Von der Kontrolle des Gedruckten zum modernen Bibliothekszentrum

175 Jahre Administrative Bibliothek – 1850 bis 2025

Original der kaiserlichen Entschließung zur Begründung der Administrativen Bibliothek
Kaiserliche Entschließung Foto: Administrative Bibliothek des Bundes

Eröffnung 1850

Die Administrative Bibliothek wurde am 14. Jänner 1850 für die Benützung eröffnet. Die Idee der Gründung einer Bibliothek für die Verwaltung geht zurück auf Franz Graf Stadion, Innenminister im Kabinett des Fürsten Schwarzenberg. Er wollte eine Spezialbibliothek für die Verwaltung einrichten, mit der Zielsetzung, die Ministerialbeamten im Innenministerium und in den anderen Ministerien bibliothekarisch und dokumentarisch zu betreuen. Vorbild war die Bibliothek im französischen Innenministerium.

Kaiser Franz Joseph I genehmigte am 18. April 1849 in einer von ihm höchstpersönlich unterschriebenen Resolution "die Begründung und Erhaltung einer administrativen Bibliothek bey dem Ministerium des Inneren" (ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv, M.J. / Zl. 2100). Er ernannte Dr. Wurzbach zum Bibliothekar und legte ein jährliches Gehalt von 1.800 Gulden und zusätzlich 300 Gulden jährliches Quartiergeld fest. Die Bibliothek stattete er mit einem Jahresbudget von 400 Gulden aus.

Kaiserliche Entschließung zur Begründung der Administrativen Bibliothek (PDF, 376 KB)

Ich genehmige die Begründung und Erhaltung einer administrativen Bibliothek bey dem Ministerium des Inneren, und ernenne den Dr. Wurzbach zum Bibliothekar, mit dem Gehalte jährlicher achtzehnhundert Gulden, und einem Quartiergelde jährlicher dreyhundert Gulden. Für das erforderliche Hilfspersonale haben Sie einstweilen in der beauftragten Weise zu sorgen. Zugleich bewillige ich für diese Bibliothek eine Jahres=Dotation von vierhundert Gulden vom Jahre 1849 angefangen, mit welcher Sie auszulangen Sie möglichst Sorge tragen werden. Diese Meine Entschließung haben Sie Meinem Finanzminister mitzutheilen. Olmütz am 18. April 1849
Franz Joseph 

Vermerk des Beamten rechts oben: lege ich gehorsamst bei.
Datum links unten: Wien am 10. April 1849

Von Ablieferungspflicht zu Anbietungspflicht

Von Anbeginn gehörte es zu den zentralen Aufgaben der Bibliothek, die in- und ausländische Gesetzgebung zu sammeln und zu dokumentieren. Darüber hinaus gelangte über die Pflichtexemplarregelung gemäß Preßgesetz (PreßG 1852) § 4 von allen in den österreichischen Kronländern verlegten oder gedruckten und zum Verkauf bestimmten Druckschriften je ein Exemplar in die Administrative Bibliothek. Während die im Preßgesetz verankerte Hinterlegungspflicht noch stark den Charakter einer Vorzensur hatte und diesen auch noch Jahrzehnte beibehalten sollte, war damit bereits die Grundlage für die spätere Ablieferungs- und Anbietungspflicht geschaffen. Die in der "Verordnung (…) vom 26. September 1922, über die Ablieferung von Freistücken" normierte Pflicht an die administrative Bibliothek eine genau festgelegte Anzahl von Freistücken abzuliefern, blieb bis in das Jahr 1981 unverändert aufrecht. Erst mit dem Abschluss der Medienrechtsreform und der Verabschiedung des Mediengesetzes 1981 (MedienG) wurde die Ablieferungspflicht gegenüber der Administrativen Bibliothek in eine Anbietungspflicht geändert. 

Neuorganisation nach der Auflösung der Habsburgermonarchie 1919

Im Zuge der Neuorganisation des Verwaltungsapparats nach der Auflösung der Habsburgermonarchie wurde die Administrative Bibliothek 1919 zunächst dem Staatsamt für Inneres und Unterricht, dem späteren Bundesministerium für Inneres und Unterricht, zugeordnet. Nach den Nationalratswahlen 1923 wurden die Agenden des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht getrennt. Während ein eigenes Bundesministerium für Unterricht geschaffen wurde, gelangte der Aufgabenbereich des Inneren gemeinsam mit der Administrativen Bibliothek in das Bundeskanzleramt. Räumlich war die Bibliothek damals noch am Hohen Markt untergebracht. Die Übersiedelung an den aktuellen Standort in das Palais Porcia, Herrengasse 23, erfolgte 1925.

1938 bis 1945 und Wiedereingliederung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1938 bedeutete zunächst Unklarheit hinsichtlich des Fortbestandes der Bibliothek. Im Frühjahr 1939 schließlich wurde die Bibliothek der Behörde des Reichstatthalters in Wien, Referat "Z-R Zentrales Rechtsreferat und Verwaltungsbibliothek Wien" unterstellt. (Geschäftsverteilungsplan der Behörde des Reichsstatthalters in Wien, o.J., S. 9). Dort sollte sie bis zum Jahr 1945 bleiben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Wiedereingliederung der Administrativen Bibliothek als zentrale Verwaltungsbibliothek für alle Bundesministerien und Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden in den Ressortbereich des Bundeskanzleramts. (Behörden-Überleitungsgesetz – Behörden-ÜG, StGBl. Nr. 94/1945).

Fachdokumentationen und automatisierte Informationsverarbeitung seit den 1960er Jahren

In den Nachkriegsjahren begann auch die kontinuierliche Erstellung von einschlägigen Fachdokumentationen zur österreichischen Gesetzgebung. Die beiden Publikationen, Index Bundesrecht, ein systematisches Verzeichnis des geltenden Bundesrechts und Index zum österreichischen Reichs-, Staats- und Bundesgesetzblatt erschienen zuletzt 2021.

Darüber hinaus startete die Administrative Bibliothek Ende der 1960er und in den frühen 1970er Jahren das EDV-Versuchsprojekt Verfassungsrecht. Gemeinsam mit IBM Österreich und Juristinnen und Juristen des Verfassungsdienstes entstand das Wiener System für die automatische Informationsverarbeitung.

In den 1980er Jahren wurde aufbauend auf diesen Erkenntnissen mit dem Aufbau des Rechtsinformationssystems RIS begonnen. Der behördeninterne Testbetrieb startete 1986. Seit 1997 steht das RIS online allen kostenlos für die Suche nach Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Verfügung.

Ausbau zum modernen Informations- und Bibliothekszentrum seit der Jahrtausendwende

Kurz nach der Jahrtausendwende erfolgte der kontinuierliche Ausbau zu einem modernen Informations- und Bibliothekszentrum.

Im Juli 2002 legte die Integration der Amtsbibliothek des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in die Administrative Bibliothek den Grundstein für einen Bibliothekenverbund. Ende 2003 wurde der laufende Bibliotheksbetrieb des Österreichischen Staatsarchivs eingegliedert, im Jahr 2005 folgte die Ministerialbibliothek des Bundesministeriums für Inneres.

Von 2006 bis 2024 war die Administrative Bibliothek auch Depositarbibliothek der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development) mit direktem Zugriff auf die iLibrary. Als Depositarbibliothek gehörte es zu den Aufgaben der Administrativen Bibliothek, die Veröffentlichungen und Dokumente der OECD zu sammeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit Mitte des Jahres 2024 sind die Publikationen der OECD über das Portal www.oecd.org frei zugänglich.

Mit den Bibliotheken des Bundesministeriums für Justiz wurde von 2008 bis 2024 ein Verbund geführt. Im Jänner 2018 wurde die Bibliothek des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport in den Bibliothekscluster integriert und im Frühjahr 2021 erfolgte die Eingliederung der Bibliothek des Bundesdenkmalamtes.

Seit März 2022 ist die Administrative Bibliothek auch eines von insgesamt 8 Europäischen Dokumentationszentren in Österreich und informiert über den Zugang zu Dokumenten, Rechtstexten und Veröffentlichungen der Europäischen Union.

2024 trat die Administrative Bibliothek dem Österreichischen Bibliothekenverbund (OBVSG) bei. Damit sind die Bestände der Bibliothek auch über die zentrale Suchmaschine des Bibliothekenverbundes recherchierbar. Durch die Verbundteilnahme sind auch die digitalen Publikationen der öffentlichen Verwaltung in Österreich, welche seit 2015 von der Administrativen Bibliothek gesammelt und im Volltext archiviert werden, für die breite Öffentlichkeit leichter zugänglich.