10 Lehren aus der Covid-19-Pandemie: EU-Kommission präsentiert erste Bilanz der "Corona-Monate"
Entwicklung eines Systems zur Sammlung von Pandemie-Informationen in der EU, ein Rahmen für den Ausruf eines "Pandemie-Notstands" in der EU und eine europaweite Plattform für klinische Studien – dies sind einige der Lehren, welche die Europäische Kommission aus der Covid-19-Pandemie zieht
Am 15. Juni 2021 hat die Europäische Kommission einen Bericht über erste Lehren aus der Coronavirus-Pandemie präsentiert. Das Dokument zählt in 10 Punkten auf, was künftig verbessert werden kann. Diese Bilanz dient als Basis für weitere Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene im Sinne einer besseren Antizipation von Gesundheitsrisiken und einer rascheren Notfallplanung, um schneller und wirksamer auf allen Ebenen gegenzusteuern.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: Erkenntnisse für künftige Pandemien nutzen
Die europäischen Institutionen haben aufgrund der Covid-19-Pandemie eine Reihe von gesundheitspolitischen Maßnahmen gesetzt, etwa die gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen oder die Einführung von "Green Lanes" zur Absicherung von grenzüberschreitenden Lieferungen im gesamten Binnenmarkt. Die Produktion von Impfstoffen wurde jedoch zu Beginn durch fehlende Herstellungs- und Produktionskapazitäten in der EU erschwert. Im Juni 2021 konnte das "digitale grüne Zertifikat der EU" verabschiedet werden, welches Mobilität und Tourismus erleichtern sowie sichere Reisen im Sommer 2021 ermöglichen soll. Durch den EU-Aufbauplan sollen zudem die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise abgefedert werden.
Um auf künftige Gesundheitsbedrohungen und -krisen reagieren zu können, sind nachhaltige Lösungsansätze erforderlich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte dazu: "Das Gegensteuern der EU in der Pandemie war beispiellos und erfolgte in Rekordzeit. Das zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit in Europa ist. Kein Mitgliedstaat hätte alleine das erreichen können, was wir gemeinsam geschafft haben. Wir haben gesehen, was gut funktioniert – und wo im Hinblick auf künftige Pandemien noch Handlungsbedarf besteht. Diese Erkenntnisse müssen wir nun nutzen." EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ergänzte: "Wir müssen diese beispiellose Gesundheitskrise als Chance sehen, gestärkt daraus hervorzugehen. Was wir bisher aus der Coronavirus-Krise gelernt haben, ist, dass wir Ad-hoc-Gegenmaßnahmen langfristig nutzen sollten, um künftig besser vorbereitet zu sein. (…) Jeder Tag zählt, wenn es um eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit oder um eine Pandemie geht. Sofortmaßnahmen setzen allerdings die nötigen Strukturen voraus. Solidarität, Verantwortung und ein geschlossenes Auftreten auf EU-Ebene helfen uns, diese Krise und mögliche neue Krisen zu überwinden."
Gestärkt aus der Covid-19-Pandemie kommen – 10 Lehren für die Zukunft
Die 10 Punkte zeigen auf, was EU, Nationalstaaten und andere Akteure besser hätten machen können – und auch, was künftig verbessert werden kann. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt eine erste Analyse aus Sicht der EU-Kommission dar:
- Führungsrolle der EU bei Datensammlung und -analyse: Die Coronavirus-Pandemie hat die Bedeutung der raschen Erkennung der jeweiligen epidemiologischen Lage erhöht. Dies erfordert ein besseres, vergleichbares System zur Sammlung von Pandemie-bezogenen Informationen in der EU und im Idealfall auf globaler Ebene. Noch in diesem Jahr wird ein neues und verbessertes System zur Sammlung von Pandemie-Informationen auf europäischer Ebene eingerichtet.
- Klarere und besser koordinierte wissenschaftliche Beratung: Politische Entscheidungen und die öffentliche Kommunikation würden durch eine fundierte wissenschaftliche Beratung erleichtert. Bis Ende des Jahres 2021 sollte die EU eine leitende Epidemiologin beziehungsweise Epidemiologen ernennen und eine entsprechende Governance-Struktur einrichten.
- Investitionen in Prävention: Bessere Vorsorge erfordert kontinuierliche Investitionen, Kontrollen und Überprüfungen. Die Europäische Kommission sollte jährlich über den Stand der Vorsorgemaßnahmen Bericht erstatten.
- Rahmenbedingungen für Notfallsituationen: Notfallinstrumente müssen schneller und leichter einsetzbar sein, so die EU-Kommission. Die EU sollte die Voraussetzungen zum Ausrufen eines "Pandemie-Notstands" in der EU prüfen und ein Instrumentarium für künftige Krisensituationen schaffen.
- Verstärkte Koordination auf EU-Ebene: Die Pandemie hat gezeigt, dass innerhalb der EU (zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch zwischen den europäischen Institutionen) eine verstärkte Koordination der Maßnahmen und optimierte Arbeitsabläufe erforderlich sind. Zu diesem Zweck plant die EU-Kommission noch für dieses Jahr den Beschluss einer Europäischen Gesundheitsunion.
- Bereitstellung von Ausrüstung und Arzneimitteln: Öffentlich-private Partnerschaften und solidere Lieferketten sind aus Sicht der Europäischen Kommission erforderlich, um die Verfügbarkeit wichtiger Ausrüstung und Arzneimittel sicherzustellen. Eine Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Englisch: Health Emergency Preparedness and Response Authority, HERA) sollte bereits Anfang 2022 einsatzbereit sein. Die Kommission befürwortet zudem die ehestmögliche Umsetzung eines gesundheitsrelevanten Projekts, um die Entwicklung neuer Arzneimittel voranzutreiben. Pro Jahr sollten laut Europäischer Kommission stets Produktionskapazitäten für 500 bis 700 Millionen Impfstoffdosen für die EU sichergestellt sein.
- EU-weite Plattform für klinische Forschung: Eine EU-weite Plattform könnte dabei helfen, die klinische Forschung schneller, umfassender und wirksamer zu gestalten.
- Finanzierung der Gesundheitssysteme: Die Bewältigung einer Pandemie erfordert kontinuierliche und größere Investitionen in die Gesundheitssysteme. Die 27 EU-Mitgliedstaaten sollten dabei ihren Fokus auf die allgemeine Krisenfestigkeit ihrer Gesundheitssysteme legen und dazu auch Mittel des EU-Aufbauplans einsetzen.
- Globaler Ansatz zur Pandemie-Bewältigung: Die EU möchte weiterhin eine führende Rolle bei der globalen Pandemie-Prävention, -Vorsorge und -Reaktion spielen. Dies gilt insbesondere für COVAX, eine Initiative, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Europäischen Kommission und Frankreich 2020 gegründet worden war, um einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu gewährleisten. Außerdem sollten weltweit solide Partnerschaften zur Pandemie-Vorsorge geschlossen werden.
- Bekämpfung von Fehl- und Desinformation: Ein koordinierter und ausgereifter Ansatz sollte aus Sicht der EU-Kommission entwickelt werden, um Fehl- und Desinformationen effektiver entgegenwirken zu können.
Die nächsten Schritte
Der Bericht über die Lehren aus der Coronavirus-Pandemie wird dem Europäischen Parlament sowie dem Europäischen Rat vorgelegt und auch in die Beratungen der 27 EU-Staats- und Regierungsspitzen beim Europäischen Rat am 24. und 25. Juni 2021 in Brüssel einfließen. Im zweiten Halbjahr 2021 möchte die Europäische Kommission konkrete Ergebnisse präsentieren.