Bundeskanzler Kurz: Stufenplan zur Wiedereröffnung des Landes
"Die Coronavirus-Krise ist nach wie vor weltweit eine starke Belastung. Wir erleben, dass das Virus für viele Menschen Krankheit, Leid und Tod bringt. Wir erleben auch, dass es weltweit eine wirtschaftliche Krise auslöst, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt haben. In Österreich ist die Entwicklung der Neuinfektionen eine gute. Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, zeigen Wirkung und wir sind auf einem guten Weg", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Der Kanzler informierte dabei gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer über die Details der weiteren Schritte des Stufenplans zur Wiedereröffnung des Landes.
Unter 100 Neuinfektionen pro Tag
Am Wochenende habe man in Österreich erstmals die Situation gehabt, dass die Zahl der Neuinfektionen auf unter 100 gesunken ist. Österreich zähle damit in Europa, aber auch weltweit, zu den Ländern mit der besten Entwicklung. Das bedeute, dass der Plan der "Wiedereröffnung des Landes" weiter fortgesetzt werden könne, "schrittweise, behutsam und immer mit genauer Beobachtung der Zahlen", so Sebastian Kurz. Die Bewertung werde in einem Rhythmus von jeweils 2 Wochen erfolgen, um immer die Notbremse ziehen zu können, falls es notwendig werde und sich die Zahlen "in die falsche Richtung" entwickeln würden.
"Gut ist aber, dass wir diesen Weg gehen können und dass es für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes Licht am Ende des Tunnels gibt", betonte der Bundeskanzler. Das Motto sei weiterhin klar: "So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig." Es werde weiterhin Regeln geben müssen, aber die "Eigenverantwortung" werde immer wichtiger. So könne man die Regeln lockern und reduzieren. "Aus derzeitiger Sicht spricht nichts gegen unsere Vorhaben."
Neuregelung ab 1. Mai
"Seit einer Woche haben die kleine Geschäfte in Österreich bereits wieder geöffnet. Die nächsten Änderungen soll es nun mit 1. Mai geben", skizzierte der Bundeskanzler das weitere Vorgehen. Das betreffe die Ausgangsbeschränkungen, die in der derzeitigen Form noch bis Ende April gelten. Eine Neuregelung für die Phase ab 1. Mai werde bis kommende Woche präsentiert.
"Ab 1. Mai dürfen alle Geschäfte öffnen und Dienstleistungen wie Friseure, Fußpflege, Maniküre und andere wieder angeboten werden. Dieser Weg scheint aus heutiger Sicht möglich. Es gibt auch hier die Notwendigkeit einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, auch muss auf den Sicherheitsabstand Rücksicht genommen werden", hielt Sebastian Kurz fest.
Schulbetrieb soll stufenweise ab 15. Mai hochgefahren werden – Maturavorbereitungen ab 4. Mai
Was die Schulen betreffe, gebe es einen klaren Plan: "Es ist ein Betreuungsangebot gegeben, für alle, die es brauchen. Ab dem 4. Mai wird die Vorbereitung auf die Matura und die Lehrabschlussprüfungen an den Schulen und Bildungseinrichtungen beginnen. Ziel ist es, dass ab dem 15. Mai stufenweise auch für weitere Schulstufen der Schulbetrieb wieder hochgefahren werden kann", so Sebastian Kurz. Weitere Details dazu wird Bildungsminister Heinz Faßmann noch diese Woche präsentieren.
15. Mai: Gastronomie soll öffnen – Gottesdienste wieder erlaubt
Im Öffentlichen Dienst solle es ebenfalls ab 15. Mai wieder Parteienverkehr geben. Auch für die Gastronomie sei geplant, mit 15. Mai wieder öffnen zu können, allerdings mit Öffnungszeiten bis maximal 23 Uhr und mit der Verpflichtung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Es werde auch Regelungen zur Gruppengröße und zum Abstand in der Gastronomie geben. Diese Details werden ebenfalls in den nächsten Tagen bekanntgegeben.
Zudem sollen Gottesdienste unter gewissen Auflagen und Sicherheitsvorschriften zum Schutz der Gesundheit ab 15. Mai wieder stattfinden können. Über Details dazu wird die zuständige Kultusamtsministerin Susanne Raab in Absprache mit allen Glaubens- und Religionsgemeinschaften am Donnerstag, den 23. April informieren.
Urlaub in Österreich – Reisefreiheit großes Thema
"Viele Menschen planen natürlich auch schon ihren Sommer. Die Reisefreiheit in Europa und der damit verbundene Tourismus ist ein großes Thema. Ich bitte Sie, noch nicht frühzeitig mit uneingeschränkter Reisefreiheit in Europa zu rechnen. Wir sind auf EU-Ebene in Abstimmung." Die Vorgabe der Kommission sei, dass alle Mitgliedstaaten versuchen, mit ihren Nachbarstaaten entsprechende Möglichkeiten zu finden. "Das bedeutet, dass wir das Ziel haben, die Grenzkontrollen in Europa schrittweise hinunterzufahren und die Reisefreiheit wieder zu gewährleisten", sagte Bundeskanzler Kurz. Das werde jedoch einige Zeit brauchen und nur behutsam funktionieren – mit ständigem Blick auf die Infektionszahlen. "Wir sind hier mit jenen Ländern in Kontakt, die ähnlich erfolgreich sind wie wir."
Dieser Sommer werde stärker die Möglichkeit bieten, Urlaub in Österreich zu machen, dazu werde ein Konzept entwickelt. "Ich habe meine Entscheidung schon getroffen und werde meinen Urlaub, sofern er möglich ist, in Österreich verbringen." An allem weiteren, was die Reisefreiheit betreffe, werde derzeit auf europäischer Ebene gearbeitet.
"Mein großer Dank gilt allen Österreicherinnen und Österreichern. Sie haben es möglich gemacht, dass wir besser dastehen als andere Länder. Es liegt aber auch in unserer gemeinsamen Verantwortung, dass wir diesen Weg weiterhin so erfolgreich gehen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, den Plan der Öffnung unseres Landes auch Wirklichkeit werden zu lassen. Wir müssen den Weg behutsam gehen, sodass wir uns nicht unseren gemeinsamen Erfolg zunichtemachen", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Eigenverantwortung spielt große Rolle bei Lockerungen
Auch Vizekanzler Werner Kogler betonte, dass die Eigenverantwortung bei den künftigen schrittweisen Lockerungen eine größere und stärkere Rolle spielen werde. Durch eine vernünftige Planung und Herangehensweise werde die Bundesregierung vernunftorientierte Entscheidungen treffen, um eine schrittweise Öffnung des Landes durchzuführen. Diese bleibe aber auch mit der Entschlossenheit verbunden, entsprechend zu reagieren, wenn sich die Zahlen anders entwickeln. "An unserer Grundregel wird sich aber nicht viel ändern: Wir wollen unbedingt eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Es bleibt eine Handlungsmaxime der Bundesregierung, dass in Österreich niemand sterben soll, weil es keine ausreichende intensivmedizinische Versorgung gibt", so Kogler.
Man müsse sich in Erinnerung rufen, dass weitere Öffnungen weitere Ansteckungsmöglichkeiten eröffnen. Es sei "alles zu unternehmen, um eine zweite große Erkrankungswelle zu verhindern", während gleichzeitig eine Lockerung des öffentlichen Lebens, so weit wie möglich, durchgeführt werden solle. "Wenn wir das aber alles im Griff haben, wird es gehen", sagte der Vizekanzler.
Die Bundesregierung werde weiterhin Maßnahmen auf dem Verordnungsweg setzten, sei bei der Umsetzung aber auf die tatkräftige Mithilfe der Bevölkerung angewiesen, so der Vizekanzler, der in Österreich eine "große Mitmachbereitschaft" ortete. Auch zukünftig werde alles anders bleiben. "Die gewohnte Normalität wird es nicht geben, solange es keinen Impfstoff gibt."
Anschober: Kurs ist gut, aber Warnung vor Leichtfertigkeit
Gesundheitsminister Rudolf Anschober informierte in der Pressekonferenz über die aktuelle Gesundheitslage. "Wer sich täglich die neuen Zahlen anschaut und die weltweiten Entwicklungen betrachtet, der muss leider feststellen: Es ist lange noch nicht vorbei. Weltweit nimmt die Verbreitung der Pandemie besorgniserregend zu. Wir sind weltweit bei rund 2,5 Millionen Erkrankten, nach wie vor ist Europa das Epizentrum."
Österreich sei bei den 4 Phasen, die es gebe, seit vergangenen Dienstag in Phase 2 angekommen, "das heißt die Phase der massiven Maßnahmen, um die täglichen Zuwächse zu stoppen, ist mittlerweile abgeschlossen. Wir sind, was die Entwicklung der Zahlen betrifft, auf einem wirklich guten Weg", zeigte sich Anschober zufrieden. Er wies aber darauf hin, dass Phase 2 die deutlich schwierigere sei, weil es keine Vorbilder in Europa gäbe, wie man eine Steuerung zwischen vorsichtiger kontrollierter Öffnung bei gleichzeitigem Verhindern einer weiteren Ausbreitung vornehme. Phase 3 würde jene Zeitspanne bedeuten, wo das Gelernte, wie etwa verstärkte Hygienemaßnahmen, Abstandregelungen, weiterhin zum normalen Leben gehören würde. Phase 4 schließlich würde wieder völlige Normalität herstellen.
"Österreich hat seit 1. April eine sehr gute Entwicklung erlebt. Das heißt, wir haben zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen gesetzt. Es heißt aber auch, dass wir eine großartige Bevölkerung haben, die bisher phantastisch mitgezogen ist", hielt Anschober fest. Daher sei es möglich, jetzt vorsichtige und kontrollierte Schritte der Öffnung zu realisieren. "Wir müssen aber weiter vorsichtig bleiben. Meine Warnung ist: Sobald hier Leichtfertigkeit einzieht, sobald wir glauben, das Thema ist gelöst, kann es innerhalb weniger Tage schwierig werden. Das heißt, dass wir alle ein Teil der Lösung sind und darüber entscheiden, ob dieser Fahrplan hält", so Anschober.
Polizei als Partner der Bevölkerung
Innenminister Karl Nehammer legte in seinem Statement die Sicherheitslage in Österreich dar: "Die Menschen in Österreich tragen sehr viel zu einer positiven Entwicklung und den erfreulichen Zahlen bei. Wir sind dankbar dafür, dass die Einschränkungen so gut eingehalten werden."
Die Polizei habe die Aufgabe, die Vorgaben der Gesundheitsbehörden zu erfüllen und sie zur Durchsetzung zu bringen, wobei zuletzt über 40 Polizistinnen und Polizisten verletzt worden seien: "Es wurden 28.000 Anzeigen ausgesprochen und 2.270 Organstrafmandate verfügt."
"Die Polizei ist Partner der Bevölkerung, wenn es darum geht, den Menschen zu helfen und ihnen Sorgen zu nehmen." Über 70.000 Anrufe seien bei der Gesundheitshotline, die unter anderem durch Polizeischülerinnen und -schüler unterstützt worden sei, bearbeitet worden. "Darüber hinaus wurde das Angebot verstärkt, Infektionsketten rasch zu durchbrechen, indem wir rasch versuchen herauszufinden, wer mit wem Kontakt hatte", betonte Nehammer. Das trage zu einer Eindämmung von Infektionen bei.
Bei der Frage der Bewegungsfreiheit sei man in Kontakt mit den Ressortkollegen der Nachbarländer, "um Maßnahmen so zu setzen, dass wir den Virus eindämmen und Bewegungsfreiheit, sofern möglich, gewährleisten können". Die Polizei sei durch die Initiative "Gemeinsam sicher" Partner der Bevölkerung – gerade wenn es ab 1. Mai wieder eine vermehrte Öffnung von Geschäftslokalen gebe.
Der Innenminister sprach von einer Herausforderung, wenn es darum gehe, die Entwicklung so beizubehalten. "Daher haben wir eine große Bitte: Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit bleibt bis Ende April aufrecht, es ist somit wichtig, diese Tage noch durchzuhalten. Die Einhaltung der bekannten Regeln ist noch wichtiger, um zum neuen normalen Leben in Österreich zurückkehren zu können."
Bilder von der Pressekonferenz sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.