Abschlussbericht der Studie zu weiblicher Genitalverstümmelung veröffentlicht

Erstmals wird ein umfassendes Bild zur Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung bekannt

Weibliche Genitalverstümmelung ist schwere Körperverletzung mit dauerhaften Folgen. Die tatsächliche Anzahl der Frauen in Österreich, die von dieser ehrkulturellen Gewaltform betroffen ist, war bisher nicht gänzlich bekannt. Mit dem Abschlussbericht der Studie "Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) in Österreich" wird erstmals ein umfassendes und evidenzbasiertes Bild zur Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung sowie die Situation der Betroffenen präsentiert.

"Weibliche Genitalverstümmelung ist über Migrationsbewegungen leider auch in Österreich traurige Realität geworden. Tausende Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sind betroffen, weshalb wir die bundesweite Koordinationsstelle ins Leben gerufen haben. Die Koordinationsstelle leistet Aufklärungsarbeit aber auch Nachsorge und bietet Betroffenen eine niederschwellige Anlaufstelle. Mit der Studie über weibliche Genitalverstümmelung werden nun erstmals wichtige Erkenntnisse über die Situation in Österreich geliefert und innovative Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Diese frauenverachtenden Praktiken müssen verhindert werden und haben in Österreich keinen Platz", so Bundesministerin Susanne Raab.

Der auf einer statistischen Hochrechnung basierenden Schätzung zufolge gibt es in Österreich knapp 11.000 von FGM/C Betroffene, zwischen 1.700 und 3.000 weitere Mädchen gelten als von FGM/C bedroht. Die Hälfte der Betroffenen dürfte dabei aus Ägypten stammen, etwa ein Viertel aus Somalia, dahinter folgen eine Vielzahl anderer Länder (u.a. Nigeria, Äthiopien, Irak, Sudan). Zeitpunkt und Form der Beschneidung unterscheiden sich dabei ebenso wie die Begründungen je nach Herkunft.

Die Studienergebnisse zeigen auch, dass viele Gesundheitsfachkräfte in Österreich nicht ausreichend über weibliche Genitalverstümmelung und die entsprechenden Gesetze informiert sind. Empfohlen wird daher eine verbesserte Ausbildung des Gesundheitspersonals und ein Ausbau der ganzheitlichen Versorgung, einschließlich Dolmetscher- und psychologischer Unterstützung. Zusätzlich zeigt die Studie auf, welche Folgen der Wissensmangel in den Communitys, vor allem in Bezug auf die rechtliche Lage bezüglich FGM/C in Österreich, hat.

Studienleiterin Dr. Jirovsky-Platter von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien hält fest: "Mit dieser empirischen Erhebung konnten wir eine wesentliche Forschungslücke in diesem Bereich schließen und zahlreiche Erkenntnisse gewinnen, auf welchen zukünftig aufgebaut werden kann. Die Studienergebnisse zeigen, dass in der Versorgung der von FGM/C betroffenen Mädchen und Frauen in Österreich, vor allem im niedergelassenen Gesundheitsbereich, noch Wissenslücken beim betreuenden Personal bestehen. Die Bekämpfung von FGM/C erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl präventive Maßnahmen als auch die Unterstützung bereits betroffener Mädchen und Frauen umfasst. Vorbeugung durch umfassende Aufklärung bei potenziell Betroffenen und deren Angehörigen sowie die Schulung des Gesundheitspersonals und die gezielte Versorgung von Betroffenen im physischen und psychischen Sinne erachte ich als zielführende Herangehensweise. Es gibt noch viel zu tun."

Koordinationsstelle

Im September 2021 wurde die "FGM Koordinationsstelle" zu weiblicher Genitalverstümmelung als zentrale Anlaufstelle für Betroffene im Frauengesundheitszentrum FEM Süd eröffnet. Besonders die Aufklärungs- und Präventionsarbeit gilt als wichtiges Ziel der Koordinationsstelle, um die nächste Generation von Mädchen und Frauen zu schützen. Die Koordinationsstelle wird vom Institut für Frauen- und Männergesundheit (FEM, FEM Süd & MEN) durchgeführt und vom Bundeskanzleramt im Rahmen der Nationalen Integrationsförderung gefördert.

Weiterführende Informationen

Abschlussstudie: Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) in Österreich (PDF, 1 MB)