Impfungen und Reisefreiheit im Fokus des virtuellen EU-Gipfels
Bundeskanzler Sebastian Kurz fordert "Grünen Pass" als Nachweis für Corona-Geimpfte, Getestete und Genesene: "Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union die Reisefreiheit wieder zurück"
Das am 25. und 26. Februar in virtueller Form abgehaltene Treffen der Mitglieder des Europäischen Rates stand erneut im Zeichen der Pandemiebekämpfung. Die Staats- und Regierungsspitzen diskutierten insbesondere über die Zulassung, Herstellung und den Vertrieb von Impfstoffen, eine mögliche Einführung von Impfzertifikaten und den Umgang mit Reisebeschränkungen im Hinblick auf den Sommertourismus. Am zweiten Tag des Treffens waren zudem Sicherheit, Verteidigung und Europas Beziehungen zu den südlichen Nachbarstaaten auf der Agenda.
Ratspräsident Charles Michel: Produktion und Lieferung von Impfstoffen sowie Beschleunigung von Impfungen haben in der EU "oberste Priorität"
"Unsere oberste Priorität ist es jetzt, die Produktion und Lieferung von Impfstoffen und Impfungen in der gesamten EU zu beschleunigen", erklärte der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel nach der ersten virtuellen Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungsspitzen am 25. Februar 2021. Die Staatsspitzen seien sich darüber einig, dass die Bemühungen der EU-Kommission, mit der Industrie stärker zusammenzuarbeiten, um Engpässe zu identifizieren, Lieferketten zu garantieren und die Produktion zu steigern, unterstützt werden müssen, so der Ratspräsident. Zudem betonten die Mitglieder des Europäischen Rates ihre Solidarität mit Drittländern. Über die Impfstoffplattform "COVAX" sollen Impfstoffe für Afrika, den Westbalkan, die Länder der östlichen Partnerschaft sowie Lateinamerika bereitgestellt werden.
Auch die Verbreitung von neuen Virusmutationen stand, wie schon bei der Ratstagung im Jänner 2021, auf der Tagesordnung. Charles Michel betonte erneut, dass der Ausbau der Sequenzierkapazitäten weiter vorangetrieben und in die Impfstoffforschung investiert werden soll, um auch gegen zukünftige Varianten vorbereitet zu seien. Einig waren sich die Staatsspitzen auch dahingehend, dass Schlüsse aus der Krise gezogen werden müssen, um die europäischen Gesundheitssysteme stärker und widerstandsfähiger zu machen. Bis Juni 2021 soll die EU-Kommission einen Bericht über die bisherigen Lehren aus der Covid‑19-Pandemie vorlegen.
Einschränkungen an EU-Binnengrenzen sollen Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht beeinträchtigen
Intensiv zur Diskussion standen auch die derzeit in der ganzen Europäischen Union geltenden Einschränkungen für nicht lebensnotwendige Reisen. Trotz der Notwendigkeit, weiter an den Reisebeschränkungen festzuhalten, betonten die EU-Staats- und Regierungschefs die Wichtigkeit der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere der Waren- und Dienstleistungsverkehr dürfe dabei nicht gefährdet werden. Die EU-Staatsspitzen erklärten sich in diesem Sinne bereit, weiterhin die Leitlinien der EU-Kommission zu respektieren und weiterhin die grünen Korridore – "Green Lanes" – für den Warenverkehr zu nützen. Das Konzept der "Green Lane" wurde an allen relevanten Übergangsstellen der Binnengrenzen im März 2020 auf Empfehlung der EU-Kommission eingeführt und soll Frachtfahrzeugen einen schnellen Grenzübertritt ermöglichen.
Impfnachweis soll mehr Mobilität und Wiederbelebung des Tourismus ermöglichen
Stärker koordinieren möchte sich die Europäische Union auch im Hinblick auf mögliche Bescheinigungen für Covid-19-Impfungen. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte sich bereits im Vorfeld des Treffens für einen "Grünen Pass" für Corona-Geimpfte, Getestete und Genesene ausgesprochen. Es brauche "einen Grünen Pass für jeden, der geimpft ist oder gerade Corona hatte und dadurch immun ist, oder einen neuen Test gemacht hat", so Sebastian Kurz im Vorfeld des EU-Gipfels. "Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union die Reisefreiheit wieder zurück", betonte Sebastian Kurz. Ein EU-weit geltender Grüner Pass könne "eine gute Basis dafür darstellen, dass wir ordentlich durch den Sommer kommen".
Neben Österreich sahen auch viele andere Staaten, darunter Italien, Spanien, Griechenland, Kroatien, Bulgarien, Lettland, die Slowakei oder Portugal, die Notwendigkeit eines Impfzertifikates, um den europäischen Tourismus wiederbeleben zu können. Die EU-Kommission wurde deshalb damit beauftragt, konkrete Vorschläge für die Nutzung eines digitalen Impfpasses vorzulegen.
EU-Spitzen für mehr Investitionen in Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Am zweiten Tag des virtuellen EU-Gipfels stand die Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union auf der Agenda. Die EU-Staats- und -Regierungsspitzen waren sich darüber einig, dass die EU angesichts zunehmender globaler Instabilität mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen muss. Geschehen soll das vor allem mit erhöhten Investitionen und durch eine noch engere Zusammenarbeit mit der NATO. Investiert werden soll dabei vor allem in die Bereiche künstliche Intelligenz sowie den Kampf gegen Cyber-Bedrohungen und Terrorismus.
"Wir müssen gemeinsam in Europa entschlossen die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus sowie die Ideologie dahinter, den politischen Islam, bekämpfen", sagte Bundeskanzler Kurz nach dem Treffen und verwies in diesem Zusammenhang auf den Terroranschlag in Wien vom November letzten Jahres. Gesetzt werden soll dabei sowohl auf nationale als auch europäischen Maßnahmen.
Beziehungen der EU mit der südlichen Nachbarschaft als strategische Priorität
Schließlich bekräftigten die EU-Staats- und -Regierungsspitzen erneut die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Dezember 2020, in denen die Beziehungen der EU zu den südlichen Nachbarstaaten bereits Thema gewesen waren. Die EU-Staatsspitzen betonten dabei, dass eine demokratische, stabilere, "grünere" und wohlhabendere südliche Nachbarschaft eine strategische Priorität für die EU ist.