Bundesregierung: "Wir haben die Verantwortung, Mutationen so gut wie möglich zu bekämpfen"
Britische und südafrikanische Varianten um bis zu ein Drittel ansteckender
"Wir sind seit fast einem Jahr durch die Pandemiebekämpfung gefordert. Das ist nicht nur fordernd, sondern teilweise auch ermüdend. Die Situation ist in den letzten Wochen schwieriger und diffuser geworden. Mutationen sind Herausforderungen, mit denen wir jetzt weltweit zu kämpfen haben. In der EU setzt sich im Moment vor allem die britische und leider auch die südafrikanische Variante durch. Nicht anders ist es derzeit in Österreich. In den meisten Teilen Österreichs setzt sich mehr und mehr die britische Mutation durch und in Tirol die südafrikanische. Es gab in den letzten Tagen eine sehr emotionale Debatte zu den Mutationen und zur Frage, wie damit richtig umgegangen werden soll. Gerade in einer solch emotionalen Debatte braucht es einen ruhigen Blick und die Auseinandersetzung mit Fakten, um eine Versachlichung der Diskussion sicherstellen zu können", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer im Bundeskanzleramt.
Bundeskanzler: Ausbreitung der Virusmutation in Österreich verlangsamen
"Ich möchte dazu ein paar Fakten erläutern", so der Kanzler in seinen Ausführungen. "Erstens: Beide Mutationen sind laut Wissenschaft wahrscheinlich um ein Drittel ansteckender und das macht sie gefährlicher und herausfordernder. Zweitens, der große Unterschied ist: Die britische Mutation scheint vollständig von den Impfungen abgedeckt zu sein, die südafrikanische Variante ist aber eine extreme Herausforderung. Erste Studien zeigen, dass AstraZeneca dabei deutlich weniger Wirkung zeigt. Das ist ein großes Problem, weil fast 50 Prozent des Impfstoffes, den wir bis zum Sommer geliefert bekommen, von AstraZeneca stammt." Insofern sei die südafrikanische Variante anders zu behandeln und stelle Österreich vor eine enorme Herausforderung. Daher müsse alles getan werden, um die Ausbreitung dieser Variante zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Eine Adaptierung der Impfstoffe werde Monate brauchen.
Fahrten aus Tirol nur mit verpflichtendem negativen Corona-Test
Derzeit gebe es einzelne Fälle der südafrikanischen Variante quer durch Österreich verteilt. In Tirol sei die Situation aber anders. "Bisher gibt es 400 Verdachtsfälle dieser Variante, 293 wurden bestätigt und über 120 sind derzeit aktiv, die Masse davon im Bezirk Schwaz. Aufgrund dieser Fakten kann es für uns alle nur 2 Ziele geben: Die Ausbreitung in Tirol und darüber hinaus auf andere Teile Österreichs zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen", betonte Sebastian Kurz. "Wir haben uns in der Bundesregierung daher entschieden, die Mobilität aus und nach Tirol einzuschränken, von Reisen wird derzeit abgeraten. Darüber hinaus haben wir uns für eine zeitlich befristete zusätzliche Notwendigkeit entschieden, nämlich: Fahrten aus Tirol werden künftig nur noch mit einem verpflichtenden negativen Corona-Test möglich sein. Das Testergebnis darf nicht älter als 48 Stunden sein. Diese Maßnahme wird ab Freitag in Kraft treten und ist auf 10 Tage befristet. Sie gilt nicht für Osttirol, da diese Region derzeit kaum betroffen ist." Diese Maßnahme sei mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter und der Landesregierung besprochen worden, und werde im Moment von den zuständigen Behörden gemeinsam vorbereitet, so der Regierungschef.
Massives Testangebot in Tirol mit Unterstützung durch das Bundesheer
Neben der Eindämmung einer weiteren Ausbreitung in Österreich sei der Schutz der Tirolerinnen und Tiroler genauso wichtig: "Der Landeshauptmann und die Landesregierung haben ein Paket vorgelegt, in dem auf massives Testen gesetzt wird. Das ist der absolut richtige Weg. Wir haben daher vereinbart, dass das Bundesheer bereitsteht, um die Testungen zu unterstützen und die Ausbreitung auf andere Teile Tirols so gut wie möglich zu verhindern."
"Es ist mir wichtig festzuhalten, dass niemand schuld daran ist, dass es Mutationen gibt. Niemand kann sich aussuchen, mit welchen Mutationen man zu kämpfen hat. Zudem ist es nach fast einem Jahr Pandemie kein Wunder, dass es eine massive Müdigkeit im Kampf dagegen gibt. Aber, und dieser Punkt ist der wichtigste: Wir haben eine Verantwortung quer durch Österreich, Mutationen, bei denen die Impfung schlechter oder kaum wirkt, so gut wie möglich zu bekämpfen", bekräftigte Sebastian Kurz. Wenn das nicht gelinge, dann habe das massive Auswirkungen auf "unser aller Gesundheit". Eine geringere Wirksamkeit des Impfstoffes bedeute auch eine spätere Rückkehr zur Normalität. Dies gelte es zu vermeiden.
"All das, was wir hier besprochen haben, ist keine Schuldfrage, sondern eine Sachfrage. Tirol liegt in der 7-Tage-Inzidenz unter dem Österreichschnitt, es liegt besser als andere Bundesländer. Aber der Ausbruch der südafrikanischen Variante in Tirol ist der derzeit größte bekannte in der Europäischen Union, und dementsprechend muss er auch bekämpft werden", so der Bundeskanzler.
Anschober: "Eingrenzen und alles tun, was tatsächlich machbar ist"
Gesundheitsminister Rudolf Anschober zeigte sich in seinem Statement zunächst sehr erfreut über das stabile Infektionsgeschehen in Österreich, das infolge des Lockdowns erreicht werden konnte. Den größten Unsicherheitsfaktor würden nun die Mutationen darstellen. "Wir wissen aus der Wissenschaft und aus den Prognoseberechnungen, dass es eine Verdrängung gibt: Die Mutationen aus Südafrika und Großbritannien setzen sich auf Kosten des klassischen Virusstammes durch. Das Infektionsrisiko steigt bei den Varianten um ein Drittel oder mehr." Je größer der Anteil der Mutationen sei, desto wahrscheinlicher komme es zu Steigerungen der Infektionszahlen. "Und deshalb müssen wir so darauf schauen, dass wir hier eingrenzen, dass wir alles tun, was hier tatsächlich machbar ist", so Anschober.
Man habe die Sequenzierung in Österreich massiv verstärkt, seit 10 Tagen müsse jeder positive PCR-Wert auch auf Mutationsverdacht überprüft werden. Aufgrund dieser Daten erhalte man ein immer klareres Bild über die Mutationen. So trete B117 verstärkt in Ostösterreich auf. In Summe gebe es bereits 600 Fälle, die dokumentiert seien.
Tirol: 3 zentrale Schritte zur Umsetzung der Schutzverpflichtung der Regierung
Bei der südafrikanischen Virus-Variante stelle sich vor allem die entscheidende Frage nach dem Impfschutz: "Denn würde es sich in einer Gesellschaft durchsetzen, dann haben wir ein großes Fragezeichen bei den Impfungen und die große Perspektive, auf die wir setzen, würde damit in Frage gestellt", zeigte sich der Gesundheitsminister besorgt. Die Studienlage sei noch unklar, aber Tatsache sei, dass es österreichweit außerhalb Tirols 9 Fälle gebe, in Tirol mit 293 vollständig belegten Fällen einen starken Ausbruch. Tirol habe mit seinem Arbeitsprogramm, das eine massive Verstärkung der Kontrolltätigkeiten beinhaltet, zentrale Maßnahmen gesetzt. Hinzu kämen Zugangstestungen bei Seilbahnen und die verstärkte Kontrolle beim Missbrauch von Zweitwohnsitzregelungen. Zudem habe das Land Tirol zugesagt, das Contact Tracing deutlich zu verstärken, was wesentlich dazu beitragen würde, die südafrikanische Mutation möglichst rasch zu begrenzen und die Betroffenen aus dem Infektionsgeschehen herauszulösen.
Reisetätigkeiten nach und aus Tirol reduzieren: Tests ab Freitag, 12. Februar
"Wir wollen all das tun, was sinnvoll und was rechtlich möglich ist. Wir haben uns in diesem Sinn zu einer Testpflicht bei der Ausreise entschlossen, die rechtlich auf dem Epidemie-Gesetz aufbaut", stellte Anschober einen wesentlichen zusätzlichen Schritt gegen die Ausbreitung des Virus vor. Es müsse ein negatives Testergebnis vorgelegt werden, das nicht älter als 48 Stunden ist. "Ich denke wir haben hier unser Ziel, diese Ausbreitung möglichst zu begrenzen und zu reduzieren, sowohl in Tirol als auch darüber hinaus, durch wichtige Schritte realisiert und sind damit unserer Schutzverpflichtung nachgekommen", so der Gesundheitsminister.
Nehammer: Enge Zusammenarbeit der Behörden bei Kontrolle der Testpflicht
Innenminister Karl Nehammer hob in seinem Statement hervor, dass es bereits seit Monaten eine gute und enge Zusammenarbeit der Polizei mit den Tiroler Gesundheitsbehörden gebe. Die Kooperation sei von einem "vertrauensvollen Verhältnis" geprägt und dieser gemeinsame Einsatz werde nunmehr erweitert: "Wir unterstützen jetzt die Gesundheitsbehörden dabei, die Testpflicht beim Verlassen des Bundeslandes Tirol zu kontrollieren", erläuterte der Innenminister. Dies sei ein umfassender Einsatz für alle Beteiligten, der "nur im Miteinander" gut gelingen könne. "Wir sind hier die Partner der Tiroler Bevölkerung, um gemeinsam bestmöglich diese schwierige Zeit zu meistern", so Nehammer. Der Einsatz von Polizei und Gesundheitsbehörden würde zudem vom Österreichischen Bundesheer im Assistenzeinsatz unterstützt werden. Vorgesehen seien "möglichst engmaschige" Kontrollen auf den Straßen, den Eisenbahnrouten und am Flughafen.
"Sich nicht an die Testpflicht zu halten bedeutet auch, dass man mit Konsequenzen rechnen muss", erklärte Nehammer. Dabei seien Strafen bis zu 1.450 Euro möglich. Es sei wichtig, die "Ernsthaftigkeit dieser Maßnahmen" aufgrund des Bedrohungspotenzials zu sehen. Das "große gemeinsame Ziel" sei es schließlich, "das Virus zu überwinden und die Gefahr bestmöglich einzuschränken". Der Einsatz sei vorerst auf 10 Tage beschränkt und man hoffe bis dahin auf eine ausreichende Wirkung der Maßnahmen. Abschließend bedankte sich der Innenminister bei den eingesetzten Polizeikräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller beteiligten Behörden. Sie stünden erneut vor zusätzlichen Belastungen. "Wir sind uns auch bewusst, dass es eine besonders herausfordernde Situation für die Tiroler Bevölkerung ist." Daher danke er all jenen Menschen, die schon bisher mitgewirkt und sich an die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gehalten haben. "Gemeinsam haben wir tatsächlich eine Chance, lassen Sie uns daher durchhalten und zusammenhalten", so Nehammer.
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