Plakolm: Familiennachzug wird gestoppt – Grenzen unserer Systeme erreicht
Änderung des Asylgesetzes und ORF-Gremienreform passieren Ministerrat
"Vor genau zwei Wochen haben wir im Ministerrat beschlossen, den Familiennachzug auszusetzen. Heute setzen wir mit einem entsprechenden Initiativantrag im Parlament den nächsten Schritt. Im Mai dieses Jahres, also in wenigen Wochen, wird der Stopp auch Realität sein", sagte Bundesministerin Claudia Plakolm im Pressefoyer nach dem Ministerrat, das sie gemeinsam mit Staatssekretärin Michaela Schmidt und Staatssekretär Josef Schellhorn abhielt.
Konkret werde die Regierung in der im Anschluss stattfindenden Sitzung des Nationalrats einen Initiativantrag einbringen, mit dem der neue Paragraf 36a des Asylgesetzes beschlossen wird. Diese Gesetzesänderung ist eine Verordnungsermächtigung, die die Grundlage dafür schaffe, dass die Bundesregierung den Familiennachzug aussetzen kann. "Per Verordnung wird dann in einem nächsten Schritt durch den Innenminister festgestellt, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit gefährdet ist. Damit darf Österreich vom EU-Asylrecht abweichen. Wir setzen den Familiennachzug für sechs Monate aus, mit der Option auf Verlängerung bis längstens Mai 2027", skizzierte Plakolm die weitere Vorgehensweise und bedankte sich bei den Koalitionspartnern für die gute Zusammenarbeit und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Innenministerium für die rasche Umsetzung und Ausarbeitung.
Stopp des Familiennachzugs – Menschen, die bereits da sind, besser integrieren
Die Bundesregierung erachte den Stopp des Familiennachzugs deshalb als so notwendig, weil zum einen die Grenzen der Systeme erreicht seien und zum anderen die Wahrscheinlichkeit gelungener Integration mit jedem weiteren Nachzug massiv sinke. "Wir müssen schauen, dass wir die Menschen, die bereits in Österreich leben, bestens integrieren können. Und schon allein das wird in vielen Teilen eine Herkulesaufgabe sein", so Plakolm, die darauf hinwies, dass zwei Drittel der Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten erst das Alphabet erlernen müssten, um in weiterer Folge überhaupt Deutsch lernen zu können. 48.000 der Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten seien aktuell arbeitslos oder in Schulung. Laut einer am Wochenende veröffentlichten Studie seien etwa 6 von 10 der nachgezogenen jungen Männer nicht erwerbstätig. Auch 9 von 10 der nachgezogenen jungen Frauen seien in den ersten drei Jahren nicht erwerbstätig, nach 5 Jahren seien es 8 von 10, berichtete Plakolm.
Hinzu komme die Herausforderung in städtischen Schulen, in denen die Umgangssprache von mehr als der Hälfte der Volksschülerinnen und Volksschüler nicht mehr Deutsch sei. In Wien werde die Hälfte der Schulanfängerinnen und Schulanfänger als außerordentliche Schülerinnen und Schüler geführt, weil sie dem deutschsprachigen Unterricht nicht folgen könnten, führte die designierte Integrationsministerin weiter aus.
"Man sieht an diesen Zahlen sehr deutlich, dass die Aufgabe der Integration mit jeder Person nur noch größer und schwieriger für uns wird. Was Österreich braucht, sind qualifizierte Arbeitskräfte. Was wir nicht brauchen, ist ein Zuzug in die Arbeitslosigkeit. Wenn wir über Integration sprechen, dann ist unsere Haltung klar: Wir erwarten von den Menschen, die nach Österreich kommen, dass sie die deutsche Sprache lernen, dass sie arbeiten gehen und unsere Regeln und Gesetze einhalten. Zu diesem Grundsatz bekennt sich die österreichische Bundesregierung. Das alles kann nur gelingen, wenn unsere Systeme auch die Anzahl der Menschen vertragen, die hier leben. Wir sind hier am Ende der Belastbarkeit und drücken deshalb die Stopp-Taste", so Claudia Plakolm.
Schmidt: Publikum bekommt mehr Einfluss beim ORF
Staatssekretärin Michaela Schmidt verwies hinsichtlich der Medienpolitik der Regierung darauf, dass man das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Oktober 2023 fristgerecht bis zum Ende dieses Monats umsetzen werde. Die Richterinnen und Richter hätten festgestellt, dass der Bundeskanzler mit 17 Publikumsräten weit mehr als andere gesetzliche Stellen entsandt habe. Er habe bei der Auswahl einen zu großen Spielraum, weil die notwendigen Anforderungen an diese Personen gesetzlich nicht genug definiert worden seien. Der Verfassungsgerichtshof habe Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und das Pluralismusgebot festgestellt. Man sei nun zu einer Lösung gekommen, die für den ORF mehr Publikums- und weniger Politikeinfluss vorsehe.
ORF-Gremien von Wahlzyklen entkoppeln
"Als Bundesregierung tragen wir mit der Gremienreform diesem Urteil Rechnung und erfüllen die langjährige Forderung nach der Stärkung der Unabhängigkeit des ORF und nach seiner finanziellen Absicherung. Das Publikum bekommt mehr Einfluss, die Politik weniger", hielt die Staatssekretärin beim Pressefoyer fest. Die Regierung werde künftig statt 9 nur mehr 6 Personen in den Stiftungsrat entsenden. Bei der Vertretung des Publikums verhalte es sich umgekehrt (9 statt bisher 6). "Wir entkoppeln die Besetzung der ORF-Gremien von den politischen Wahlzyklen. Die Mitglieder des Stiftungsrats bleiben also unabhängig von einer neuen Bundesregierung und von neuen Landesregierungen in ihrer Funktion", erläuterte Schmidt. Zudem müssen Stiftungsräte in Zukunft spezifische Kenntnisse mitbringen. Für einen Publikumsrat sollen zukünftig 14 Mitglieder direkt von Organisationen wie der Akademie der Wissenschaften, den Sozialpartnern und Kirchen bestellt werden. Auch die Bundesregierung bestellt zukünftig 14 anstatt wie bisher 17 Mitglieder aus bestehenden Bereichen und Gruppen, die im ORF-Gesetz genau definiert sind.
"Wir stellen den ORF unter Beibehaltung des Beitrags von 15,30 Euro auf finanziell solide Beine. Er kann so mit seinen Mitteln planen und muss auch einer Sparlogik, die wir in allen Ressorts einhalten, genügen", sagte die Staatssekretärin. Man entlaste die Österreicherinnen und Österreicher, indem dieser Beitrag bis 2029 unverändert bleibe. "Unsere Demokratie braucht starke und unabhängige Medien. Wir wollen die Unabhängigkeit des ORF stärken und große Digitalplattformen in die Pflicht nehmen, wenn es um den Kampf gegen Desinformation, Hass und Hetze geht", betonte Michaela Schmidt abschließend und verwies auch noch auf die vorzubereitende große ORF-Reform.
Schellhorn: Wichtiger, erster Schritt zu einer Gesamtreform des ORF
Staatssekretär Josef Schellhorn unterstrich in seinem Statement ebenfalls die Notwendigkeit einer ORF-Reform mit dem Ziel, "den Einfluss der Parteien in den Gremien zurückzufahren beziehungsweise im besten Fall zu beenden". Wichtig sei zunächst, in einem ersten Schritt, rasch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nachzukommen. Die Bundesregierung werde sich daher "beim Stiftungsrat zurücknehmen und den Publikumsrat stärken". Damit werde auch die Unabhängigkeit eines "wichtigen öffentlich-rechtlichen Mediums" gestärkt. "Mir ist es wichtig zu betonen, dass das der erste Schritt in einer geplanten Gesamtreform des ORF ist", betonte Schellhorn. Im Regierungsprogramm habe man sich zu "zahlreichen weiteren Schritten verpflichtet". Es gehe dabei um eine stärkere Einbeziehung des Publikums, mehr Bürgerbeteiligung und einen breiteren Prozess zu einer größeren Gremienreform.
Budgetkonsolidierung mit gemeinsamem Reformwillen angehen
Der Staatssekretär äußerte sich zudem zur anstehenden Budgetkonsolidierung und zum Start der Verhandlungen der einzelnen Ministerien über Einsparungen in allen Ressorts. Bereits in den Erstgesprächen sei "die Gemeinsamkeit des Spar- und Reformwillens" klar erkennbar gewesen. Es gebe ein nachdrückliches Bekenntnis, dass nun alle einen Beitrag leisten müssen und die Regierung den Konsolidierungskurs einhalten werde. Gleichzeitig gelte es, die Wirtschaftsentwicklung zu berücksichtigen. Und: "Wir setzen auch aktiv Maßnahmen, etwa für die Wirtschaft, für ein leistbares Leben und die Bildung", betonte Schellhorn. Der Staatssekretär appellierte zudem an die Länder und Gemeinden, an den gemeinsamen Reformen mitzuwirken. Denn "aufgrund des Wirtschaftseinbruchs" sei es "dramatisch sichtbar", welche Leistungen zu erbringen seien. Abschließend zeigte sich Schellhorn zuversichtlich, dass die notwendigen Maßnahmen in einer Reformpartnerschaft unter Mitwirkung aller Kräfte angegangen werden.
Bilder vom Pressefoyer sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.