Europaministerin Edtstadler: Können uns weitere Instabilitätsfaktoren nicht leisten
Rat "Allgemeine Angelegenheiten" berät in Brüssel zu Westbalkan-Erweiterung und Ukraine – Vorbereitung der Tagungen des Europäischen Rates im Mai und Juni 2022 – Ergebnisse der "Konferenz zur Zukunft Europas" und Artikel 7-Verfahren gegen Ungarn im Fokus
"Es ist 3 Monate her, dass der Angriff auf die Ukraine gestartet wurde. Die Situation ist nach wie vor schwierig. Als Europaministerinnen und Europaminister bereiten wir heute das Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs Ende Mai, aber auch das reguläre Treffen im Juni 2022 vor. Neben der Energie- und Versorgungssicherheit der Europäischen Union spielt natürlich auch die europäische Verteidigungs- und Sicherheitsarchitektur eine große Rolle. Daneben haben wir Themen wie die Anhörung Ungarns im Artikel 7-Verfahren und die 'Konferenz zur Zukunft Europas' auf der Agenda", erklärte Europaministerin Karoline Edtstadler vor dem Rat "Allgemeine Angelegenheiten" am 23. Mai 2022 in Brüssel. Im Rahmen einer Außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates (30. und 31. Mai 2022) werden sich die Staats- und Regierungsspitzen der 27 EU-Mitgliedstaaten mit den folgenden Themen befassen: Ukraine, Verteidigung, Energie und Ernährungssicherheit.
Edtstadler: Der Ukraine nicht im Wege stehen, aber auch den Westbalkan nicht vergessen
In Bezug auf das EU-Beitrittsansuchen der Ukraine hielt Edtstadler fest, dass es nun Sache der Europäischen Kommission sei zu überprüfen, ob die Ukraine die Voraussetzungen, insbesondere die Kopenhagener Kriterien, erfülle. Sollte hier seitens der Kommission "grünes Licht" gegeben werden, werde Österreich nicht im Wege stehen. "Ich sage aber auch in aller Deutlichkeit, dass wir auch die Länder des Westbalkans nicht vergessen dürfen", so Edtstadler, die einmal mehr klar zum Ausdruck brachte, dass sie sich hier von der französischen Ratspräsidentschaft weitere Schritte insbesondere in Richtung Albanien und Nordmazedonien erwarte. "Albanien und Nordmazedonien warten jetzt seit 2 Jahren auf den nächsten Schritt. Wir sind in einer Situation, wo wir es uns schlicht und ergreifend nicht leisten können, weitere Instabilitätsfaktoren zu kreieren. Europa muss jetzt umdenken und wenn wir großzügig denken, dann muss das selbstverständlich in erster Linie auch für den Westbalkan gelten."
"Konferenz zur Zukunft Europas": Offen sein für andere Zugänge
Der französische EU-Ratsvorsitz informierte den Rat "Allgemeine Angelegenheiten" zudem über die EU-Zukunftskonferenz, die am 9. Mai 2022 abgeschlossen worden ist. Anschließend fand darüber ein Gedankenaustausch der Europaministerinnen und -minister statt. Den 3 Ko-Vorsitzenden der "Konferenz zur Zukunft Europas" war am 9. Mai 2022 ein Abschlussbericht mit 49 Vorschlägen und über 300 konkreten Maßnahmen überreicht worden. Die Europaministerinnen und -minister befassten sich am 23. Mai 2022 mit der Methodik für das weitere Vorgehen, soweit es den Rat betrifft:
- Das Generalsekretariat des Rates wird in Kürze ein Dokument vorlegen, in dem die Modalitäten für die Umsetzung der Vorschläge analysiert werden.
- Auf dieses Dokument könnte sich der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" stützen, wenn er auf seiner nächsten Tagung am 21. Juni 2022 erneut auf dieses Thema zurückkommt.
Zur "Konferenz zur Zukunft Europas" hielt die Europaministerin fest, dass es ihr wichtig sei, dass die Bürgerinnen und Bürger das notwendige Gehör fänden. Sie halte es auch für unerlässlich, eine Kategorisierung der Vorschläge vorzunehmen, denn es seien einige dabei, die man rasch umsetzen könne. Für andere Anregungen wäre eine Vertragsänderung notwendig. Österreich habe sich immer offen gezeigt: "Wenn wir über die Zukunft Europas sprechen – und das ist jetzt notwendiger denn je – dann müssen wir auch offen sein, was tatsächlich andere Zugänge für die Zukunft und auch eine Vertragsänderung betrifft."
Europaministerin für Verankerung des Konditionalitätsmechanismus im Vertragswerk
Im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV (Vertrag über die Europäische Union) hielt der Rat am 23. Mai 2022 auch eine Anhörung zu Rechtsstaatlichkeit in Ungarn ab. Dabei ging es um die Fragen, die das Europäische Parlament in seinem begründeten Vorschlag vom September 2018 aufgeworfen hatte, mit dem dieses Verfahren eingeleitet wurde. In den Gesprächen ging es insbesondere um die Unabhängigkeit der Justiz, die Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems, die Meinungsfreiheit und die Bekämpfung der Korruption. Ungarn war zuvor bereits 3 Mal vom Rat angehört worden: am 16. September und 10. Dezember 2019 sowie am 22. Juni 2021.
Hinsichtlich des Artikel 7-Verfahrens gegen Ungarn, das bereits während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes 2018 eingeleitet worden war und nun schon viel zu lange dauere, verwies Edtstadler auf den Konditionalitätsmechanismus, der nach ihrer Ansicht in den Verträgen verankert werden sollte. Wie es nach der Anhörung weitergehe, sollte Inhalt der Zukunftsgespräche sein, so die Europaministerin: "Alleine der Umstand, dass die Rechtsstaatlichkeit immer wieder auf der Tagesordnung steht, zeigt, wie wichtig sie der Union, aber auch Österreich ist. Das ist unser gemeinsames Wertefundament und darüber müssen wir reden. In welcher Form das zukünftig sinnvoll ist, darüber sollten wir nachdenken."