Angesichts geopolitischer Spannungen: Sicherheit und Verteidigung in der EU sollen gestärkt werden

Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Verteidigungsmarktes durch "Fahrplan für kritische Technologie für Sicherheit und Verteidigung"

Eurofighter
Foto: Bundesheer

Die Europäische Kommission hat am 15. Februar 2022 mehrere Initiativen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung präsentiert. Damit leistet die Kommission einen Beitrag zum Strategischen Kompass der EU für Sicherheit und Verteidigung, der eine gemeinsame strategische Vision für die Sicherheit und Verteidigung der EU für die nächsten 5 bis 10 Jahre festlegt. Die Initiativen umfassen eine breite Palette an Maßnahmen, die einen Beitrag zur europäischen Verteidigung leisten sollen. Dazu zählen unter anderem die konventionelle Rüstungsindustrie und -ausrüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft, militärische Mobilität und Maßnahmen in den Sektoren der Cyber-, Hybrid- und Weltraumbedrohungen.

Ebenfalls am 15. Februar 2022 veröffentlichte die Kommission einen "Fahrplan für kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung" – ein Technologie-Fahrplan, mit dem Forschung, technologische Entwicklung und Innovation gefördert werden soll. Mit den neuen Initiativen möchte die EU die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und ihre operative Einsatzfähigkeit steigern, Kosten begrenzen und einen starken, integrierten und wettbewerbsfähigen Verteidigungsmarkt schaffen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Die EU muss technologisch wettbewerbsfähig bleiben"

Ursula von der Leyen erklärte dazu: "Vor dem Hintergrund verschärfter geopolitischer Rivalitäten muss die Europäische Union technologisch wettbewerbsfähig bleiben. Sie kann dies erreichen, indem sie dem breiten Spektrum von Bedrohungen – von konventionellen bis hin zu Hybrid-, Cyber- und Weltraumbedrohungen – entgegenwirkt und die erforderliche Größenordnung durch gemeinsame Entwicklung und Beschaffung und ein konvergentes Exportkonzept erlangt. Zusätzlich zur Gewährleistung der Sicherheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger kann die europäische Verteidigungsindustrie durch positive Folgewirkungen für zivile Zwecke zur wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie beitragen."

Die für das Ressort "Ein Europa für das digitale Zeitalter" zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, ergänzte: "Angesichts der Tatsache, dass mehr zivile Technologien in militärische Anwendungen einfließen, und mit den bestehenden Kooperationsinstrumenten verfügt die EU über alles, was für eine führende Rolle notwendig ist, wenn wir gemeinsam handeln. Wir müssen unsere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und unser Innovationspotenzial aus der gesamten Union zusammenbringen. Die neue Generation von Sicherheits- und Verteidigungstechnologien sollte von Anfang an gemeinsam in der EU entwickelt werden."

1,9 Milliarden Euro für Verteidigungsforschung und -entwicklung

Die Europäische Kommission möchte die Fähigkeit der Union stärken, rasch auf verändernde und vielschichtige Bedrohungen reagieren zu können. Um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Verteidigungsmarktes zu verbessern, hat die Kommission folgende neue Schlüsselbereiche ermittelt:

  • Schaffung weiterer Anreize für gemeinsame Investitionen der EU-Mitgliedstaaten in bedeutende strategische Verteidigungsfähigkeiten und maßgebliche kritische Voraussetzungen;
  • Schaffung von Anreizen für die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten, die gemeinschaftlich in der EU entwickelt wurden;
  • Aufforderung an die Mitgliedstaaten, weiter auf die Straffung und stärkere Konvergenz der Praktiken der Waffenausfuhrkontrolle hinzuarbeiten.

Durch den Europäische Verteidigungsfonds (EVF) sollen bis Ende 2022 insgesamt 1,9 Milliarden Euro in Projekte zur Verteidigungsforschung und zur Entwicklung von Fähigkeiten investiert werden. Mit den Investitionen sollen Kooperationsprojekte und Innovationen im Verteidigungsbereich gefördert werden. Zu diesem Zweck möchte die Kommission eine Reihe von Instrumenten prüfen, um Anreize für die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten zu schaffen, die in der EU gemeinsam entwickelt werden. Dazu zählen eine Befreiung von der Mehrwertsteuer, die Bereitstellung von neuen Finanzierungslösungen und die Überprüfung der Bonusmechanismen im Rahmen des EVF, um so Bedingungen für die Unterstützung gemeinsamer Beschaffung von Ausrüstung, gemeinsamer Instandhaltung und gemeinsamer Einsätze zu schaffen.

Damit Militärtechnologien und Militärgüter, die aus dem EVF finanziert worden sind, einen angemessenen und wettbewerbsfähigen Zugang zu den internationalen Märkten erhalten, fordert die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten auf, nach einem Ansatz zu suchen, der sie nicht gegenseitig daran hindern würde, gemeinsam entwickelte Militärtechnologien und Militärgüter in ein Drittland auszuführen. Da für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für militärische Ausrüstung die EU-Mitgliedstaaten selbst zuständig sind, soll sichergestellt werden, dass nicht in die souveränen Entscheidungen der Mitgliedstaaten eingegriffen wird.

Der "Fahrplan für kritische Technologie für Sicherheit und Verteidigung" im Überblick

Mit dem "Fahrplan für kritische Technologie für Sicherheit und Verteidigung" soll die Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit des Sicherheits- und Verteidigungssektors der EU gestärkt werden. Der Fahrplan sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Aufforderung der EU-Mitgliedstaaten, aktiv zur Beobachtungsstelle für kritische Technologien beizutragen, die zurzeit eingerichtet wird;
  • Förderung von Forschung und Innovation mit doppeltem Verwendungszweck auf EU-Ebene;
  • Aufforderung der EU-Mitgliedstaaten, im Zusammenhang mit dem Strategischen Kompass ein EU-weit koordiniertes Konzept für kritische Technologien zu entwickeln;
  • Unterstützung von Innovationen und Entrepreneurship in Bezug auf Sicherheit und Verteidigung durch eine Reihe von neuen Instrumenten (beispielsweise Inkubatoren und Mischfinanzierungsfazilitäten);
  • Einrichtung eines EU-Innovationsprogramms für den Verteidigungsbereich gemeinsam mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), um die entsprechenden Anstrengungen zusammenzuführen;
  • gegebenenfalls systematischere Bewertung von Sicherheits- und Verteidigungserwägungen bei der Umsetzung und Überprüfung bestehender sowie der Konzeption neuer Industrie- und Handelsinstrumente der EU.

Als einen weiteren Aspekt nennt der Fahrplan die Verringerung der strategischen Abhängigkeiten bei kritischen Technologien und Wertschöpfungsketten. Die Europäische Kommission schlägt vor, wichtige Industrie- und Technologieinitiativen der EU (beispielsweise Allianzen oder Normen) in die Verteidigungserwägungen zu integrieren und die Sicherheits- und Verteidigungsinteressen der EU bei der Beschaffung kritischer Infrastrukturen, insbesondere im digitalen Bereich, zu schützen. Des Weiteren sollen ausländische Direktinvestitionen in diesem Sektor durch nationale Überprüfungsmechanismen der EU-Mitgliedstaaten verstärkt überwacht werden.

Initiative soll auch Verteidigung im Weltraum und Cybersicherheit umfassen

Im Bereich der Verteidigungsdimension im Weltraum wird die Europäische Kommission mit Hilfe der Industrie und durch zusätzliche SST-Dienste (Beobachtung und Verfolgung von Objekten im Weltraum; Englisch: Secure Systems & Technologies, SST), den Schutz der Weltraumressourcen der EU verstärkt schützen. Zusätzlich werde man Möglichkeiten sondieren, bei Angriffen aus dem Weltraum oder Bedrohungen von Weltraumressourcen, Solidaritätsmechanismen, Mechanismen zur gegenseitigen Unterstützung und Krisenreaktionsmechanismen in Anspruch zu nehmen, so die Überlegungen der Kommission.

Die Europäische Kommission sieht auch ein Gesetz zur Abwehrfähigkeit gegenüber Cyberangriffen vor, um die Cybersicherheit und -abwehr zu stärken. Zusätzlich beabsichtigt sie, die europäische Normungsorganisation aufzufordern, harmonisierte Normen für Cybersicherheit und Privatsphäre zu entwickeln und gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten die Abwehrbereitschaft für Cybervorfälle in großem Maßstab zu verbessern. Dazu wird man bis Ende 2022 gemeinsam mit dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik eine Aktualisierung des gemeinsamen Aktionsplans vorschlagen, um die militärische Mobilität innerhalb Europas und darüber hinaus zu erhöhen. Auf der Agenda stehen weitere Maßnahmen, um verteidigungsbezogene Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen.

Die nächsten Schritte: Prüfung der Umsetzung in den kommenden Jahren

Die Maßnahmen der Initiative sollen in den kommenden Jahren eingeleitet und umgesetzt werden. Beim vom französischen Ratsvorsitz ausgerichteten Sondertreffen der Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister anlässlich des informellen EU-Gipfels in Frankreich am 10. und 11. März 2022 sollen die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Verteidigung erörtert werden.

Hintergrund: Schritte auf dem Weg zur Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur

Der "Strategische Kompass der EU für Sicherheit und Verteidigung" ist ein Dokument des Rates unter Federführung des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, mit dem die EU-Mitgliedstaaten durch konkrete Ziele und Ergebnisse für die kommenden 5 bis 10 Jahre gemeinsam auf die Bedrohungen und Herausforderungen reagieren sollen, mit denen die EU konfrontiert ist. Der Rat wird den Kompass voraussichtlich im März 2022 annehmen.

Mit dem "Fahrplan für kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung" reagiert die Kommission auf ein Ersuchen des Rates vom 25. und 26. Februar 2021, einen Technologie-Fahrplan vorzulegen, mit dem Forschung, technologische Entwicklung und Innovation angekurbelt und die strategischen Abhängigkeiten der EU bei kritischen Technologien und Wertschöpfungsketten verringert werden.

Im Aktionsplan der Kommission für Synergien zwischen der zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie vom Februar 2021 wurde die wachsende Bedeutung von disruptiven und Schlüsseltechnologien aus dem Zivilbereich für die künftige Sicherheit und Verteidigung Europas und die Notwendigkeit anerkannt, die gegenseitige Bereicherung und Synergien zwischen zivilen und Verteidigungstechnologien zu fördern.

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