Regierungsklausur: Arbeitsmarkt und Wirtschaft standen am zweiten Tag im Zentrum

Bundesregierung startet Qualifizierungsoffensive am Arbeitsmarkt – geringfügiger Zuverdienst bei Arbeitslosengeldbezug soll großteils nicht mehr möglich sein

Der zweite Tag der Regierungsklausur stand im Zeichen des Arbeitsmarkts und der Wirtschaft. Unter Einbindung der AMS-Vorstände Johannes Kopf und Petra Draxl beriet die Regierung über wirksame Maßnahmen, um sowohl der Arbeitslosigkeit als auch dem Fachkräftemangel in Österreich wirksam zu begegnen. Arbeits- und Sozialministerin Korinna Schumann informierte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und Bildungsminister Christoph Wiederkehr über die Vorhaben der Regierung, insbesondere die geplante Fachkräfteoffensive.

Schumann: Höhere Qualifikation lohnt sich für alle

Die Arbeits- und Sozialministerin betonte, dass der heimische Arbeitsmarkt angesichts "der seit 3 Jahren andauernden Rezession erstaunlich stabil" sei. "Trotzdem haben fast 400.000 Menschen derzeit keine Arbeit. Das ist eine bestürzend hohe Zahl. Daher ist es uns ganz wichtig, hinzuschauen, wo Handlungen gesetzt werden können, um für arbeitslose Menschen optimale Chancen zu ermöglichen." Dabei seien insbesondere Bildung und Weitbildung mit dem Ziel einer höheren Qualifikation ein zentraler Schlüssel für Arbeitsmarkt und Wirtschaft.

"Höhere Qualifikation ist eine Investition, die sich für alle lohnt: Für die Menschen, die Unternehmen, und natürlich auch für die gesamte Gesellschaft, weil wir eine höhere Produktivität erreichen“, erläuterte die Arbeits- und Sozialministerin. Gerade in dieser Phase des Wandels, "sei es der Klimawandel, sei es die Frage der demografischen Entwicklung, des Älterwerdens der Gesellschaft, der Auswirkungen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz", sei es umso wichtiger, auf Qualifizierung und Weiterbildung zu setzen.

Fachkräfteoffensive mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Pflege

Die Ministerin verwies beim Thema Fachkräftemangel auf das zunehmende Ungleichgewicht zwischen offenen Stellen und den Kompetenzen der Arbeitssuchenden. Um dieser Situation zu begegnen, habe man sich darauf geeinigt, "eine Qualifizierungsoffensive für Arbeitslose und Beschäftigte in den Bereichen ökologischer Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung voranzutreiben". Diese Fachkräfteoffensive würde auch eine "arbeitsmarktpolitische Pflegeoffensive" umfassen, weil gerade in diesem Bereich viele Beschäftigte benötigt würden.

Schumann verwies zudem auf das bereits kürzlich vorgestellte Nachfolgemodell der Bildungskarenz, die Weiterbildungszeit. Der Fokus soll hier auf Menschen mit geringer Qualifizierung liegen sowie die Ausbildung von Frauen in den Bereichen Handwerk und Technik. Wichtig sei auch eine Qualifizierungsoffensive zur Beschäftigungsförderung älterer Menschen, "weil wir ja auch schauen wollen, dass wir das faktische Pensionsantrittsalter anheben". Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen müsse vereinheitlicht und vereinfacht werden. "Und wir werden einen Fokus auf Menschen legen, die in Teilzeit arbeiten, um ihnen verstärkt Möglichkeiten und Anreize zu geben, den Wechsel in die Vollzeit zu schaffen", so die Ministerin.

Schließlich bleibe die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von zentraler Bedeutung: "Das heißt, hier muss es einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen und die Angebote in der Pflege geben", so die Arbeitsministerin. Bei all diesen Maßnahmen ersuche man auch "die Unternehmen ganz dringend, in die Weiterqualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren". In der aktuellen Phase der Rezession werde mit dieser Fachkräfteoffensive eine wichtige Maßnahme gesetzt, "um in die Zukunft zu investieren und damit das Fachkräftepotenzial zu haben, das wir brauchen", so Schumann abschließend.

Hattmannsdorfer: Leistungsanreize in der Arbeitslosenversicherung

Für Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit die wirksamste Maßnahme für mehr Beschäftigung und höhere Gehälter. Dazu müsse der Arbeitsmarkt die nötigen Rahmenbedingungen bieten. Derzeit spiegle einerseits die gesellschaftliche Entwicklung die Situation bei der Arbeitslosigkeit wieder: "Die Teilzeitquote ist regelrecht explodiert. Sie liegt aktuell bei 30,9 Prozent." Dazu komme noch der demografische Wandel: "Die Babyboomer beginnen schrittweise in Pension zu gehen. In den nächsten 10 Jahren haben wir einen strukturellen Saldo von 500.000 Menschen, die uns am Arbeitsmarkt fehlen werden."

Bei den bereits heute im Ministerrat vorgelegten Maßnahmen liege der Fokus auf der Qualifizierung. "Wir müssen strategisch entscheiden, wohin wir Menschen mit unseren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen lenken wollen. Hier geht es um eine Höherqualifizierung im industriellen Bereich." Zudem lege man viel Wert auf die Zukunftsbranchen: "Dabei handelt es sich neben der Umwelttechnologie vor allem um den Sozialbereich mit der Pflege." Und schließlich müsse man sich auf jene Zielgruppen konzentrieren, bei denen noch hohe Potenziale liegen: "Das sind ältere Beschäftigte, Jugendliche und Frauen, wobei es dabei um den Zugang zu technischen Berufen geht."

Kompetenzstellen für die Anerkennung von Berufsabschlüssen

Hinsichtlich der qualifizierten Zuwanderung müsse man bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen besser werden, bei der man derzeit viel zu langsam sei erklärte Hattmannsdorfer. Zudem brauche man mehr Leistungsanreize im Sozialsystem, etwa im Bereich der Arbeitslosenversicherung. "Wir legen deswegen im Ministerrat vor, die Geringfügigkeit in der Arbeitslosenversicherung großteils abzuschaffen, weil das nicht die entsprechenden Anreize schafft, die wir für den Arbeitsmarkt brauchen", so der Wirtschaftsminister. "Die Bundesregierung bekennt sich klar dazu, dass wir Leistung in Österreich brauchen – durch Anreize in der Arbeitslosenversicherung und durch ein starkes Paket zur Qualifizierung. Ziel ist es, die Anzahl der geleisteten Stunden in Österreich zu erhöhen", betonte Wolfgang Hattmannsdorfer abschließend.

Wiederkehr: Weiterqualifizierung hat positiven Effekt auf die Gesamtwirtschaft

"Eine wichtige Voraussetzung für einen guten Arbeitsmarkt ist eine gute Bildung. Das gilt für den Bereich der Elementarpädagogik, der Schule, aber dann auch über das Schulsystem hinaus", so Bildungsminister Christoph Wiederkehr. Eine gute Aus- und Weiterbildung sowie die Möglichkeit, sich weiterqualifizieren zu können, sei gut für die einzelne Person, habe aber auch einen positiven Effekt auf die Gesamtwirtschaft.

Wiederkehr erinnerte daran, dass es trotz der Arbeitslosigkeit in einigen Bereichen noch immer einen deutlichen Fachkräftemangel gebe. Deshalb müssten eine höhere Qualifizierung und lebenslanges Lernen forciert werden. So würden etwa 45 Prozent der Arbeitslosen maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Deren Situation werde sich in Zukunft verschärfen, aufgrund von Digitalisierung, Automatisierung und künstlicher Intelligenz. Durch Weiterqualifizierung bestehe aber die Chance, diese Arbeitskräfte für die benötigten Jobs zu ermächtigen. "Hier sehe ich mich als Bildungsminister in einer wichtigen Verantwortung, dass junge Menschen jene Grundqualifikationen mitbringen, um auf den Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts vorbereitet zu sein", so Wiederkehr.

Nostrifizierungen, Vollzeit, Elementarpädagogik als Schwerpunkte

Zudem müsse Österreich insbesondere im Bereich der im Ausland erworbenen Abschlüsse und Nostrifizierungen nachschärfen. Für Personen, die nach Österreich kommen, aber auch für die heimische Wirtschaft sei es von großer Bedeutung, dass Qualifizierungen anerkannt werden. "Hier müssen wir besser werden. Hier müssen wir schneller werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass in jedem Bundesland andere Verfahren gelten", so Wiederkehr. Nachschärfungen müsse es auch im Bereich der Vollzeitarbeit geben, denn Österreich verfüge über eine hohe Teilzeitarbeitsquote. Es seien mehr Menschen in Beschäftigung, die aber in Summe weniger Stunden an Arbeitskraft leisten. "Das ist schlecht für unsere Produktivität. Hier müssen wir Anreize setzen, wieder mehr in Vollzeit zu arbeiten", so Wiederkehr.

Darüber hinaus solle auch die Förderung der Elementarpädagogik forciert werden. Bis zum Jahr 2029 werde es in diesem Bereich einen Bedarf von 20.000 Arbeitskräften geben. "Hier wird es unsere Aufgabe sein, zusätzliche Ausbildungsmaßnahmen zu forcieren, um Personen in dieses wichtige Berufsfeld zu bringen", so der Minister. Insbesondere im ländlichen Bereich sei die Kinderbetreuung essentiell, um überhaupt einem Vollzeitjob nachgehen zu können. "Das wird in den nächsten Wochen ein großer Schwerpunkt sein, worüber wir auch noch gesondert informieren werden", so Wiederkehr abschließend.

Bilder von der Regierungsklausur sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.