Cyber-Mobbing hat in der Pandemie zugenommen
Aktuelle Jugendstudie von Saferinternet.at
Anlässlich des 19. internationalen Safer Internet Day am 8. Februar 2022 präsentiert Saferinternet.at gemeinsam mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm eine aktuelle Studie zum Thema Cyber-Mobbing. 17 Prozent aller Jugendlichen sind, wie diese belegt, bereits Opfer von Cyber-Mobbing geworden. Und: Knapp die Hälfte gibt an, dass Online-Schikanen während der Pandemie zugenommen haben. Am häufigsten passiert Cyber-Mobbing im schulischen Umfeld, zugleich erhalten Betroffene dort aber die meiste Unterstützung. Zumindest durch Aufklärung – denn in der Praxis werden sie oft allein gelassen. Eltern und Schulen sind gefordert, junge Menschen noch stärker zu unterstützen.
Lügen und Gerüchte in sozialen Netzwerken, wiederholte Beleidigungen über Messenger-Dienste oder Ausgrenzungen im Online-Unterricht: Jugendliche können auf vielfältige Weise von Cyber-Mobbing betroffen sein. In Zeiten von Lockdown und Home-Schooling hat dieses Phänomen weiter zugenommen – immer mehr junge Menschen machen auf die eine oder andere Weise Erfahrung mit Cyber-Mobbing.
Im Rahmen der Initiative Saferinternet.at präsentierten heute das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und die ISPA – Internet Service Providers Austria gemeinsam mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm eine Studie zum Thema Cyber-Mobbing, für die 11- bis 17-Jährige befragt wurden.
Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm betont: "Die Pandemie belastet junge Menschen sehr, die letzten 2 Jahre waren für viele hart an der Grenze des Erträglichen. Und Cyber-Mobbing trägt hier mit Sicherheit seinen Teil bei. Daher ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, Probleme wie dieses in Zahlen zu gießen und das tut die Studie. Mir ist es enorm wichtig, dass wir Mobbing ernst nehmen, egal wo es stattfindet. In Wirklichkeit müssen wir alle Mobbing mit einem 'Aha' begegnen: Aufklären – Hinschauen – Hilfe anbieten."
17 Prozent waren bereits Opfer
Negative Online-Erfahrungen haben bereits viele Jugendliche gemacht: So hat fast die Hälfte (48 Prozent) schon Beschimpfungen und Beleidigungen am eigenen Leib erfahren, gefolgt von Ghosting, also dem plötzlichen, unangekündigten Kontaktabbruch durch andere (46 Prozent). Auch Lügen oder Gerüchte, die über die eigene Person verbreitet wurden (41 Prozent), sowie Identitätsdiebstahl durch Fake-Profile (37 Prozent), der ungewollte Erhalt unangenehmer Nachrichten (37 Prozent) oder Einschüchterungsversuche (33 Prozent) werden häufig genannt.
Doch nicht jede unangenehme Situation ist Cyber-Mobbing. Unter Cyber-Mobbing versteht man konkret das absichtliche und über einen längeren Zeitraum anhaltende Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen anderer über digitale Medien. Betroffene erleben meist eine Kombination verschiedener Erscheinungsformen. Wie die Studie zeigt, waren 17 Prozent der Befragten schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing, 42 Prozent haben dies bereits bei anderen mitbekommen. Jede Zehnte, jeder Zehnte sagt sogar, selbst schon aktiv mitgemacht zu haben.
Von Spaß bis Ernst: Täter handeln aus unterschiedlichsten Motiven
Jugendliche gehen davon aus, dass die Täterinnen und Täter nicht zwangsläufig mit böser Absicht handeln: 44 Prozent sind der Meinung, dass diese die Grenze zwischen Spaß und Ernst schlicht nicht kennen. Ein wichtiger Hinweis, wenn es um die Präventionsarbeit geht, hier ein Bewusstsein für unterschiedliche Wahrnehmungen zu schaffen, kann ein bedeutender Schritt im Kampf gegen Cyber-Mobbing sein.
Ebenfalls als sehr häufiges Motiv wird mit 43 Prozent der Wunsch nach Machtausübung genannt. Je rund ein Drittel der Befragten nennt als weitere Gründe die Demonstration von Gruppenzugehörigkeit (36 Prozent), rassistische Motive (33 Prozent) sowie das Unvermögen, mit dem eigenen Zorn (31 Prozent) und Langeweile (31 Prozent) umzugehen.
Cyber-Mobbing passiert vor allem öffentlich
Soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Spieleplattformen: Überall dort, wo sich junge Menschen online bewegen, kann es zu Cyber-Mobbing kommen. Am häufigsten nennen die Jugendlichen Plattformen, auf denen öffentlich kommuniziert wird: Instagram (56 Prozent), gefolgt von TikTok (42 Prozent), Facebook (36 Prozent) und Snapchat (32 Prozent).
Obwohl fast alle Befragten WhatsApp nutzen, liegen Messenger-Dienste mit 30 Prozent nur an 5. Stelle der häufigsten Cyber-Mobbing-Plattformen. Online-Spiele werden von 25 Prozent genannt, immerhin 11 Prozent geben auch Videochat-Anwendungen für den Unterricht an.
Mehr Vorfälle in Zeiten der Pandemie
Die Pandemie mit ihren wiederholten Lockdowns hat zu einer Verlagerung des Sozial- und Schullebens in die Online-Welt geführt. Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) stimmt der Aussage zu, dass Cyber-Mobbing in Zeiten von Distance Learning häufiger vorkommt (17 Prozent keine Angabe). So haben Jugendliche im Home-Schooling bei sich und anderen bereits erlebt, dass die Teilnahme am Online-Unterricht absichtlich schwer gemacht wurde (30 Prozent), dass sie oder jemand anderer bewusst von schulischen Informationen ausgeschlossen (23 Prozent) oder während des Online-Unterrichts verspottet wurden (22 Prozent). Cyber-Mobbing findet also in solchen Fällen auch vor den Augen der Lehrenden statt.
"Leider ist die Präventionsarbeit gerade in dieser Zeit, die für viele Jugendliche eine besondere Herausforderung darstellt, zu kurz gekommen. Dabei sind vorbeugende Maßnahmen gegen Cyber-Mobbing während der Pandemie besonders wichtig", so Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.
Betroffene wissen, wer hinter Attacken steckt
In der öffentlichen Wahrnehmung agieren die Täterinnen und Täter von Cyber-Mobbing vorwiegend anonym. Die Befragung der Jugendlichen zeigt jedoch, dass die Betroffenen meist keineswegs im Dunkeln tappen, was die Identität des Angreifers betrifft. Die Mehrheit gibt an, dass Opfer von Cyber-Mobbing gewöhnlich ahnen, wer dafür verantwortlich sein könnte (43 Prozent) oder es sogar genau wissen (30 Prozent).
Dass Cyber-Mobbing vor allem im schulischen Umfeld passiert, zeigt sich auch hier: 43 Prozent der Jugendlichen geben an, dass die Täterinnen und Täter dort zu finden sind, gefolgt von Internet-Usern (21 Prozent) sowie dem Bekanntenkreis (8 Prozent).
Hilfreiche Strategien fruchten in der Praxis nicht immer
Als wichtigste Strategie gegen Cyber-Mobbing erachten es die Jugendlichen, sich Hilfe zu holen. Freundinnen und Freunde werden von 78 Prozent als wichtigste Ansprechpersonen genannt, gefolgt von Eltern (71 Prozent) und Lehrenden (64 Prozent). Theorie und Praxis klaffen allerdings manchmal auseinander: Denn mit 48 Prozent meint fast die Hälfte der Befragten, dass Erwachsene in Cyber-Mobbing-Situationen oft nicht hilfreich sind. Ebenso haben 33 Prozent der Jugendlichen schon erlebt, dass Lehrende einen Fall nicht ernst genommen haben.
Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei der Nutzung technischer Möglichkeiten zur Abwehr von Mobbing-Attacken. So beurteilen es 70 Prozent der Jugendlichen als hilfreich, Täterinnen und Täter auf den jeweiligen Plattformen zu blockieren oder zu sperren. Diese zu melden, erachtet mit 59 Prozent ebenfalls eine Mehrheit als hilfreich. 45 Prozent der Jugendlichen haben erlebt, dass ihre Meldungen an Betreiber sozialer Netzwerke nicht wie erwartet bearbeitet wurden.
Die direkte Auseinandersetzung mit den Täterinnen und Tätern wird als weniger zielführend bewertet. Diese zu bitten, mit dem Mobbing aufzuhören, beurteilen nur 23 Prozent als hilfreich. Lediglich 18 Prozent halten es für förderlich, mit Beschimpfungen oder Beleidigungen zu kontern. Und einfach zu warten, bis das Mobbing wieder aufhört, stellt nur für 17 Prozent eine Option dar.
Aufklärung nimmt zu, doch es bleibt viel zu tun
"Gemeinsam mit den Bildungseinrichtungen konnten wir maßgeblich zur Aufklärung über Cyber-Mobbing beitragen. Die Mehrheit der Befragten, nämlich 58 Prozent, weiß, wie sie gegen Cyber-Mobbing vorgehen kann", ist ISPA-Präsident Harald Kapper erfreut und betont: "Die Studie verdeutlicht, dass wir Jugendliche weiterhin über Hass im Netz und Cyber-Mobbing informieren müssen, im schulischen wie auch privaten Umfeld." Bei 84 Prozent erfolgte die Aufklärung durch Lehrende, bei knapp der Hälfte (45 Prozent) durch Eltern, 38 Prozent geben das Internet und über ein Drittel (35 Prozent) Workshops als Informationsquelle an.
Eine entscheidende Rolle bei der Cyber-Mobbing-Prävention spielen zum einen die Eltern. An ihnen liegt es, von klein auf zu vermitteln, wie man mit Konflikten offline und online umgehen und diese lösen kann. "Eltern sollten ein offenes Ohr haben und ihrem Kind signalisieren, dass es ernst genommen wird", so Bernhard Jungwirth, Projektleiter Saferinternet.at. "Denn egal, in welcher Rolle das eigene Kind in eine Cyber-Mobbing-Situation involviert ist: Jugendliche hier zu begleiten und gemeinsam eine Lösung zu finden, ist eine wichtige Aufgabe der Eltern."
Zum anderen zeigen die Zahlen der Studie: Wenn es um Cyber-Mobbing geht, ist das schulische Umfeld sowohl Ort des Geschehens als auch Ort der Hilfe und Prävention. Daher müssen dort gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie Angebote und Maßnahmen forciert werden: Notwendig sind zusätzliche Fortbildungen für Lehrende, Direktorinnen und Direktoren, ein Ausbau von Unterstützungsstrukturen wie Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie und eine noch stärkere Thematisierung von Cyber-Mobbing im Unterricht. Präventions-Workshops, wie sie von Saferinternet.at angeboten werden, können eine Entlastung für die in Cyber-Mobbing-Situationen stark geforderten Pädagoginnen und Pädagogen sein. Darüber hinaus sind auch die Online-Plattformen gefordert, ihre Meldeprozesse weiter zu verbessern.
Saferinternet.at unterstützt mit zahlreichen Angeboten
Das Thema Cyber-Mobbing ist nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Lehrkräfte und Eltern eine große Herausforderung. Deshalb unterstützt Saferinternet.at österreichweit mit Workshops und zahlreichen weiteren Informationsangeboten. Ab sofort kann das Unterrichtsmaterial "Aktiv gegen Cyber-Mobbing", gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kostenlos bestellt und heruntergeladen werden. Weitere Leitfäden und Flyer sowie der Eltern-Videoratgeber "Frag Barbara!" runden das Angebot ab. Auch das ISPA-Kinderbuch "Der Online-Zoo" und die gleichnamige Videoreihe behandeln unter anderem das Thema Cyber-Mobbing. Alle Angebote und Download- sowie Bestellmöglichkeiten finden sich auf www.saferinternet.at.
Anlässlich des Safer Internet Day findet traditionell im gesamten Februar der Safer Internet-Aktionsmonat statt. Schulen und Jugendorganisationen sind aufgerufen, sich mit eigenen Aktionen zu beteiligen. Detaillierte Informationen zum Safer Internet Day 2022 in Österreich und dem Aktionsmonat finden sich auf www.saferinternetday.at (international: www.saferinternetday.org).
Über die Studie
Die Studie zum Thema "Cyber-Mobbing" wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag von Saferinternet.at und ISPA – Internet Service Providers Austria durchgeführt. Bei der Online-Umfrage wurden 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund befragt. Ergänzt wurde die Studie mit Praxiserfahrungen aus Saferinternet.at-Workshops.
Über Saferinternet.at
Saferinternet.at unterstützt Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrende beim sicheren, kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien. Auf der Website www.saferinternet.at finden sich aktuelle Informationen und praktische Tipps zu Themen wie soziale Netzwerke, Cyber-Mobbing, Sexualität & Internet, Datenschutz, Urheberrechte, Internet-Betrug, Medienerziehung. Zusätzlich bietet Saferinternet.at maßgeschneiderte Workshops in Schulen oder bei Elternabenden sowie kostenlose Ratgeber, Broschüren und vieles mehr an.
Saferinternet.at ist die österreichische Informationsstelle im Safer Internet Netzwerk der EU (Insafe) und wird vom ACR-Institut ÖIAT in Kooperation mit der ISPA umgesetzt. Die Finanzierung erfolgt durch das "Digital Europe/Safer Internet"-Programm der EU-Kommission, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie Sponsoren aus der Wirtschaft wie A1, Facebook und Huawei.
Detaillierte Informationen zu allen Aktivitäten von Saferinternet.at gibt es unter www.saferinternet.at. Für Fragen und Anregungen zu Saferinternet.at können sich Interessierte per E-Mail an office@saferinternet.at wenden.
Bilder von der Pressekonferenz sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.
Rückfragehinweis:
ÖIAT
DI Barbara Buchegger, M.Ed.
Pädagogische Leiterin Saferinternet.at
Telefon: +43 1 595 21 12 31
E-Mail: office@saferinternet.at