Aufbauinstrument für die europäische Wirtschaft: "Next Generation EU"

Die EU plädiert mit dem Aufbauinstrument "Next Generation EU" für einen nachhaltigen, gerechten und ausgewogenen Wiederaufbau nach der Coronavirus-Krise.

The banner "Recovery Plan for Europe" on the front of the Berlaymont building
Foto: (C) Aurore Martignoni

Die Coronavirus-Pandemie hat nicht nur einen erheblichen negativen Einfluss auf das Gesundheitssystem, sondern hinterlässt ihre Spuren auch in der Gesellschaft. Um die EU-Mitgliedstaaten in ihrem Weg aus der Krise besser zu unterstützen, einigten sich die EU-Staats- und Regierungsspitzen, der Rat, das EU-Parlament und die EU-Kommission auf das europäische Aufbauinstrument "Next Generation EU" (NGEU).

"Mit dem Aufbauplan verwandeln wir die immense Herausforderung in eine Chance, weil wir nicht nur den Aufbau unterstützen, sondern auch in unsere Zukunft investieren: Der europäische 'Green Deal' und die Digitalisierung werden Beschäftigung und Wachstum ankurbeln und die Resilienz unserer Gesellschaften und die Gesundheit unserer Umwelt fördern", zeigte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überzeugt.

Doch woraus besteht das Aufbauinstrument genau? Wie hoch sind die Hilfszahlungen? Und wer wird diese Unterstützung bekommen? Im folgenden Überblick finden Sie eine kompakte Zusammenfassung zu den wichtigsten Fragen.

FAQ zu "Next Generation EU" (NGEU)

Um gegen die durch die Coronavirus-Krise entstandenen Schäden für die europäische Wirtschaft effektiv vorzugehen, wurde von der Europäischen Union das Aufbauinstrument "Next Generation EU" (NGEU) ins Leben gerufen. NGEU dient der gezielten, aber zeitlich befristeten Verstärkung des langfristigen EU-Haushaltsrahmens, des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027. Gelder aus NGEU müssen bis spätestens 31. Dezember 2023 vertraglich gebunden und entsprechende Zahlungen bis spätestens 31. Dezember 2026 geleistet werden.

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Mit dem Aufbauinstrument NGEU sollen die Mitgliedstaaten bei der raschen und effektiven Bewältigung der sozioökonomischen Folgen der Coronavirus-Krise unterstützt werden, indem Investitionen mobilisiert und das europäische Wirtschaftswachstum angekurbelt wird. NGEU steht unter dem Motto "Die Krise als Chance nutzen" und will daher besonders Reformen und Investitionen in den Mitgliedstaaten unterstützen und einen "grünen" und digitalen Wandel vorantreiben. Gleichzeitig soll der Binnenmarkt weiter gestärkt, die Zusammenarbeit in den Bereichen Gesundheit und Krisenmanagement intensiviert und der Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten verbessert werden.

Im Rahmen von NGEU sind für die gesamte EU 750 Milliarden Euro vorgesehen. Diese Finanzmittel, die zusätzlich zum regulären Mehrjährigen EU-Haushaltsrahmen 2021 bis 2027 eingesetzt werden, fließen in Form von Zuschüssen im Wege einzelner EU-Programme an Mitgliedstaaten und können außerdem auf Antrag eines Mitgliedstaats an diesen als Darlehen mit günstigen Konditionen bereitgestellt werden. Zuschüsse müssen nicht mehr zurückgezahlt werden und belaufen sich insgesamt auf bis zu 390 Milliarden Euro. Darlehen können insgesamt bis zu 360 Milliarden Euro vergeben werden. Wieviel Geld ein Mitgliedsland aus NGEU erhält, hängt grundsätzlich davon ab, wie schwer es von den Auswirkungen der Covid-19-Krise betroffen ist. Das Aufbauinstrument NGEU bildet zusammen mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen, der für die Zeitspanne von 2021 bis 2027 insgesamt 1.074 Milliarden Euro umfasst, das bisher größte Finanzpaket der EU im Umfang von 1.824 Milliarden Euro.

  • Aufbau- und Resilienzfazilität: Das "Herzstück" und damit der größte Teil der Mittel des Aufbauinstruments fließt in die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität. Konkret handelt es sich um bis zu 672,5 Milliarden Euro, die zur Unterstützung von Reformen und Investitionen direkt an EU-Mitgliedstaaten fließen sollen, um die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft und damit auch auf die Gesellschaft abzufedern. Bis zu 360 Milliarden Euro können dabei von den Mitgliedstaaten als Darlehen aufgenommen werden, während bis zu 312,5 Milliarden Euro als Zuschüsse vorgesehen sind.
  • Aufbauhilfe für den Zusammenhalt "React EU": Ein weiteres Element des Aufbauinstrumentes bildet die Initiative "React EU", womit insgesamt 47,5 Milliarden Euro dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) zur Förderung des Zusammenhalts bereitgestellt werden.
  • Auch andere EU-Programme profitieren von zusätzlichen Mitteln aus dem NGEU Finanzinstrument: Das Forschungsförderungsinstrument "Horizon Europe" bekommt 5 Milliarden Euro, das Investitionsprogramm InvestEU profitiert mit 5,6 Milliarden Euro, der Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums mit 7,5 Milliarden Euro und der Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fonds - JTF) zur Unterstützung sozioökonomischer Herausforderungen beim Übergang zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft erhält zusätzliche 10 Milliarden Euro. Die Notfallreserve für den Zivil- und Katastrophenschutz rescEU bekommt zusätzliche 1,9 Milliarden Euro.

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Die Finanzmittel des Aufbauinstruments werden von der EU-Kommission im Namen der EU durch die Emission von Anleihen an den Finanzmärkten aufgenommen. Erstmals nimmt die EU für die Finanzierung laufender Ausgaben Schulden am Kapitalmarkt auf und profitiert dabei aufgrund ihrer ausgezeichneten Bonität von besonders günstigen Konditionen. Die Ermächtigung der EU-Kommission zur Schuldenaufnahme ist sind im "Eigenmittelbeschluss" verankert. Erst wenn dieser Beschluss von allen Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert wurde, kann die EU-Kommission mit der Anleiheemission beginnen und die Aufbauhilfen finanzieren.

Die Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen erfolgt aus dem EU-Haushalt. Während Zinszahlungen bereits ab Anleiheemission anfallen, soll mit der Tilgung des Kapitalbetrags vor Ende 2027 begonnen und diese bis spätestens 31. Dezember 2058 abgeschlossen sein. Damit die aufgenommenen Darlehen für die Krisenhilfe jedoch nicht auf Dauer zu erheblich erhöhten Beiträgen der Mitgliedstaaten führen, wurde vereinbart, dass nach 2021 eingeführte neue Eigenmittel für die Rückzahlung der NGEU-Anleihen verwendet werden. Geplante neue Eigenmittel sind unter anderem ein CO2-Grenzausgleichsystem und eine Digitalsteuer sowie Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem. Die Vorschläge dazu sollen bis Juni 2021 von der EU-Kommission vorgelegt werden.

Die durch die NGEU-Anleihen am Kapitalmarkt aufgenommen Finanzmittel werden durch EU-Programme an die EU-Mitgliedstaaten weitergegeben (siehe oben "Welche Programme und Instrumente werden durch NGEU finanziert?"), wobei die Gelder je nach EU-Programm nach unterschiedlichen Kriterien an die EU-Mitgliedsländer zugewiesen werden. Die Aufbau- und Resilienzfazilität verfügt als finanzstärkstes Instrument bis zu 672,5 Milliarden Euro. Weil nur rasche Hilfe wirksame Hilfe ist, werden 70 Prozent dieser Gelder bereits in den Jahren 2021 und 2022 eingesetzt, während 30 Prozent der Mittel 2023 unter Berücksichtigung des pandemiebedingten Rückgangs der Bruttonationaleinkommen zugewiesen werden. Damit die Aufbauhilfen dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden, müssen EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission konkrete Aufbau- und Resilienzpläne vorlegen, die von der innerhalb der EU-Kommission neu eingerichteten "Recovery and Resilience Task Force" begutachtet und vom Rat gebilligt werden. Die Pläne sollen die im Rahmen des Europäischen Semesters für jedes EU-Mitgliedsland angenommenen länderspezifischen Empfehlungen wirksam angehen sowie Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen und zur Nutzung der Vorteile des "grünen" und digitalen Wandels enthalten. Abgesehen von einer Vorfinanzierung werden Gelder erst fließen, wenn die EU-Mitgliedstaaten die einschlägigen Etappenziele und Zielvorgaben ihres Aufbau- und Resilienzplans erfüllt haben.

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Vom Aufbauinstrument NGEU profitieren alle EU-Mitgliedstaaten. Jedes EU-Mitgliedsland bekommt im Rahmen von NGEU Zuschüsse und kann zu sehr günstigen Bedingungen Hilfskredite über die Aufbau- und Resilienzfazilität beantragen.

Wie stark ein EU-Mitgliedsland von der Coronavirus-Krise wirtschaftlich getroffen wurde, ist ein wesentlicher Faktor für die Höhe der Zuschüsse. Den größten Anteil der Hilfen werden voraussichtlich Italien und Spanien erhalten. Österreich stehen nach derzeitigem Stand rund 3,5 Milliarden Euro Zuschüsse aus dem NGEU zur Verfügung. Die Verteilung von Darlehen hängt davon ab, in welcher Höhe diese von den EU-Mitgliedstaaten beantragt werden.

Schon bald nach Ausbruch der Coronavirus-Krise wurde klar, dass die massiven Einbrüche der Wirtschaftskraft in der EU einzelstaatliches Handeln überfordern würde und daher nur eine gemeinsame Lösung angemessen sein konnte. Nach langen und zähen Verhandlungen beschlossen die Staats- und Regierungsspitzen im Rahmen einer Sondertagung des Europäischen Rates von 17. bis 21. Juli 2020 das Aufbauinstrument "Next Generation EU" (NGEU) im Umfang von 750 Milliarden Euro. Österreich hat sich gemeinsam mit gleichgesinnten EU-Mitgliedsländern wie die Niederlande, Dänemark und Schweden als Gruppe der "frugalen Vier" aktiv in die Verhandlungen eingebracht und durch diese Bündelung der Interessen entscheidend an der Ausgestaltung des Aufbauinstruments NGEU mitgewirkt.

Der Start der Auszahlung der Mittel des Aufbauinstrumentes NGEU wird für Sommer 2021 erwartet. Zuvor muss der neue Eigenmittelbeschluss der EU noch von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Bis Ende April 2021 sollten die EU-Mitgliedstaaten ihre Aufbau- und Resilienzpläne der EU-Kommission zur Bewertung übermitteln.

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