Bundesministerin Edtstadler: "Wir müssen der Gesellschaft das Signal geben, dass Antisemitismus nicht plötzlich wieder salonfähig ist"
Online-Kampagne gegen Antisemitismus
Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich, Oskar Deutsch, die neue Online-Kampagne des Bundeskanzleramts gegen Antisemitismus präsentiert.
"Österreich ist seit Jahren Vorreiter im Kampf gegen Antisemitismus. Insbesondere auf der europäischen Ebene wird das sehr klar. Diese Bundesregierung hat in den letzten viereinhalb Jahren sehr viele Initiativen gesetzt, um gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen vorzugehen. Wir haben im Jahr 2020 die Nationale Strategie gegen Antisemitismus entwickelt, die wir im Jänner 2021 gemeinsam präsentiert haben. Darin sind 38 Maßnahmen gegen Antisemitismus enthalten, wobei diese nicht in Stein gemeißelt sind. Wir müssen sie ständig überprüfen, ob sie auch wirken und dazu führen, was wir erreichen wollen: nämlich Antisemitismus in Österreich, in unserer Gesellschaft einzudämmen", sagte Bundesministerin Karoline Edtstadler in ihrem Statement.
Die Strategie enthält Maßnahmen wie die Überarbeitung des Verbotsgesetzes, des Symbole-Gesetzes und des Abzeichengesetzes oder auch die Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, mit dem bereits vielfach Staatsbürgerschaften an Nachkommen von Holocaustüberlebenden und Überlebenden auf der ganzen Welt verliehen worden sind.
"Wir haben während der Pandemie einen starken Anstieg an antisemitischen Vorfällen im Internet erlebt. Danach wurde eine Reduktion um rund 1/3 erreicht, aber seit dem 7. Oktober letzten Jahres sind die Zahlen explodiert. Darüber hinaus ist seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Welt eine andere, denn auch bei diesem Konflikt werden immer wieder antisemitische Narrative verwendet. Es beeinflusst das Denken und die Meinung in unserer Gesellschaft und es gefährdet unseren Zusammenhalt. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen", betonte Edtstadler.
Gemeldete antisemitische Vorfälle rasant angestiegen
Die IKG-Meldestelle hat alarmierende Zahlen veröffentlicht. Es sei eine Verfünffachung der gemeldeten antisemitischen Vorfälle zu verzeichnen, so die Bundesministerin. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 1.147 Vorfälle gemeldet, im Vergleich dazu waren es im Jahr 2022 719 Vorfälle. Das bedeutet einen Anstieg um fast 60 Prozent. Auf den 7. Oktober letzten Jahres bezogen zeigt sich, dass in Österreich jeden Tag 8,31 antisemitische Vorfälle stattfinden, 2022 waren es 1,97.
"Wir dürfen daher nicht zur Tagesordnung übergehen. Vor allem im digitalen Raum sehen wir, dass sich derartige Vorfälle explosionsartig entwickelt haben. Das ist die Schattenseite des digitalen Wandels. Das beweist auch der Jahresbericht 2023 der IKG-Meldestelle. Fälle in den sozialen Netzwerken haben sich mehr als verdoppelt, auch antisemitische E-Mails haben sich nahezu verdoppelt." Dazu müsse man beachten, dass ein Vorfall in sozialen Foren nur einmal gewertet werde, unter diesem einen Posting jedoch viele weitere antisemitische Kommentare zu finden seien, so Edtstadler, die erklärte: "Das ist eine große Herausforderung für die sozialen Medien. Daher haben wir die Nationale Strategie gegen Antisemitismus um Online-Maßnahmen erweitert."
Gipfel der Online-Plattformen für einen nachhaltigen Austausch
Am 18. März wurde ein Maßnahmenpaket präsentiert, um entsprechende Schritte gegen Antisemitismus im Netz zu setzen. Heute werden zwei dieser Maßnahmen umgesetzt: erstens, ein Gipfel mit Online-Plattformen, der zur Stunde tagt. Das Treffen dient der Vernetzung der Online-Plattformen mit österreichischen Stakeholdern, Ministerien und dem Parlament, um einen nachhaltigen Austausch im gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus im Netz zu etablieren. "Der Sinn und Zweck des Gipfels ist, sich besser zu vernetzen und mit den sozialen Plattformen gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Heute ist der Startschuss. Wir wollen ein Forum etablieren, dass sich regelmäßig austauscht und die Erfahrungen auf den Tisch legt. Ich freue mich wirklich ganz besonders, dass dieser Einladung ins Bundeskanzleramt auch Google, Meta, Snapchat und TikTok gefolgt sind. Ziel ist es, einen nachhaltigen Austausch zu etablieren, Vertrauen zu schaffen, sie in unserem gemeinsamen Ziel zu bestärken und bei der Umsetzung zu unterstützen, nämlich die Verbreitung von Antisemitismus online einzudämmen", hielt die Ministerin fest.
Online-Kampagne des Bundeskanzleramts soll Bewusstsein schaffen
Die zweite Maßnahme betrifft eine Online-Kampagne des Bundeskanzleramts und ist eine Maßnahme des im März 2024 präsentierten "Maßnahmenpakets gegen Antisemitismus und antisemitische Desinformation im digitalen Raum", das eine Erweiterung zur "Nationalen Strategie gegen Antisemitismus" darstellt. "Wir wollen selbst die Online-Plattformen nutzen, um zu informieren. Mit dieser Kampagne soll Bewusstsein geschaffen werden. Es soll sich jede und jeder in der Gesellschaft verantwortlich fühlen, gegen Antisemitismus aufzutreten und die Möglichkeit haben, Antisemitismus als solchen zu erkennen, zu benennen und entsprechend dagegen vorzugehen. Wir müssen der Gesellschaft das Signal geben, dass Antisemitismus nicht plötzlich wieder salonfähig ist, dass Antisemitismus und derartige Postings Straftatbestände verwirklichen und dass es hier auch Konsequenzen gibt", bekräftigte Edtstadler.
Sujets und Videos mit Holocaustüberlebenden sollen Bewusstsein schaffen, die Zivilcourage stärken und über die rechtlichen Folgen aufklären. "Ich möchte all jenen danken, die sich sofort bereit erklärt haben, bei dieser Kampagne mit dabei zu sein. Meine höchste Bewunderung für alle, die sich bereit erklärt haben, Vorfälle zu schildern und eindringlich davor zu warnen."
"Antisemitismus geht uns alle an. Antisemitismus ist nicht das Problem von Jüdinnen und Juden, denn er bedroht unsere liberale Demokratie und unsere Gesellschaft. Nur, wenn wir gesamtgesellschaftlich zusammenhalten, die Augen nicht verschließen und gegen Antisemitismus vorgehen, können wir die Bedrohung der Mitte der Gesellschaft abwenden. Denken wir immer daran: Die Mitte der Gesellschaft ist auch das Herz der Gesellschaft und der Ort, an dem unsere Grundwerte verankert sind. Dieses Herz ist zerbrechlich. Passen wir also gemeinsam auf dieses zerbrechliche Herz, auf unsere Mitte auf", so Bundesministerin Edtstadler abschließend.
Weitere Informationen zur Online-Kampagne gegen Antisemitismus
Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.