Bundeskanzler Nehammer: Unabhängig von fossiler Energie werden
Regierungsklausur in Mauerbach – UVP-Verfahren und Ausbau erneuerbarer Energie beschleunigen – Arbeitswelt weiterentwickeln
"Wir haben eine intensive Arbeitsklausur hinter uns gebracht, es wurde bis in die Morgenstunden hinein verhandelt. Es geht hier nicht um Inszenierung, sondern darum, dass man als Regierungsteam für die Menschen gute Arbeit leistet. Das Jahr 2022 ist der beste Beweis dafür, dass diese Regierung nicht nur Versprechen macht, sondern sie vor allem auch hält", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer in einer Pressekonferenz im Anschluss an die Regierungsklausur im niederösterreichischen Mauerbach. Der Kanzler erinnerte am Beginn seines Statements an die erfolgten Entlastungsmaßnahmen der Regierung im Zuge der Teuerungen, an Strukturreformen, wie die ökosoziale Steuerreform oder die Abschaffung der kalten Progression sowie an Maßnahmen zur Ernährungssicherheit oder zur Absicherung des Wirtschafts- und Arbeitsstandorts Österreich.
"Gleichzeitig ist es für uns als Regierung wichtig, dass wir das, was wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen haben, abseits aller Krisenbewältigung auch tatsächlich umsetzen und wir Österreich damit in die Lage versetzen, unabhängiger und freier zu werden", hielt der Kanzler fest. Das sei durch die intensiven Beratungen nun auch ein Stück gelungen.
Beschleunigter Ausbau von erneuerbarer Energie – effizientere UVP-Verfahren
So habe man sich zum einen das Ziel gesetzt, Verfahren zu beschleunigen. "Wenn wir davon sprechen, erneuerbare Energie in den Vordergrund zu rücken und unabhängig von fossiler Energie zu werden, dann brauchen wir dazu Maßnahmen, die Unternehmen wie Menschen auch tatsächlich in die Lage versetzen, das zu tun. Wir haben uns daher darauf geeinigt, dass das UVP-Verfahren beschleunigt, verkürzt und effizienter gestaltet wird", so der österreichische Regierungschef. Auch soll der Ausbau von erneuerbarer Energie beschleunigt werden, indem zum Beispiel durch One-Stop-Shops die Genehmigungen für Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen vereinfacht werden. Um sich unabhängiger von russischem Gas zu machen, wolle man zudem die eigenen Ressourcen intensiver zu nutzen, indem Regelungen getroffen werden, um Biogas verstärkt nützen zu können. So soll eine Produktion von bis zu 10 Terrawattstunden pro Jahr an Biogas erreicht werden.
Weiterentwicklung der Arbeitswelt
Gleichzeitig sei es wichtig, die Arbeitswelt nicht aus dem Auge zu verlieren, hob der Bundeskanzler einen weiteren wichtigen Aspekt der Klausur hervor: "Dieser Bundesregierung ist es wichtig, dass weiterhin der Grundsatz in Österreich gelebt wird, dass sich Leistung lohnen muss und soll. Dass wir alles daran setzen, den Arbeitsmarkt ständig so weiterzuentwickeln, dass wir auch hier alle Ressourcen, die bestehen, besser nutzen können." Daher wolle die Regierung die Möglichkeit zu einer geblockten Altersteilzeit abschaffen. Weiters werde sich eine Arbeitsgruppe mit der komplexen Rechtsmaterie beschäftigen, wie man bei Menschen, die mehr arbeiten, die Abgabenlast senken und wie man Menschen, die länger arbeiten wollen und können, entlasten kann, da sie ihrerseits durch ihre längere Berufstätigkeit das System insgesamt entlasten.
Lücken im Antikorruptionsgesetz werden geschlossen
"Dieser Koalition war es von Beginn an wichtig, nicht nur über Transparenz zu sprechen, sondern sie auch umzusetzen", berichtete der Bundeskanzler weiter über die Ergebnisse der Klausur und zeigte sich erfreut darüber, dass die Regierung nach dem Beschluss des "strengsten Parteienfinanzierungsgesetzes in Europa", der Veröffentlichungspflicht von Studien und einem innovativen und modernen Medientransparenzgesetz nun wichtige Maßnahmen gesetzt habe, um die Lücken im Anti-Korruptionsgesetz zu schließen.
"Diese Bundesregierung arbeitet mittlerweile seit 36 Monaten: 36 Monate intensiver Auseinandersetzung, Diskussionen, aber auch Lösungen, trotz aller unterschiedlichen ideologischen Zugänge. Dieses Jahr 2023 wird ein arbeitsreiches und intensives. Aber gleichzeitig freue ich mich darauf, gemeinsam mit dem Vizekanzler und dem Regierungsteam mit harter und redlicher Arbeit die Österreicherinnen und Österreicher wieder davon zu überzeugen, dass Politik und Vertrauen einander bedingen", so Nehammer abschließend.
Vizekanzler Kogler zur Energiesicherheit: Speichern, Diversifizieren und Substituieren weiterhin wichtig
Vizekanzler Werner Kogler betonte zu Beginn seines Statements, dass die Einschätzungen der Experten eine wichtige Basis für die Regierungsklausur waren: "Fundierte Szenarien und der enge Austausch mit Expertinnen und Experten sind ein wesentlicher Baustein für faktenbasierte Politik." Der Vizekanzler hob hervor, dass im Bereich der Energiesicherheit bereits vieles gelungen sei: "Wir konnten mehr Unabhängigkeit von russischem Gas erreichen, bei trotzdem hohen Gasspeicherständen." Auch bei der Energieeffizienz und der Reduktion im Verbrauch würden sich Fortschritte zeigen. "Auf das Erreichte können wir aufbauen. Wobei das Speichern, Diversifizieren und Substituieren weiterhin wichtig bleibt", so Kogler.
Für mehr Unabhängigkeit und Sicherheit sei es notwendig, "jetzt noch dringender und nachhaltiger die Energiewende zu verfolgen". Es sei Aufgabe der Politik, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen und aus dem Transformationsprozess "Chancen zu generieren". So sei es bei der Photovoltaik (PV) bereits gelungen, eine "massive Vervielfachung" der PV-Anlagen in Österreich zu erreichen. "Aber es muss und wird noch viel mehr von der Regierung unternommen werden", betonte Kogler mit Verweis auf den weiteren Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Das von der Regierung vereinbarte Energie-Paket umfasse daher Maßnahmen für schnellere Verfahren für Kraftwerke im Zuge der UVP-Novelle, eine Ausbau-Offensive für PV-Anlagen mittels eines "Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes" sowie eine Ausweitung der Förderungen für PV-Anlagen. Zudem sollen Maßnahmen zur Stärkung der Biogasproduktion in Österreich gesetzt werden. Dieses Gesamtpaket bedeute "ganz große Schritte" in Richtung Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit, freute sich der Vizekanzler.
Verschärfungen im Korruptionsstrafrecht
Kogler kündigte für den folgenden Tag die Präsentation von Verschärfungen im Anti-Korruptionsgesetz an, die zusammen mit bereits gesetzten Maßnahmen einen Lückenschluss bei den Anti-Korruptionsbestimmungen bringen würden. Mit dem Parteienfinanzierungsgesetz sei bereits ein "großer Baustein in diesem Bereich" gelungen. Wichtig seien zudem die neuen Transparenzerfordernisse für steuerfinanzierte Studien und Umfragen. Zusammenfassend stellte der Vizekanzler fest, dass die Regierung "in großen Schritten vorankomme", noch viel zu tun sei und "ein arbeitsreiches Jahr vor uns liegt".
Kocher: Bildungsbonus 2024 für zweites Ausbildungsjahr
Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher bezog sich auf die für den Arbeitsmarkt relevanten Themen im Rahmen der Verhandlungen: "Ein Beschluss der Klausur ist die Verlängerung des Bildungsbonus. Das ist unter anderem für die Deckung der Lebenshaltungskosten vor allem bei längeren Umschulungen und Ausbildungen wichtig. Wir werden den Bildungsbonus 2023 verlängern und 2024 eine dritte Stufe hinzufügen, wobei man im zweiten Ausbildungsjahr über 300 Euro pro Monat zusätzlich bekommt." Der zweite Punkt sei das langsame Auslaufen der geblockten Altersteilzeit: "Die reguläre Altersteilzeit bleibt bestehen, aber die Blockvariante am Ende wird in den nächsten Jahren langsam auslaufen, das startet mit dem 1. Jänner 2024. Das ist ebenfalls eine wichtige Maßnahme angesichts des Fachkräftemangels."
Anreize für die Beschäftigung von Älteren
Als Teil einer umfassenden Fachkräftestrategie habe man eine Reihe von weiteren Maßnahmen diskutiert. "Es wird eine Reformgruppe geben, die sehr rasch im Bereich 'Beschäftigung von Älteren' Anreize behandelt. Es geht dabei um Begünstigungen bei Steuern oder Abgaben, aber auch darum, wie man Arbeiten im Alter attraktiver macht", so Kocher. Bis zum Ende des Quartals solle die Reformgruppe entsprechende Vorschläge machen. Es werde auch eine steuerliche Attraktivierung von Überstunden besprochen werden. Die Möglichkeit dazu im Einkommensteuerrecht sei schon sehr lange nicht angepasst worden. "Es geht darum, dass viele Menschen durch den Arbeitskräftemangel Überstunden machen müssen."
Zur Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes und zum Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz äußerte sich der Arbeits- und Wirtschaftsminister ebenfalls: "Ich halte die Beschleunigung und die Verfahrensvereinfachung wichtig, um die angesprochenen Ziele rasch zu erreichen und damit die Transformation der Wirtschaft zu ermöglichen."
Gewessler: Turbo für erneuerbare Energie zünden
"Unser Land steht vor großen Herausforderungen, das vergangene Jahr war außergewöhnlich. Außergewöhnlich herausfordernd für alle die Verantwortung tragen, aber auch außergewöhnlich schwierig für viele Menschen in diesem Land", betonte Bundesministerin Leonore Gewessler. Ob unsichere Energieversorgung oder die Klimakrise, der zentrale gemeinsame Nenner der verschiedenen Herausforderungen sei die Energiewende. "Wir zünden im kommenden Jahr den Erneuerbaren-Turbo in Österreich", verkündete die Energieministerin. Mit der Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung soll dafür gesorgt werden, dass erneuerbare Energie massiv ausgebaut werden kann, Windräder zum Beispiel schneller genehmigt werden.
Gewessler: Ausbau von Photovoltaikanlagen und Energie aus Biogas
Auch bei den Photovoltaik-Anlagen zünde man den Turbo, 600 Millionen Euro Förderung und einfachere Genehmigungen, auch für Privatpersonen, sollen hier helfen, denn "mit jedem Panel, das wir installieren, schaffen wir ein Stück Unabhängigkeit in der Energieversorgung". Mit dem Erneuerbare-Gase-Gesetz werde zudem die Produktion von Energie durch Biogas gesteigert werden. "Wir sind im Stande, unsere Situation zu verändern und zu verbessern. In den vergangenen Tagen haben wir das dafür notwendige Werkzeug in die Hand genommen", betonte die Energieministerin zum Abschluss.
Beratungen mit Experten am Beginn der Klausur
Am Beginn der auf 2 Tage anberaumten Klausur standen Beratungen mit namhaften Experten. Gemeinsam mit Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt, dem Chef der österreichischen Energieunternehmen, Michael Strugl, und BMLV-Generalsekretär Arnold Kammel wurde über die Wirtschaftsentwicklung, Energiesicherheit und die geopolitische Lage gesprochen.
Badelt: Arbeitskräftepotential stärker nutzen
Gemäß der Einschätzung von Christoph Badelt, ehemaliger WIFO-Chef und Präsident des Fiskalrates, werde sich die Inflation 2023 leicht verlangsamen und die Lage auf dem Arbeitsmarkt kaum verschlechtern. "Ich begrüße es, dass sich die Regierung auch mit Experten berät und wir auch immer wieder zwischendurch zu Beratungen eingeladen sind. Der Arbeitskräftemangel ist eine große Herausforderung für die Politik insgesamt und hat einen wachstumshemmenden Effekt. Es wird daher für die Zukunft darum gehen, wie man in Österreich ungenutztes Arbeitskräftepotential stärker nutzen kann, beispielswiese durch Anreize zur Erwerbsarbeit auch nach Erreichung des Pensionsalters, aber auch durch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung", so der Wirtschaftsexperte.
Badelt verwies in seinen Ausführungen in Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger auch darauf, dass die Regierung vieles getan habe, um die Transformation anzugehen. "Das ist insbesondere deshalb so wichtig, da Österreichs Industrie aufgrund der Branchenzusammensetzung energieintensiver ist als in anderen Ländern", so Badelt.
Strugl: Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung und der Netzinfrastruktur
Michael Strugl, Chef der österreichischen E-Wirtschaft, gab in seinen Ausführungen einen Ausblick auf mögliche Energieversorgungsszenarien für 2023: "Auch die Energiewirtschaft begrüßt den Austausch mit der Regierung, was insbesondere in dem Krisenjahr 2022 wichtig war, um die Energieversorgungssicherheit zu schaffen. Nur so konnten wir Entwarnung für den Winter geben. Die Basis, dass der Winter gesichert ist, sind die vollen Speicher. Die wichtigsten Prioritäten sind jetzt neben dem Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung vor allem der Ausbau der Netzinfrastruktur und der Speicherkapazitäten für erneuerbaren Strom. So können wir uns resilienter gegenüber den Abhängigkeiten von außen und externen Preisschocks machen", so der Energieexperte, der die Pläne und Gesetze der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien begrüßte. "Es wurden ehrgeizige Ziele gesetzt. Das brauchen wird dringend, um uns für die Zukunft zu rüsten", so Strugl.
Kammel: Abhängigkeiten reduzieren und strategische Partnerschaften vertiefen
Arnold Kammel, Generalsekretär im Verteidigungsministerium, gab den Regierungsmitgliedern einen Überblick über die geopolitische Lage. "Die Sicherheitslage für Österreich und Europa hat sich seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine massiv verändert. Die Verschärfung der geopolitischen Situation macht gesamtstaatliche Krisenvorsorge zunehmend wichtiger. Wirtschaftskonflikte und sich verändernde Handelsrouten haben längerfristige strategische Auswirkungen. Das heißt für uns einerseits, dass wir Abhängigkeiten auf ein geringeres Maß reduzieren müssen und andererseits, dass strategische Partnerschaften immer wichtiger werden", so Kammel.
Nehammer: Situation konnte stabilisiert werden
Bereits zu Beginn der Klausur betonte Bundeskanzler Karl Nehammer, dass die Lage in Österreich im vergangenen Jahr von großen Befürchtungen um die Energieversorgung geprägt gewesen sei. "Die Bundesregierung hat durch viele Beschlüsse und Maßnahmen die Situation stabilisieren können, die Folgen der Teuerung abgefedert und ein besseres Wirtschaftswachstum erreicht als prognostiziert wurde. Dieses starke Fundament können wir jetzt zur Bewältigung der kommenden Herausforderungen nutzen."
Bilder aus Mauerbach sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.