch Portugal muss der Europäischen Kommission berichten, wie die Maßnahmen verlaufen, insbesondere über die in den einzelnen Regionen aus dem Markt genommenen Weinmengen.

Als weitere Reaktion rief die Europäische Kommission eine hochrangige Gruppe für Weinpolitik ins Leben, die bis Anfang 2025 Empfehlungen für künftige politische Entscheidungen äußern soll. Die Schaffung dieser Gruppe beabsichtigt, den umfassenderen Herausforderungen im EU-Weinsektor Rechnung zu tragen.

Hintergrund: Sofortmaßnahmen im Agrarsektor

Der Agrarsektor hängt von klimatischen Bedingungen und natürlichen Ressourcen ab, was zahlreiche Risiken mit sich bringt. Das wirtschaftliche Auskommen vieler Betriebe kann durch widrige Witterungsverhältnisse, Seuchen, Schädlingsbefall oder auch Marktungleichgewichte bedroht werden.

Die Europäische Kommission schuf durch das rechtliche Instrumentarium der Sondermaßnahmen der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) daher einen Weg, verschiedene Arten von Krisen flexibel zu bewältigen. Diese Sofortmaßnahmen wurden bei der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) weiterentwickelt. Von 1. Jänner 2014 bis Ende 2023 konnte die Europäische Kommission 63 Sondermaßnahmen erlassen, um Landwirtinnen und Landwirte sowie Erzeugerinnen und Erzeuger zu unterstützen, die von gestiegenen Produktionskosten, Produktionsausfällen, Preissenkungen oder Unterbrechungen der Lieferketten betroffen waren. Durch diese Maßnahmen flossen mehr als 2,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget in den Agrarsektor der EU.

Weiterführende Informationen