Mögliche strafrechtliche Folgen von Antisemitismus im Internet

Antisemitische Taten sind Straftaten, wenn sie vom Gesetz als solche eingestuft werden. Straftaten sind antisemitisch, wenn die Angriffsziele, seien es Personen oder Einrichtungen, deshalb ausgewählt werden, weil sie jüdisch sind oder als solche wahrgenommen werden.

Antisemitische Hasspostings im Internet können verschiedene Straftatbestände erfüllen und somit zu einer strafrechtlichen Verfolgung vor Gericht führen.

Insbesondere können durch das Posten/Teilen antisemitischer Inhalte im Netz folgende Straftatbestände des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB) und des Verbotsgesetzes 1947 (VerbotsG) erfüllt werden:

Verhetzung (§ 283 StGB)

Verhetzung kann verschiedene Formen haben:

Aufruf zu Gewalt oder Hass (§ 283 Abs. 1 Z 1 StGB) und Beschimpfung (§ 283 Abs. 1 Z 2 StGB)

Nach § 283 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB macht sich strafbar, wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,

  1. zu Gewalt oder zu Hass gegen eine besonders geschützte Gruppe oder eine Person ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert beziehungsweise aufstachelt (§ 283 Abs. 1 Z 1 StGB)
  2. eine besonders geschützte Gruppe oder eine Person wegen der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe beschimpft. Dies muss in der Absicht geschehen, die Menschenwürde der Mitglieder der Gruppe oder der Person zu verletzen, und in einer Weise, die geeignet ist, die Gruppe oder Person in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen (§ 283 Abs. 1 Z 2 StGB).

Zu den besonders geschützten Gruppen zählen neben Kirchen und Religionsgemeinschaften auch Gruppen, die sich über vorhandene oder fehlende Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definieren.

Leugnen von Völkermord (§ 283 Abs. 1 Z 3 StGB)

Nach § 283 Abs. 1 Z 3 macht sich strafbar, wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, gerichtlich rechtskräftig festgestellten Völkermord oder Kriegsverbrechen beziehungsweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§§ 321 bis 321f sowie § 321k StGB) billigt, leugnet, gröblich verharmlost oder rechtfertigt.

Auch in diesem Fall muss sich die Handlung gegen eine der oben angeführten besonders geschützten Gruppen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe richten und in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe aufzustacheln.

Wird die Tat nach Abs. 1 in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, wodurch die Handlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, begangen (§ 283 Abs. 2 StGB), oder bewirkt der Täter durch die Begehung, dass andere Personen gegen eine der oben angeführten besonders geschützten Gruppen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben (§ 283 Abs. 3 StGB), ist ein höheres Strafmaß anzuwenden.

Öffentliches Verfügbarmachen von verhetzendem Material (§ 283 Abs. 4 StGB)

Auch wer verhetzendes schriftliches Material, Bilder oder andere Darstellungen von Theorien oder Ideen in gutheißender oder rechtfertigender Weise verbreitet oder sie anderweitig öffentlich verfügbar macht, begeht eine Verhetzung. Dies kann in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise geschehen, wodurch die Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Das verbreitete Material muss außerdem Hass oder Gewalt gegen eine besonders geschützte Gruppe oder gegen ein Mitglied der Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln.

Beleidigung mit Vorurteilsmotiv (§ 115 in Verbindung mit § 117 Abs. 3 StGB)

Nach § 115 StGB macht sich strafbar, wer einen anderen öffentlich oder vor mehreren Leuten beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht.

Beleidung ist grundsätzlich ein Privatanklagedelikt und kann als solches nur auf Verlangen des Betroffenen verfolgt werden. Die betroffene Person muss daher selbst eine Privatanklage bei Gericht einbringen.

Anderes gilt jedoch für den Fall, dass sich die Beleidigung gegen eine Person wegen der Zugehörigkeit zu einer der nach § 283 Abs. 1 Z 1 StGB besonders geschützten Gruppe (siehe oben, Punkt Verhetzung) richtet und im Fall der Beschimpfung und Verspottung dazu geeignet ist, den Verletzten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Dann wird das Delikt zu einem sogenannten Ermächtigungsdelikt und ist nicht durch die betroffene Person selbst, sondern durch die Staatsanwaltschaft zu verfolgen. Voraussetzung dafür ist nur, dass die betroffene Person dazu seine Ermächtigung erteilt, also zustimmt (§ 117 Abs. 3 StGB). Bei einer Misshandlung oder Drohung mit einer Misshandlung wegen der Zugehörigkeit zu einer der besonders geschützten Gruppen ist die Eignung, den Verletzten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, hingegen nicht erforderlich, um die Tat zu einem Ermächtigungsdelikt zu machen.

Tatbestände nach dem Verbotsgesetz 1947

Das Verbotsgesetz ist ein Bundesverfassungsgesetz, das neben dem Verbot der Nationalsozialistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und ihrer Organisationen auch mehrere Straftatbestände für nationalsozialistische Wiederbetätigung enthält. So kann unter anderem auch die Verbreitung nationalsozialistischer Inhalte (zum Beispiel über das Internet) als Wiederbetätigung nach dem VerbotsG strafbar sein. Im Internet ist insbesondere die Begehung folgender Delikte des VerbotsG von Bedeutung:

Nationalsozialistische Wiederbetätigung (§ 3 g VerbotsG)

Diese Bestimmung stellt jede Betätigung im nationalsozialistischen Sinn unter Strafe. Unter Betätigung im nationalsozialistischen Sinn fallen Handlungen, durch die spezifische Zielsetzungen der NSDAP zu neuem Leben erweckt, propagiert und dadurch aktualisiert werden sollen. Zentral für die nationalsozialistische Ideologie und damit ihre Zielsetzungen waren unter anderem auch der Rassengedanke und der Antisemitismus. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) können beispielsweise Handlungen wie die propagandistische Verwendung typisch nationalsozialistischer Parolen, Schlagworte oder Symbole (zum Beispiel das Hakenkreuz, die Aufschrift "C18" oder "88", die Aussprüche "Heil Hitler" oder "Sieg Heil", das Ausführen des Hitlergrußes), sowie die Glorifizierung der Person Adolf Hitlers und das Gutheißen seiner Lebensaufgabe den Tatbestand verwirklichen.

Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords und der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 3 h VerbotsG)

Nach diesem Paragraphen ist zu bestrafen, wer öffentlich den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen versucht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zählt dazu beispielsweise die Behauptung, die Zahl der durch das NS-Regime getöteten Jüdinnen und Juden sei bei weitem überzogen.

In den letzten Jahren wurde § 3 h VerbotsG auch im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen COVID-19-Maßnahmen relevant, bei denen Symbole wie der Davidstern oder Slogans wie "Impfen macht frei" genutzt wurden, um die Situation ungeimpfter Personen mit der Situation von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus zu vergleichen. Auch derartige Handlungen können als Verharmlosung des Holocaust strafrechtlich verfolgt werden, was bereits durch rechtskräftige erstinstanzliche Urteile und eine Entscheidung des OLG Wien bestätigt wurde. Höchstgerichtliche Entscheidungen des OGH liegen diesbezüglich noch nicht vor.

Mit der Verbotsgesetz-Novelle 2023 wurden die Tatbestände der §§ 3 g und 3 h VerbotsG umstrukturiert und teilweise verschärft. Insbesondere wurde eine wesentliche Hürde für die Strafbarkeit der Verharmlosung des Holocaust in § 3 h VerbotsG abgeschafft: Statt einer zuvor "gröblichen" Verharmlosung ist nunmehr jegliche Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes strafbar. Durch diese Erweiterung reicht fortan auch eine Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen in geringerem Ausmaß oder in Randbereichen für eine Strafbarkeit nach § 3 h VerbotsG aus. Zudem kann nunmehr auch eine "Teilleugnung" (zum Beispiel das Bestreiten der Existenz einzelner Konzentrationslager oder einzelner Verbrechen) den Tatbestand erfüllen.

Darüber hinaus wurde mit der VerbotsG-Novelle unter anderem auch die österreichische Strafgewalt für gewisse Tatbestände des VerbotsG (darunter § 3g Abs. 2 und § 3h Abs. 2 VerbotsG) auf bestimmte im Ausland gesetzte Verhaltensweisen ausgedehnt. § 3 m Abs. 3 VerbotsG ermöglicht nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine strafrechtliche Verfolgung in Österreich bei aus dem Ausland getätigten, aber im Inland wahrnehmbaren Äußerungen im Internet (zum Beispiel Facebook-Postings oder Blogs).

Zusätzlich zu den oben dargestellten Tatbeständen können antisemitische Handlungen im Internet auch andere Straftatbestände des StGB erfüllen, die kein besonderes Vorurteilsmotiv voraussetzen, wie beispielsweise gefährliche Drohung (§ 107 StGB), üble Nachrede (§ 111 StGB), "Cyber-Mobbing" (§ 107c StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB).

Im Offline-Bereich kommen insbesondere auch Sachbeschädigung (§§ 125 f StGB), Körperverletzung (§§ 83 ff. StGB), Mord (§ 75 StGB), Herabwürdigung fremder Symbole (§ 317 StGB), Sexualdelikte (§§ 201 ff. StGB) und Organisationsdelikte (z.B. §§ 246, 247a, 277 ff. StGB) in Betracht.

Bei allen Delikten, bei denen das Vorurteilsmotiv nicht bereits als Tatbestandsmerkmal miterfasst wird und damit bereits die Strafdrohung bestimmt, kann der Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 1 Z 5 StGB zur Anwendung kommen. Dabei handelt es sich nicht um einen Straftatbestand, sondern um einen Erschwerungsgrund bei der Strafzumessung, das heißt bei der Bestimmung von Strafart und Strafhöhe. Nach § 33 Abs. 1 Z 5 StGB gelten rassistische, fremdenfeindliche andere besonders verwerfliche Beweggründe, insbesondere gegen die in § 283 Abs. 1 Z 1 StGB genannten Gruppen wegen Zugehörigkeit zu diesen, erschwerend und müssen vom Gericht bei der Bemessung der Strafe berücksichtig werden.

Hass und Antisemitismus im Netz können außerdem zu einer sehr starken psychischen Belastung für Betroffene führen. Opfer von Hass-im-Netz-Delikten haben daher unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung.

Tipp

Das Bundeministerium für Justiz bietet praktische Informationen zum Schutz Betroffener von Hass im Netz:

Informationsbroschüre "Hass im Netz" (PDF, 66 KB)

Weiterführende Informationen