Winterprognose 2022: Aufwärtstrend für die europäische und österreichische Wirtschaft

Niveau des Bruttoinlandsprodukts könnte in allen EU-Mitgliedstaaten wieder Vorkrisenniveau erreichen – Unsicherheiten aufgrund der Covid-19-Pandemie und steigender Energiepreise – Wirtschaftsleistung sollte 2022 in EU-Staaten wachsen

Euromünzen
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Die Europäische Kommission hat am 10. Februar 2022 ihre Winterprognose 2022 für die europäische Wirtschaft veröffentlicht. Den Vorhersagen zufolge sollte die EU-Wirtschaft – nach einer Erholung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU um 5,3 Prozent im Jahr 2021 – um 4 Prozent im Jahr 2022 und um 2,8 Prozent im Jahr 2023 wachsen. Ähnlich positiv verhält es sich bei den Annahmen für das Euro-Währungsgebiet, mit einem prognostizierten Wachstum von 4 Prozent für 2022 und 2,7 Prozent für 2023. Insgesamt erreichte die Wirtschaftsleistung der EU-Staaten im dritten Quartal 2021 das Niveau des BIP von vor der Pandemie. Alle EU-Mitgliedsländer sollten diese Marke bis Ende 2022 erreicht haben, so die Prognose der Ökonominnen und Ökonomen der EU.

"Wirtschaftliche Erholung trotz anhaltender Pandemie auf Kurs halten"

Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission und für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen zuständig, erklärte dazu: "Dank erfolgreicher Impfkampagnen und koordinierter wirtschaftspolitischer Unterstützung hat die europäische Wirtschaft nun den Boden wiedererlangt, den sie auf dem Höhepunkt der Krise verloren hatte. Die Arbeitslosigkeit ist auf ein Rekordtief gesunken. Dies sind bedeutende Erfolge. Da die Pandemie noch andauert, besteht unsere unmittelbare Herausforderung darin, die Erholung auf Kurs zu halten. Der deutliche Anstieg der Inflation und der Energiepreise sowie die Engpässe bei den Lieferketten und auf dem Arbeitsmarkt hemmen das Wachstum. Für den weiteren Verlauf dieses Jahres gehen wir jedoch davon aus, dass die Wirtschaft mit dem Abbau einiger dieser Engpässe wieder in den Schnellgang wechseln wird. Die Fundamentalfaktoren sind in der EU nach wie vor solide und werden weiter gestärkt werden, wenn die Länder mit der vollständigen Umsetzung ihrer Aufbau- und Resilienzpläne beginnen."

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni fügte hinzu: "Verschiedene Gegenwinde haben die europäische Wirtschaft in diesem Winter abgekühlt, wie die rasche Ausbreitung der Covid-19-Variante Omikron, ein durch die steigenden Energiepreise verursachter erneuter Inflationsschub und die anhaltenden Lieferkettenunterbrechungen. Mit der erwarteten allmählichen Abschwächung dieser Gegenwinde dürfte sich das Wachstum aber bereits in diesem Frühjahr wieder beschleunigen. Der hohe Preisdruck dürfte bis zum Sommer anhalten, danach dürfte die Inflation aber im Zuge des nachlassenden Energiepreisanstiegs und des Abbaus der Versorgungsengpässe zurückgehen. Allerdings sind die Ungewissheit und die Risiken weiterhin hoch."

Prognose für die Wirtschaftsentwicklung birgt Risiken – Aufschwung im Laufe des Jahres 2022

Das wirtschaftliche Wachstum in der EU wird nach wie vor von der Pandemie beeinflusst. So hat sich die Wachstumsdynamik in der EU, aufgrund eines erneuten Anstiegs der Covid-19-Infektionen, der hohen Energiepreise und durch anhaltende Lieferausfälle, den Schätzungen zufolge von 2,2 Prozent im dritten Quartal auf 0,4 Prozent im vierten Quartal 2021 abgeschwächt. Dafür verantwortlich sind laut Europäischer Kommission vor allem eine durch die Pandemie verursachte zunehmende Belastung der Gesundheitssysteme und die daraus entstehende Personalknappheit. Zudem wird erwartet, dass die Energiepreise länger auf einem hohen Niveau bleiben als vorhergesagt sowie Logistik- und Versorgungsengpässe, beispielsweise im Metall- oder Halbleitersektor, die Produktion in der EU weiter belasten könnten. Allerdings sei die durch die aktuelle Infektionswelle verursachte wirtschaftliche Belastung nur von kurzer Dauer, da die Wirtschaftstätigkeiten im Zuge des nachlassenden Inflationsdrucks wieder anziehen werde, so die Kommission. Des Weiteren werden in der Prognose der sich kontinuierlich verbessernde Arbeitsmarkt, die hohen Ersparnisse der Haushalte, günstige Finanzierungsbedingungen und die vollständige Inanspruchnahme der Aufbau- und Resilienzfazilität als Indikatoren für eine länger anhaltende und kräftige Expansionsphase gesehen.

Inflation im Euroraum soll spätestens 2023 auf unter 2 Prozent sinken

Gegenüber der am 11. November 2021 veröffentlichten Herbstprognose wurde die Inflationsvorhersage nach oben korrigiert: Demzufolge wird die Inflation im Euro-Währungsgebiet im ersten Quartal 2022 mit 4,8 Prozent ihren Höchststand erreichen und bis zum dritten Quartal 2022 auf einen Wert von über 3 Prozent abnehmen. Abhängig von möglichen Lieferengpässen und hohen Energiepreisen dürfte die Inflation im Euro-Währungsgebiet im vierten Quartal 2022 auf 2,1 Prozent sinken und 2023 das 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank unterschreiten. Konkret prognostiziert die Europäische Kommission für den Euroraum – nach einem Wert von 2,6 Prozent im Jahr 2021 – für 2022 einen Jahresdurchschnittswert der Inflation von 3,5 Prozent für den Euroraum und für 2023 einen Rückgang auf 1,7 Prozent. Der Jahresdurchschnittswert der Inflation für alle EU-Mitgliedstaaten dürfte von 2,9 Prozent im Jahr 2021 auf 3,9 Prozent im Jahr 2022 steigen und im Jahr 2023 auf 1,9 Prozent zurückgehen.

Österreichs Wirtschaftsleistung erholt sich

Nach der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg infolge der Covid-19-Pandemie entwickelt sich die Winterprognose 2022 für die Wirtschaftsleistung in Österreich positiv, so die Europäische Kommission. Im dritten Quartal 2021 hat das BIP-Niveau jenes von vor der Covid-19-Pandemie erreicht. Durch eine Lockerung der Pandemiemaßnahmen und der langsamen Rückkehr des Tourismus dürfte sich das österreichische BIP im ersten Quartal 2022 um ein Prozent erholen, im zweiten und dritten Quartal um 1,9 beziehungsweise 0,8 Prozent zunehmen, ehe es sich im vierten Quartal um 0,5 Prozent abschwächt. Damit dürfte das reale BIP Österreichs bis Ende 2022 um 4,3 Prozent wachsen Durch eine Expansion des privaten Konsums und die anhaltende Erholung im Dienstleistungs- und Tourismussektor sowie eine Zunahme der privaten Investitionen wird für 2023 ein BIP-Wachstum um 2,3 Prozent in Österreich erwartet.

Wie in den anderen EU-Mitgliedstaaten wirken sich steigende Öl-, Gas- und Strompreise auf die Inflation aus: Nach 2,8 Prozent im Jahr 2021 wird die Inflation in Österreich laut Prognose 2022 einen Wert von 3,3 Prozent erreichen, bevor sie sich auf 2,2 Prozent im Jahr 2023 abschwächt.

Hintergrund: Winterprognose für die europäische Wirtschaft 2022

Die Europäische Kommission veröffentlich jährlich, jeweils im Frühjahr und im Herbst, 2 umfassende Prognosen, die durch 2 Zwischenprognosen im Winter und Sommer ergänzt werden. Die Zwischenprognosen enthalten jährliche und vierteljährliche BIP- und Inflationszahlen für das laufende und das folgende Jahr für alle EU-Mitgliedstaaten sowie die gesammelten Zahlen für die EU insgesamt und für die Euro-Zone. Die Winterprognose 2022 basiert auf einer Reihe technischer Annahmen in Bezug auf Wechselkurse, Zinssätze und Rohstoffpreise mit Stichtag 27. Jänner 2022. Bei allen anderen herangezogenen Daten, wie den Annahmen zu staatlichen Maßnahmen, wurden Informationen bis einschließlich 1. Februar 2022 berücksichtigt.

Die Frühjahrsprognose 2022 wird von der Europäischen Kommission voraussichtlich im Mai 2022 veröffentlicht.

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