Randy Schoenberg
Eine Gedenkstätte wie diese ist sehr wichtig für mich, weil 65.000 nicht nur eine Zahl ist, sondern 65.000 Schicksale und Geschichten von ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden dahinterstehen.
Das Gespräch mit Randy Schoenberg wurde am 27. April 2022 in Wien geführt.
Randol (Randy) Schoenberg ist ein amerikanischer Anwalt und Ahnenforscher aus Los Angeles. Er ist der Enkel der österreichischen Komponisten Arnold Schönberg und Erich Zeisl. Beide konnten aus Österreich flüchten, viele andere Mitglieder der Familie jedoch nicht – auf der Namensmauern Gedenkstätte finden sich um die 50 Namen von Familienmitgliedern, die im Holocaust ermordet wurden.
Mein Name ist Randy Schoenberg. Ich komme aus Los Angeles, Kalifornien, aber meine Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits stammen aus Wien. Ich habe die Namensmauern Gedenkstätte in Wien besucht und sehr viele Namen meiner Familie darauf entdeckt – es sind hier um die 50 Personen zu finden. Sie alle wurden im Holocaust ermordet.
Die Familie meines Vaters sind die Schönbergs. Mein Großvater hieß Arnold und meine Großmutter Gertrud. Arnolds Bruder Heinrich wurde in Salzburg ermordet.
Mein Urgroßvater Sigmund Zeisl (ursprünglich Siegmund) – sein Name steht hier auf der Namensmauern Gedenkstätte – hatte ein Kaffeehaus am Praterstern. Er wurde in Wien geboren und verbrachte sein ganzes Leben in Österreich. Er war 70 Jahre alt, als er 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Zwei Monate später wurde er in Treblinka ermordet.
Auf der Namensmauern Gedenkstätte finden sich die Namen vieler Verwandter meiner Großmutter. Ein anderer Teil der Familie hieß Goldschmied. Leider könnte ich noch viele weitere Namen aufzählen, denn viele Mitglieder meiner Familie wurden umgebracht.
Mein Urgroßvater Sigmund – sein Name steht hier auf der Namensmauern Gedenkstätte – hatte ein Kaffeehaus am Praterstern. Er wurde in Wien geboren und verbrachte sein ganzes Leben in Österreich. Er war bereits 70 Jahre alt, dennoch wurde er 1942 nach Theresienstadt deportiert und zwei Monate später ermordet.
Das ist nur eine der etwa 65.000 Geschichten von Personen, die einen Teil ihres Lebens in dieser Stadt, diesem Land verbracht haben und deren Familien zum Teil noch immer hier leben.
Eine Gedenkstätte wie diese ist sehr wichtig für mich, weil 65.000 nicht nur eine Zahl ist, sondern 65.000 Schicksale und Geschichten von ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden dahinterstehen.
Jetzt sind sie keine Personen ohne Namen und Gesichter mehr, von denen wir nichts wissen. Ich bin Ahnenforscher, deshalb habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, Familienstammbäume zu erstellen und Verwandte wieder zu vereinen, die wegen des Holocausts überall auf der Welt verstreut sind. Wenn ich durch die Gedenkstätte gehe, sehe ich all diese unterschiedlichen Namen und ich erkenne viele davon wieder, weil ich mit den Familien, zumindest genealogisch gesehen, eine lange Zeit lang mitgelebt habe.
Kurt Tutter hatte vor Jahren die Idee der Errichtung dieser Gedenkstätte. Von Beginn an war ich ein starker Befürworter dieser Idee, aber ich habe nie daran geglaubt, dass er es tatsächlich schafft, die Idee umzusetzen. Als ich die Gedenkstätte zum ersten Mal besuchte, habe ich ihm sofort geschrieben, wie dankbar ich ihm bin. Nur durch Kurts Beharrlichkeit und seinen unermüdlichen Einsatz konnte dieses Projekt umgesetzt werden.
Quelle: Das Denkmal. Das Buch zur feierlichen Einweihung der Shoah Namensmauern Gedenkstätte. Wien, 2023. ISBN: 978-3-9505412-1-2.
Die Namensmauern Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten Kinder, Frauen und Männer aus Österreich
Um den österreichischen Opfern der Shoah einen würdigen Ort der Erinnerung zu widmen, entschied die österreichische Bundesregierung im Gedenkjahr 2018, die Pläne für eine Shoah Namensmauern Gedenkstätte des jüdischen Holocaust-Überlebenden Kurt Yakov Tutter aufzunehmen und umzusetzen.
Die Gedenkstätte ist innerhalb kürzester Zeit ein zentraler Ort der Begegnung und der Erinnerung an die österreichischen Opfer der Shoah geworden: nicht nur für Überlebende und deren Angehörige, sondern für all jene, die sich bewusst dort treffen oder zufällig an den Namensmauern vorbeigehen. Vielen wird beim Durchschreiten der Gedenkstätte das schiere Ausmaß des Unrechts, das vom Nationalsozialismus und seinen Anhängerinnen und Anhängern ausging, erst bewusst. Die Opferzahl erscheint mit 65.000 Namen unfassbar hoch und bildet doch nur einen Bruchteil der Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen ab. Sie stehen dort als in Stein gemeißeltes Zeugnis und lassen unwillkürlich die Worte "NIE WIEDER" aufkommen.
Dokument
Randy Schoenberg – Die Geschichte hinter dem Namen (tagged PDF Deutsch + English) (PDF, 503 KB)