Bundeskanzler Nehammer bei EU-Gipfel: Veränderte Situation in Syrien bewerten und Lockerung von Sanktionen prüfen Europäischer Rat in Brüssel im Zeichen außenpolitischer Themen
"Ein besonderer Fokus der Ratstagung galt dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der Lage in Syrien sowie der Kooperation mit der neuen Administration der Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer nach Abschluss des EU-Gipfeltreffens in Brüssel am Donnerstag. Auf der Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs standen neben Beratungen über die Lage in Nahost und die weitere Unterstützung der Ukraine auch eine Debatte über Migration sowie die künftige Entwicklung der Beziehungen zur USA unter der Präsidentschaft von Donald Trump. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war Gast beim EU-Gipfeltreffen und nutzte die Gelegenheit, um Europa und die USA zur Einigkeit gegenüber Russland aufzurufen.
Energieversorgung in der Ukraine und Gastransit in die EU
"Präsident Selenskyj hat noch einmal auch auf die schwierige Situation vor Ort hingewiesen, insbesondere durch die Angriffe auf die zivile Infrastruktur", berichtete Bundeskanzler Nehammer von der Debatte. Gerade im Bereich der Energieversorgung sei das in der kalten Jahreszeit ein großes Problem. Daher sei Hilfe für die Ukraine dringend notwendig. Von Seiten Österreichs als militärisch neutrales Land erfolge dies jedoch nicht durch Waffen und Munition, sondern durch substanzielle Unterstützung im Bereich der Infrastruktur oder bei der Entminung. Auch die Frage des Gastransits durch die Ukraine sei besprochen worden. Der Bundeskanzler betonte, dass es Österreich geschafft habe, sich unabhängig von russischem Gas zu machen. "Die Speicher sind nach wie vor gut gefüllt und es werden Kapazitäten geschaffen, andere Gasquellen wie zum Beispiel aus Norwegen zu erschließen", so Nehammer zur Versorgungslage in Österreich. Gleichzeitig gebe es die Zusage, dass der deutsche Bundestag die Gasspeicherumlage aufgeben werde, was ein wichtiger Schritt sei, um die Preise stabil zu halten.
Ukraine: Gemeinsam Möglichkeiten für einen Waffenstillstand ausloten
Bereits zum Auftakt des EU-Gipfels verwies der Bundeskanzler vor Journalisten in Brüssel auf die Notwendigkeit, gemeinsam mit der Ukraine über mögliche Szenarien nachzudenken, die zu einem Waffenstillstand und letztlich Frieden führen könnten. "Entscheidend ist, dass die Ukraine am Verhandlungstisch vertreten ist und gemeinsam mit der Europäischen Union ein Prozess in Gang gesetzt wird, in welchem die Konfliktparteien miteinander sprechen."
Mögliches Sanktionsende gegenüber Syrien
Die EU-Staats- und Regierungschef forderten im Rahmen des Gipfeltreffens die EU-Kommission und die EU-Außenbeauftragte auf, Optionen für mögliche Maßnahmen zur Unterstützung Syriens zu erarbeiten. In der Debatte sei es vor allem um die Einschätzung gegangen, wie die neuen Machthaber zu beurteilen seien, so Nehammer. "Da liegt noch vieles im Ungewissen. Aber durch den Niedergang des Assad-Terrorregimes ist jetzt neue Hoffnung entstanden." Wichtig sei im laufenden Prozess, dass die Europäische Union über ein Ende der Sanktionen gegen Syrien diskutiert. Wobei dafür entscheidend sei, welche Fortschritte die jetzigen Machthaber in Syrien machen, "damit es ein sicheres, stabiles Land ist, in dem die Minderheiten- und Menschenrechte gewahrt werden".
Die Türkei spiele dabei eine Schlüsselrolle, so der Kanzler mit Verweis auf die über zwei Millionen syrischen Flüchtlinge dort. Daher sei eine enge Abstimmung zwischen der EU und der Türkei wichtig. Nehammer hob auch die "sensible Situation" der Kurdinnen und Kurden in Nordsyrien hervor. Die Türkei habe hier große Sicherheitsinteressen, weil es um den Kampf gegen die Terrororganisation PKK gehe. "Auf der anderen Seite haben viele kurdische Milizen an der Seite der US-Amerikaner gegen den Islamischen Staat gekämpft", so der Bundeskanzler.
Österreich bietet Rückkehrhilfe für Syrerinnen und Syrer an
"Wir erleben in Syrien eine völlig veränderte Situation. Das hat auch in Österreich Konsequenzen", so Bundeskanzler Nehammer mit Verweis auf laufende Asylverfahren und Familienzusammenführungen, die nun ausgesetzt würden, um die Lage neu zu überprüfen. "Das ist aus meiner Sicht richtig und wichtig, um in weiterer Folge zu ermöglichen, dass syrische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auch wieder in ihre Heimat zurückkehren und einen Beitrag zum Wiederaufbau ihres Landes leisten können." Die Türkei sei dabei ein wichtiger Partner für die Europäische Union. Gemeinsam gehe es nun darum, die Lage ständig neu zu prüfen und zu bewerten. "Österreich bietet allen, die freiwillig zurückkehren wollen, eine Rückkehrhilfe in der Höhe von bis zu 1.000 Euro plus Übernahme der Reisekosten an", erläuterte der Kanzler. Auch andere EU-Staaten würden ebenfalls Asylverfahren aussetzen und neu bewerten.
Gute Zusammenarbeit der EU mit der USA angestrebt
Bundeskanzler Nehammer äußerte sich nach dem EU-Gipfel auch zu den Beziehungen zur USA: Die Staats- und Regierungschefs seien sich einig darin gewesen, dass eine gute Zusammenarbeit mit der neuen Administration unter Präsident Donald Trump von größter Bedeutung sei, gerade im Bereich Sicherheit. Dies gelte aktuell insbesondere für den Russland-Ukraine-Konflikt wie die Lage in Syrien. Trump sei "ein Gegner jeglichen Kriegs" und gleichzeitig bekannt dafür, dass er "gute Deals" anstrebe, so Nehammer weiter. Jetzt müsse man in Gesprächen ausloten, wie die neue Sicherheitsstrategie der USA aussehe. Es gebe einige europäische Persönlichkeiten, die gute Beziehungen zu Trump hätten.
Kooperation mit Westbalkanstaaten weiter stärken
Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel Mittwochabend war bereits von Seiten der EU wie auch seitens der Westbalkanländer die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit bekräftigt worden. Bundeskanzler Nehammer betonte in seinem Statement vor der Ratstagung einmal mehr die Bedeutung der EU-Erweiterung in dieser Region. "Österreich setzt sich hier für eine graduelle Integration ein." Demnach solle den jeweiligen Staaten nach Abschluss von Verhandlungskapiteln gleich anschließend die Möglichkeit gegeben werden, direkt davon zu profitieren.
Bilder aus Brüssel sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts http://fotoservice.bundeskanzleramt.at kostenfrei abrufbar.