Europäische Kommission veröffentlicht Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in der EU 2024

5. Ausgabe zeigt: EU besser für Herausforderungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit gerüstet – Analysierte Themenbereiche: Justizsysteme, Korruptionsbekämpfung, Medienfreiheit und -pluralismus, weitere institutionelle Fragen im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung – Erstmals Kapitel zu 4 Westbalkan-Staaten

Gerichtshammer
Foto: EU/Centonze Claudio

Die Europäische Kommission hat am 24. Juli 2024 ihren 5. jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Der Bericht untersucht systematisch und objektiv die Entwicklungen in allen EU-Mitgliedstaaten auf Grundlage einer einheitlichen Methodik. Nach Angaben der Kommission hat sich seit der Veröffentlichung des ersten Berichts über die Rechtsstaatlichkeit im Jahr 2020 die Fähigkeit der Mitgliedstaaten und der EU insgesamt, neue Herausforderungen zu erkennen und zu bewältigen sowie Probleme zu verhindern, erheblich verbessert. Dies stärke nicht nur die Resilienz der europäischen Demokratien, sondern fördere auch das Vertrauen in die EU, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und schaffe günstige Bedingungen für Unternehmen, die auf Wettbewerbsfähigkeit sowie nachhaltiges Wachstum abzielen, so der Bericht.

Exekutiv-Vizepräsidentin Jourová: "Sind gegenwärtig viel besser für Herausforderungen gerüstet"

Věra Jourová, Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, zuständig für Werte und Transparenz, sagte zum diesjährigen Bericht: "Rechtsstaatlichkeit hält unsere Demokratien zusammen und schützt unsere Rechte. Ohne Rechtsstaatlichkeit versänken unsere Demokratien und Volkswirtschaften im Chaos. Im Einklang mit unseren gemeinsamen Werten haben wir 5 Jahre lang am EU-Instrumentarium zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit gearbeitet und sind gegenwärtig viel besser für Herausforderungen gerüstet. Die Arbeit an der Rechtsstaatlichkeit fördert den stetigen Dialog mit den Mitgliedstaaten." Der diesjährige Bericht zeige, dass die Mitgliedstaaten die Rechtsstaatlichkeit verbesserten und stärkten, so Jourová. Es blieben jedoch in mehreren Mitgliedstaaten Bedenken in verschiedenen Kategorien bestehen.

EU-Kommissar Didier Reynders, zuständig für Justiz, ergänzte: "5 Jahre nach dem ersten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit sind wir besser aufgestellt, um sich abzeichnende Herausforderungen für die Rechtsstaatlichkeit zu erkennen, zu verhindern und zu meistern." Die Rechtsstaatlichkeit zu stärken sei eine dauerhafte Aufgabe für alle EU-Mitgliedstaaten und Erweiterungsländer, betonte Reynders.

Länderkapitel zu 4 Westbalkan-Staaten ergänzen erstmals den Bericht

Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2020 habe sich der Bericht als eine echte Triebfeder für positive Reformen etabliert, so die Europäische Kommission. Demnach wurden zwei Drittel der im Jahr 2023 gegebenen Empfehlungen vollständig oder zumindest teilweise umgesetzt. Der diesjährige Bericht enthält zum ersten Mal Länderkapitel zu Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, um deren Reformbemühungen zu unterstützen und die Behörden in ihrem EU-Beitrittsprozess zu fördern. Dies unterstütze sie, als künftige Mitgliedstaaten der EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit weitere Fortschritte zu erzielen, so die Europäische Kommission.

Zudem umfasst der Bericht 2024 wie in den Vorjahren eine Mitteilung zur Lage in der EU insgesamt und 27 Länderkapitel zu den EU-Mitgliedstaaten, welche die wesentlichen Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten darstellen. Er bewertet die Empfehlungen des Vorjahres und richtet spezifische Empfehlungen an die jeweiligen Mitgliedstaaten. Dabei deckt der Bericht 4 Hauptthemen ab:

  1. Nationale Justizsysteme

Im Bereich der Justizreformen hätten laut Bericht viele Mitgliedstaaten die Empfehlungen des Vorjahres umgesetzt und im Rahmen des EU-Aufbauplans vereinbarte Reformen durchgeführt. Mehrere Staaten hätten wichtige Reformen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durchgeführt, darunter gesetzgeberische Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit und Effektivität der Justiz sowie zur Verbesserung der Ernennungsverfahren für Richterinnen und Richter. Dennoch würden in einigen Ländern systemische Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz bestehen bleiben; in bestimmten Fällen wurden Verschlechterungen festgestellt. Die Effizienz und Qualität der Justizsysteme habe sich verbessert, so die Kommission in ihrem Bericht, jedoch bestünden weiterhin Bedenken bezüglich der Vergütung und Einstellung von qualifiziertem Justizpersonal.

In den Erweiterungsländern seien wichtige Reformen durchgeführt worden, um die Unabhängigkeit und Qualität der Justiz zu stärken. Weitere Arbeiten seien jedoch erforderlich, insbesondere bezüglich der Selbstverwaltungsorgane der Justiz und der Ernennung von Richterinnen und Richtern.

  1. Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung

Viele EU-Bürgerinnen und -Bürger sind der Meinung, dass Korruptionsfälle auf hoher Ebene nicht ausreichend verfolgt würden, und nur wenige sehen die Bemühungen der nationalen Regierungen als effektiv an, so die Ergebnisse einer am 24. Juli von der Europäischen Kommission veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage. Des Weiteren würden viele Unternehmen diese Besorgnis teilen und auf negative Auswirkungen von Korruption und Günstlingswirtschaft hinweisen. Nach Angaben des Berichts haben die EU-Mitgliedstaaten seit dem letzten Jahr ihre Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung verstärkt. Weitere Maßnahmen seien erforderlich, um präventive Rahmenbedingungen zu stärken und eine effektive Verfolgung von Korruptionsfällen sicherzustellen. In den Erweiterungsländern seien die rechtlichen und institutionellen Regelungen gestärkt worden. Die Kommission betont jedoch, dass Ermittlung und Verfolgung von Korruptionsfällen weiter intensiviert werden müssten.

  1. Medienfreiheit und -pluralismus

Nach Angaben des Berichts haben im Bereich der Medienfreiheit und des Pluralismus mehrere EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten ergriffen. Es bestünden jedoch weiterhin Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit und Finanzstabilität öffentlich-rechtlicher Medien, der Transparenz der Eigentumsverhältnisse und der gerechten Vergabe staatlicher Werbung. Die Erweiterungsländer stünden demnach vor Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Transparenz von Medieneigentum und der Unabhängigkeit der Medien sowie der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten.

  1. Weitere institutionelle Fragen im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung

Aus dem Bericht geht hervor, dass die institutionelle Gewaltenteilung in vielen EU-Mitgliedstaaten durch verbesserte Gesetzgebungsverfahren und erhöhte Ressourcen für unabhängige Behörden gestärkt worden sei. Jedoch bestünden aus Sicht der Europäischen Kommission weiterhin Herausforderungen, etwa wie die übermäßige Nutzung beschleunigter Verfahren und gesetzliche Einschränkungen für die Zivilgesellschaft. In den Erweiterungsländern würden Herausforderungen bezüglich der Umsetzung von Ombudspersonen-Empfehlungen und der Qualität der Rechtsetzung bestehen bleiben.

Die nächsten Schritte

Die Europäische Kommission ruft das Europäische Parlament, den Rat der EU, nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft dazu auf, den Dialog über die Rechtsstaatlichkeit fortzusetzen sowie die Empfehlungen des Berichts umzusetzen. Sie plant, die Berichterstattung weiter zu verbessern und eine Binnenmarktdimension hinzuzufügen, um Fragen der Rechtsstaatlichkeit zu behandeln, die Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), welche grenzüberschreitend tätig sind, betreffen. Weitere Erweiterungsländer sollen in den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit einbezogen werden, sobald sie bereit sind, so die EU-Kommission.

Eurobarometer-Umfrage: Mehr als die Hälfte der Europäerinnen und Europäer fühlt sich gut über Rechtsstaatlichkeit informiert

Laut einer ebenfalls am 24. Juli 2024 veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage stimmen über 70 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger darin überein, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit spielt. Fast 90 Prozent halten es für wichtig, dass alle Mitgliedstaaten die Grundwerte der EU respektieren. Die Wahrnehmung, über die Grundwerte der EU gut informiert zu sein, hat sich seit 2019 deutlich verbessert: 51 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger fühlen sich gut über diese Werte und die Rechtsstaatlichkeit informiert; 2019 waren es 43 Prozent gewesen.

Hintergrund: Der jährliche Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in der EU

Die Veröffentlichung des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit und die vorbereitenden Arbeiten mit den Mitgliedstaaten erfolgen jährlich im Rahmen des sogenannten "Rechtsstaatlichkeitsmechanismus". Dieser nimmt eine Sonderstellung ein und ergänzt weitere Instrumentarien der EU zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit, wie etwa Vertragsverletzungsverfahren, das Verfahren zum Schutz der Grundwerte der Union nach Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union sowie die Konditionalitäten-Verordnung zum Schutz des EU-Haushaltes.

Ziel des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ist es, das Verständnis und die Sensibilisierung für Fragen und wichtige Entwicklungen zu verbessern, Herausforderungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit frühzeitig zu erkennen und die Mitgliedstaaten, unter Mitwirkung der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten, bei der Suche nach Lösungen zu unterstützen sowie durch "Best Practice"-Beispiele voneinander zu lernen. Im Mittelpunkt steht der Gedanke der Prävention. Der jährliche Bericht beleuchtet die Lage in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die 4 Schlüsselbereiche und basierend auf objektiven Kriterien; alle Länder werden anhand derselben Methodik bewertet.

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