Institutionen und vertragliche Grundlagen

Der Vertrag von Lissabon, liegend auf der Flagge der Europäischen Union
Foto: European Communities, 2008

Wie ist die EU aufgebaut?

Die EU ist in ihrer Struktur weltweit einzigartig. Ihr besonderer institutioneller Aufbau stellt sicher, dass die EU-Bürgerinnen und -Bürger vertreten und die Interessen sowohl der Mitgliedstaaten als auch der EU in ihrer Gesamtheit gewahrt werden. Jedes Organ beziehungsweise jede Institution der EU hat hierbei eine spezielle Rolle mit klar definierten Befugnissen und Zuständigkeiten. Dies ist in den Verträgen der EU festgelegt. Jedes Tätigwerden der EU basiert auf diesen Verträgen, die von jedem EU-Mitgliedstaat auf demokratischem Wege angenommen wurden und rechtlich verbindliche Vereinbarungen darstellen.

Wie funktioniert die EU?

Die Regeln für das Funktionieren der EU, ihre Zuständigkeiten und Arbeitsweise sind in 2 Grundverträgen festgelegt: dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Die letzte große Änderung dieser Verträge erfolgte durch den 2007 von den Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der EU-Mitgliedstaaten unterzeichneten Vertrag von Lissabon. Dieser trat am 1. Dezember 2009 in Kraft.

Die in diesen Verträgen festgelegten Institutionen (Organe) der EU und ihre Aufgaben geben der EU ihre weltweit einzigartige Struktur:

  • Die allgemeinen politischen Prioritäten werden vom Europäischen Rat vorgegeben, in dem die 27 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der EU-Mitgliedstaaten vertreten sind.
  • Die Europäische Kommission vertritt die Gesamtinteressen der EU. Sie verfügt auch über das Initiativrecht. Das heißt, sie erarbeitet Vorschläge für Gesetzgebungsakte auf europäischer Ebene.
  • Beschlossen werden diese Gesetzgebungsakte in der Regel gemeinsam vom Rat der EU und vom Europäischen Parlament. Im Rat der EU sind die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten vertreten. Das Europäische Parlament wird von den Bürgerinnen und Bürgern der EU-Mitgliedstaaten alle 5 Jahre in allgemeiner, geheimer, gleicher, freier und direkter Wahl gewählt. Dadurch besitzt das Europäische Parlament eine direktdemokratische Legitimation.

In den Grundverträgen der EU ist auch festgelegt, welche Bereiche auf europäischer Ebene geregelt werden beziehungsweise für welche Bereiche die EU gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zuständig ist. Durch das Subsidiaritätsprinzip wird außerdem sichergestellt, dass innerhalb der EU Entscheidungen so bürgerinnen- und bürgernah wie möglich getroffen werden: Ein Tätigwerden der Union ist nur zulässig, wenn eine Angelegenheit auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene durch die Mitgliedstaaten nicht ausreichend und auf EU-Ebene besser verwirklicht werden kann.

Europäischer Rat – der Impulsgeber der EU

Der Europäische Rat (ER) gibt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU vor. Er setzt sich aus den Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der EU-Mitgliedstaaten, seinem Präsidenten und der Präsidentin der Europäischen Kommission zusammen. Auch die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, die vom Europäischen Rat mit Zustimmung der Präsidentin der Europäischen Kommission ernannt wird, nimmt an seinen Arbeiten teil. Stimmberechtigt sind im Europäischen Rat allerdings nur die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs.

Der Präsident des Europäischen Rates wird von den Mitgliedern des Europäischen Rates für eine Amtszeit von 2,5 Jahren gewählt (und kann einmal wiedergewählt werden). Er leitet die Sitzungen des Europäischen Rates und nimmt auf seiner Ebene die Außenvertretung der EU in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) wahr. Während seiner Amtszeit darf er kein einzelstaatliches Amt ausüben.

Der Europäische Rat tagt mindestens 2 Mal pro Halbjahr. Entscheidungen werden in der Regel im Konsens getroffen, Personalentscheidungen allerdings mit qualifizierter Mehrheit.

Rat der EU – die Stimme der Mitgliedstaaten

Im Rat der EU, der informell auch EU-Rat, Rat oder Ministerrat genannt wird, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten. Die für den jeweiligen Fachbereich zuständigen nationalen Ministerinnen und Minister beziehungsweise Staatssekretärinnen und -sekretäre aller Mitgliedstaaten treten im Rat zusammen, um Rechtsvorschriften zu erlassen und politische Maßnahmen zu koordinieren.

Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament übt der Rat die Gesetzgebungsfunktion in der EU aus und legt, ebenfalls gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, das EU-Budget fest. 

Der Rat tritt in 10 verschiedenen Ratsformationen zusammen, die nach Politikbereichen strukturiert sind und an denen jeweils die fachlich zuständigen Ministerinnen und Minister beziehungsweise Staatssekretärinnen und -sekretäre teilnehmen. So kommen beispielsweise im Rat "Umwelt" die Umweltministerinnen und -minister der 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen. Der Rat beschließt je nach Sachgebiet mit einfacher Mehrheit, mit qualifizierter Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten) oder einstimmig. Er kann nur abstimmen, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist.

Der Vorsitz im Rat (auch "EU-Ratsvorsitz" oder "EU-Ratspräsidentschaft" genannt) wechselt nach einer festgelegten Reihenfolge alle 6 Monate zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten. Während dieser 6 Monate leitet das jeweilige Vorsitzland die Sitzungen und Tagungen auf allen Ebenen des Rates und sorgt für die Kontinuität der Arbeit der EU im Rat. Dies gilt allerdings nicht für die Tagungen des Rates "Auswärtige Angelegenheiten" – diese werden von der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik geleitet. Nach 1998 und 2006 hatte Österreich in der 2. Jahreshälfte 2018 zum 3. Mal den Vorsitz im Rat der EU inne.

Europäische Kommission – die Hüterin der Verträge

Die Europäische Kommission (EK) fördert die allgemeinen Interessen der EU und wacht, gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), über die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts in allen EU-Mitgliedstaaten. Daher wird sie häufig auch als "Hüterin der Verträge" bezeichnet. Die Europäische Kommission ist zuständig für die Erarbeitung von Vorschlägen für neue europäische Rechtsvorschriften. Als politisch unabhängige Exekutive der EU setzt sie außerdem Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Rates der EU um und verwaltet den EU-Haushalt (Budget). 

Die Europäische Kommission hat ihren Sitz in Brüssel. Das so genannte Kollegium setzt sich aktuell aus 27 Kommissionsmitgliedern (je ein Mitglied aus jedem Mitgliedstaat) zusammen: der Präsidentin der Kommission, ihren Stellvertreterinnen und Stellvertretern, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den übrigen Kommissarinnen und Kommissaren, welche die unterschiedlichen Politikbereiche abdecken.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission wird auf Vorschlag des Europäischen Rates vom Europäischen Parlament gewählt. Das Europäische Parlament stimmt auch über das übrige Kollegium in seiner Gesamtheit ab, nachdem sich alle vorgeschlagenen Kommissionsmitglieder einem Hearing im Europäischen Parlament gestellt haben.

Europäisches Parlament – die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger

Gemeinsam mit dem Rat der EU ist das Europäische Parlament gleichberechtigter Gesetzgeber der EU (ordentliche und besondere Legislativverfahren). Beide EU-Organe teilen sich die Befugnis, über den gesamten Jahreshaushalt der EU zu entscheiden (Haushaltsverfahren).

Die Abgeordneten werden alle 5 Jahre in direkter Wahl von den Bürgerinnen und Bürgern in den 27 EU-Mitgliedstaaten gewählt. Die jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament fanden EU-weit von 6. bis 9. Juni 2024 statt (Wahltermin in Österreich: 9. Juni 2024). 

Seit 2014 darf das Europäische Parlament maximal 751 Abgeordnete (inklusive der Parlamentspräsidentin) umfassen. Die genaue Anzahl der Sitze und Aufteilung auf die 27 Mitgliedstaaten wird vom Europäischen Rat einstimmig festgelegt. Dies erfolgt nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments, das dem Europäischen Rat zuvor einen Entwurf vorlegt. Jedem Mitgliedstaat stehen mindestens 6 und höchstens 96 Sitze im Europäischen Parlament zu. In der Legislaturperiode 2024-2029 setzt sich das Europäische Parlament aus insgesamt 720 Abgeordneten zusammen, davon 20 aus Österreich.

Die Abgeordneten sind in länderübergreifenden Fraktionen hinweg organisiert, wobei eine Fraktion aus mindestens 23 Abgeordneten bestehen muss, die in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten (das heißt, 7) gewählt wurden.

Zu Beginn der Legislaturperiode wählen die Abgeordneten aus ihrer Mitte die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten des Europäischen Parlaments. Sitz des Europäischen Parlaments ist Straßburg, Tagungen finden jedoch auch in Brüssel statt, wo auch die meisten Ausschüsse tagen. Das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments befindet sich in Luxemburg. 

Das Europäische Parlament hat im Zuge der unterschiedlichen Vertragsreformen erheblich an politischem Gewicht gewonnen und ist heutzutage in den meisten Politikbereichen mit dem Rat gleichberechtigter Ko-Gesetzgeber der EU.

Europäischer Gerichtshof – der Wächter über das EU-Recht

Eine Union braucht gemeinsame Spielregeln, deren Einhaltung überwacht werden muss. Die EU-Gerichtsbarkeit stellt sicher, dass das EU-Recht ordnungsgemäß ausgelegt und angewendet wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setzt sich aus 27 Richterinnen beziehungsweise Richtern (je eine beziehungsweise einer aus jedem EU-Mitgliedstaat) und 11 Generalanwältinnen beziehungsweise -anwälten zusammen. Am Europäischen Gericht (EuG) sind 2 Richterinnen beziehungsweise Richter aus jedem Mitgliedstaat tätig. Der Sitz ist in Luxemburg.

Weitere Organe der EU

Zu den Organen der EU gehören des Weiteren die Europäische Zentralbank (EZB) und der Europäische Rechnungshof (EuRH). Die EZB ist die Wächterin über die gemeinsame Währung, den Euro, während der EuRH die Finanzen der EU überprüft.

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